2014 lancierte die Guido Fluri Stiftung die Wiedergutmachungsinitiative. Diese hatte zum Ziel, auf der einen Seite eine finanzielle Wiedergutmachung für Verdingkinder und Opfer fürsorgerischer Zwangsmassnahmen und auf der anderen Seite eine wissenschaftliche Aufarbeitung zu erwirken. 2015 stimmte das Bundesparlament einem Gegenvorschlag zu, der diese Kernpunkte der Initiative umfasste. Seither ist viel geschehen.
Vernetzung der letzten Zeitzeug:innen
Am Samstag, 17. Juni hat in Langenthal (BE) ein Sommerfest mit über 600 ehemaligen Verdingkindern und anderen Opfern von fürsorgerischen Zwangsmassnahmen stattgefunden, wobei die älteste Person auf der Gästeliste 95 Jahre alt war. Regelmässig lädt die Guido Fluri Stiftung die Zeitzeug:innen zu Treffen ein, damit sie sich vernetzen können. Ziel ist es, die Betroffenen über die Sprachgrenzen hinweg zusammenbringen. Die Teilnehmenden sind die letzten Zeitzeug:innen, die das dunkle Kapitel Schweizer Sozialgeschichte erlebt haben.
Motion im Europarat
Die Schweizer Aufarbeitung hat viel ausgelöst. Die offizielle Anerkennung des geschehenen Unrechts hat zu einem kollektiven Umdenken geführt. Wie Guido Fluri in seiner Rede am Sommerfest in Langenthal erklärte, haben 12’000 Betroffene noch zu Lebzeiten einen Solidaritätsbeitrag erhalten. So habe der Mut der Verdingkinder und der anderen Missbrauchsopfer dazu geführt, dass es heute ein Gesetz gebe, das in ganz Europa Vorbildcharakter habe. Zudem sei die wissenschaftliche Aufarbeitung der fürsorgerischen Zwangsmassnahmen, die sich über alle Opfergruppen erstrecke, für Europa einmalig und das Interesse von Opfergruppen aus anderen Ländern an der Schweizer Erfahrung sei gross. Vor diesem Hintergrund hat der Schweizer Nationalrat Pierre-Alain Fridez, Mitglied der Schweizer Parlamentarierdelegation, beim Europarat eine Motion eingereicht, die im Kern die Aufarbeitung der Missbrauchsfälle in den europäischen Ländern nach Schweizer Vorbild fordert.
Jubiläum im Mai: 10 Jahre Gedenkstätte Mümliswil
«Es ist mir ein grosses Anliegen, dass die Geschichte der Heim- und Verdingkinder nicht in Vergessenheit gerät. Die Gedenkstätte soll ein Ort der Begegnung, des Austausches, der Erinnerung, aber auch der Hoffnung sein. Wir alle können dazu beitragen, dass die Kinder von heute in Geborgenheit und Sicherheit aufwachsen dürfen und sich dieses dunkle Kapitel der Schweizer Geschichte nicht wiederholt», sagt Initiator Guido Fluri. Die Schweizer Behörden haben bis 1981 zehntausende Kinder und Jugendliche von ihren Familien getrennt. Je nach Region in der Schweiz wurden sie als Arbeitskräfte verdingt, auf Bauernhöfen oder im Kleingewerbe, oder sie wurden in Heime und anderen geschlossenen Einrichtungen versorgt. In Mümliswil (SO) ist vor zehn Jahren die erste nationale Gedenkstätte entstanden, initiiert durch die Guido Fluri Stiftung. Heute ist es ein Begegnungszentrum, Ausstellungsort und Informationsplattform. Wer sich interessiert, die Gedenkstätte zu besuchen: Hier gibt es Informationen.
Begegnungszentrum, Ausstellungsort und Informationsplattform in Mümliswil (SO) Bilder: zVg Guido Fluri Stiftung
Zum The Philanthropist-Porträt von Guido Fluri geht es hier