Christoph Degen am Schweizer Stiftungstag 2021, 30 Jahre proFonds, in Zürich. Bild: Dominik Plüss

Viel­falt und grosse Chancen

Der gemeinnützige Sektor ist lebendig und auf vielen unterschiedlichen Ebenen im Wandel. Wir haben mit Christoph Degen, Geschäftsführer von proFonds, über die Entwicklung der Dachorganisation im gemeinnützigen Sektor, über das aktuelle Geschehen im Stiftungsrecht und über die neue Partnerschaft mit StiftungSchweiz gesprochen.

Was hat Sie im laufen­den Jahr als Geschäfts­füh­rer beson­ders stolz gemacht? Wie entwi­ckeln sich die proFonds Mitgliederzahlen?

Beson­ders erfreu­lich waren folgende Punkte: Die Mitglie­der­zahl hat im laufen­den Jahr die Schwelle von 500 über­schrit­ten. Dann konnte proFonds 2023 zahl­rei­che Mitglie­der bei der Umset­zung des neuen Daten­schut­zes unter­stüt­zen und bera­ten. Und auch in diesem Jahr wurde unser Dach­ver­band von den Behör­den bei Gesetz­ge­bungs­vor­ha­ben als kompe­ten­ter und verläss­li­cher Ansprech­part­ner für den Stif­tungs- und NPO-Bereich regel­mäs­sig beigezo­gen. Nicht uner­wähnt blei­ben soll unser jähr­li­ches High­light, der Schwei­zer Stif­tungs­tag, der wiederum von über 300 Perso­nen besucht wurde.

Welches sind die Schlüs­sel­the­men, die den gemein­nüt­zi­gen Sektor im kommen­den Jahr beschäf­ti­gen werden?

Ein Schlüs­sel­thema bleibt sicher die Finan­zie­rung, was auch das dies­jäh­rige Schwei­zer Stif­tungs­ba­ro­me­ter wieder gezeigt hat. Damit einher geht sowohl die nach­hal­tige Bewirt­schaf­tung der Stif­tungs- bzw. NPO-Vermö­gen als auch die Weiter­ent­wick­lung von neuen Förder­mo­del­len. Dauer­bren­ner blei­ben die Digi­ta­li­sie­rung – Stich­wort Künst­li­che Intel­li­genz- wie auch die breite Imple­men­tie­rung von zeit­ge­mäs­sen und möglichst ressour­cen­spa­ren­den Tools bspw. im Bereich Gesuchs­ma­nage­ment. Letz­te­res hängt auch eng mit der Über­win­dung der immer wieder beklag­ten «Kluft» zwischen Förder­stif­tun­gen und opera­ti­ven Orga­ni­sa­tio­nen zusam­men. Daher blei­ben auch Koope­ra­tio­nen und Part­ner­schaf­ten auf Augen­höhe wich­tig. Im Bereich der Inter­es­sen­wah­rung werden die Umset­zung des neuen Daten­schut­zes und die Einfüh­rung der neuen Ausnahme vom Auto­ma­ti­schen Infor­ma­ti­ons­aus­tausch in Steu­er­sa­chen für gemein­nüt­zige Stif­tun­gen und NPO im Vorder­grund stehen. proFonds befasst sich schon seit vielen Jahren fundiert und erfolg­reich mit diesen Themen. Ein weite­res wich­ti­ges Thema wird das geplante Trans­pa­renz­re­gis­ter für Unter­neh­men und Orga­ni­sa­tio­nen sein. Es geht um ein Verzeich­nis der wirt­schaft­lich berech­tig­ten Perso­nen. Da es solche bei gemein­nüt­zi­gen Stif­tun­gen und NPO nicht gibt, soll­ten diese nach unse­rer Auffas­sung von der Regis­ter­pflicht befreit werden. Zudem werden wir uns weiter­hin mit dem Thema der Stif­tungs­rats­ho­no­rare befas­sen. Unsere Auffas­sung und Forde­rung bleibt unver­än­dert: Ange­mes­sene Hono­rare dürfen nicht zur Verwei­ge­rung der Steu­er­be­frei­ung führen. Aktu­ell blei­ben auch die Aspekte der Good Gover­nance. Wich­tig sind nament­lich die Themen Zusam­men­set­zung des Stif­tungs­rats – Stich­wort Diver­si­tät – und die “Profes­sio­na­li­sie­rung” des Stif­tungs­rats und seiner Arbeit.

Welche wich­ti­gen Veran­stal­tun­gen wird proFonds im kommen­den Jahr durchführen?

Mit unse­ren Veran­stal­tun­gen verfol­gen wir zwei Haupt­ziele: Die Vernet­zung und die Profes­sio­na­li­sie­rung im Sektor. Daher werden wir unsere Netz­werk­an­lässe «Feier­abend mit proFonds» sowie unsere Arbeits­kreis­tref­fen weiter fort­füh­ren, und selbst­ver­ständ­lich wird es auch 2024 den Schwei­zer Stif­tungs­tag geben. Zudem werden wir weitere Veran­stal­tun­gen mit Koope­ra­ti­ons­part­nern durch­füh­ren. Zum Beispiel ist wieder ein Forum des Fonda­ti­ons in Lausanne geplant.

Wo wird der nächste Stif­tungs­tag statt­fin­den und kennen Sie das Thema schon?

Der 36. Schwei­zer Stif­tungs­tag wird am Diens­tag, 12. Novem­ber 2024, in Zürich statt­fin­den. Er wird die aktu­el­len Entwick­lun­gen und Trends im Sektor aufzei­gen und so den Stif­tun­gen und NPO Orien­tie­rungs­hil­fen vermit­teln, damit sich diese im immer komple­xer werden­den Umfeld zurecht­fin­den und ihre Zwecke wirk­sam zum Nutzen der Gesell­schaft umset­zen können. Die Stif­tungs­welt ist in Bewe­gung, viele span­nende Themen stehen an, und wir haben auch schon einige Ideen, defi­ni­tiv fest­ge­legt haben wir uns aber noch nicht.

Was bedeu­ten die Entscheide des Stän­de­rats von dieser Woche zu Trusts und Familienstiftungen?

Den schon vor eini­ger Zeit gefäll­ten Entscheid, auf die Einfüh­rung eines Schwei­zer Trusts zu verzich­ten, haben wir zur Kennt­nis genom­men. Für gemein­nüt­zige Akti­vi­tä­ten braucht es keinen Trust. Es stehen in der Schweiz bereits zwei attrak­tive Formen zur Verfü­gung: die Stif­tung und der Verein. Der Entscheid des Stän­de­rats von letz­ter Woche über die Motion Thierry Burkart zur Locke­rung des Rechts der Fami­li­en­stif­tun­gen erscheint sinn­voll. Nach dem gelten­den Recht sind Fami­li­en­stif­tun­gen in der Schweiz unat­trak­tiv. Falls die recht­li­chen Regeln libe­ra­li­siert werden, ist es uns wich­tig, dass klar zwischen den privat­nüt­zi­gen, steu­er­ba­ren Fami­li­en­stif­tun­gen einer­seits und den gemein­nüt­zi­gen, steu­er­be­frei­ten Stif­tun­gen (und NPO) unter­schie­den wird. Mit andern Worten dürfen die gemein­nüt­zi­gen Orga­ni­sa­tio­nen durch eine Libe­ra­li­sie­rung des Rechts der Fami­li­en­stif­tun­gen keine Nach­teile erleiden.

Stif­tun­gen werden immer wieder als intrans­pa­rent bezeich­net. Gibt es regu­la­to­ri­schen Spiel­raum, um diesem Makel etwas entgegenzusetzen?

Gemein­nüt­zige Stif­tun­gen berich­ten jähr­lich gegen­über der Aufsichts­be­hörde über ihre Akti­vi­tä­ten. Sie sind auch gegen­über Steu­er­be­hör­den rechen­schafts­pflich­tig. Leider ist es immer noch nicht allen Stif­tun­gen bewusst, wie wich­tig es ist, direkt gegen­über der Öffent­lich­keit aufzei­gen, welch bedeu­tende Leis­tun­gen sie für die Gesell­schaft erbrin­gen. Es geht also um die Sensi­bi­li­sie­rung für die Bedeu­tung der Kommu­ni­ka­tion und um Selbst­re­gu­lie­rung. Gesetz­li­che Regeln wären hier unver­hält­nis­mäs­sig und nicht im Sinn der soge­nann­ten Stif­ter­frei­heit, die das wich­tigste Grund­prin­zip des Schwei­zer Stif­tungs­rechts darstellt.

Was bedeu­tet Good Gover­nance im gemein­nüt­zi­gen Sektor?

Es bedeu­tet, auf einen kurzen Nenner gebracht, auf der Höhe der Aufgabe und den immer komple­xer werden­den Heraus­for­de­run­gen gewach­sen zu sein. Good Gover­nance heisst, die Stif­tungs- bzw. NPO-Mittel opti­mal, d.h. effi­zi­ent und effek­tiv, zu bewirt­schaf­ten und für den gemein­nüt­zi­gen Zweck einzu­set­zen. Die Anlage und die Verwen­dung der Mittel müssen sorg­fäl­tig, umsich­tig, loyal und wirkungs­ori­en­tiert erfol­gen. Das Glei­che gilt für die stra­te­gi­sche und opera­tive Führung der Orga­ni­sa­tion sowie für die Mittel­be­schaff­tung. Erfor­der­lich ist auch eine hohe Glaub­wür­dig­keit der handeln­den Personen.

In welcher Situa­tion ist welche juris­ti­sche Form/Person die rich­tige? Wann eine Stif­tung, wann ein Verein?

Die Stif­tung ist ein mit Rechts­per­sön­lich­keit ausge­stat­te­tes Vermö­gen für einen bestimm­ten Zweck, kurz ein perso­ni­fi­zier­tes Zweck­ver­mö­gen. Der Verein hinge­gen ist ein Zusam­men­schluss von Perso­nen zur Verfol­gung eines gemein­sa­men Ziels. Sollen also finan­zi­elle bzw. sach­li­che Mittel für die Verfol­gung eines bestimm­ten Zwecks zur Verfü­gung gestellt werden, steht die Stif­tung als passende Form im Vorder­grund. Geht es um die Verbin­dung von Perso­nen, um einen bestimm­ten Zweck mit verein­ten Kräf­ten zu verfol­gen, bietet sich der Verein als Orga­ni­sa­ti­ons­form an.

Sollte man in der Schweiz auch an gemein­nüt­zige GmbHs denken? Sollte man in der Schweiz auch an gemein­nüt­zige GmbHs denken?

Seit der 2008 in Kraft getre­te­nen Revi­sion des GmbH-Rechts können Gesell­schaf­ten mit begrenz­ter Haftung auch für gemein­nüt­zige Zwecke einge­setzt werden. Als Orga­ni­sa­ti­ons­form für gemein­nüt­zige Zwecke hat sich die GmbH in der Schweiz jedoch bislang nicht in grös­se­rem Ausmass etablie­ren können. Dies im Gegen­satz zum Beispiel zu Deutsch­land, wo die gemein­nüt­zige GmbH als Stra­te­gie zur Vermei­dung der staat­li­chen Stif­tungs­auf­sicht verbrei­tet ist. Biswei­len gibt es in der Schweiz auch erhöh­ten Erklä­rungs­be­darf gegen­über Steu­er­ver­wal­tun­gen, wenn für gemein­nüt­zige Akti­vi­tä­ten die Form der GmbH gewählt wird. In der Schweiz wird als Alter­na­tive zur Stif­tung eher die Vereins­form gewählt.

Welches Ziel verfolgt proFonds mit der Part­ner­schaft mit StiftungSchweiz?

StiftungSchweiz ist die bedeu­tende und viel­fäl­tige digi­tale Platt­form für den Schwei­zer Stif­tungs­sek­tor. Sie erhöht markant die Sicht­bar­keit der Stif­tun­gen, und vor allem bietet sie viel­fäl­tige Nutzungs­mög­lich­kei­ten sowohl für Mittel­su­chende als auch fördernde Stif­tun­gen und weitere am Sektor inter­es­sierte Perso­nen. proFonds hat die Entste­hung und Entwick­lung von StiftungSchweiz seit Beginn nah mitver­folgt und dabei auch als «Sound­ing board» mitge­hol­fen. Das Sicht­bar­ma­chen des Sektors und die viel­fäl­ti­gen Nutzungs­mög­lich­kei­ten sind ganz im Inter­esse von proFonds, der als einzi­ger Verband in der Schweiz den ganzen gemein­nüt­zi­gen Sektor mit opera­ti­ven und Förder­stif­tun­gen, eigen­fi­nan­zier­ten und mittel­su­chen­den Stif­tun­gen sowie NPO abdeckt.

StiftungSchweiz entwi­ckelt sich zu einer inter­ak­ti­ven digi­ta­len Platt­form. Wo werden wir proFonds finden?

Unsere Mitglie­der äussern immer wieder den Wunsch nach Vernet­zungs­mög­lich­kei­ten, nach Austausch. Mit der Veran­stal­tungs­reihe «Feier­abend mit proFonds» haben wir ein Ange­bot in der «analo­gen» Welt geschaf­fen. Mit dem Netz­werk-Ange­bot von StiftungSchweiz steht nun auch ein digi­ta­les Tool bereit, das es ermög­licht, unkom­pli­ziert eigene Netz­werke zu erstel­len und auszu­bauen. Diese Möglich­keit möch­ten wir nutzen und mit unse­ren Mitglie­dern auspro­bie­ren. Auch die Webi­nare, die über die digi­tale Platt­form ange­bo­ten und gebucht werden können, bieten viele Chan­cen. Los geht’s am 30. Januar 2024, wenn wir prak­ti­sches Know-how zum Thema Stif­tungs­rat weiter­ge­ben werden. Wir sind über­zeugt, dass im Bereich der digi­ta­len Stif­tungs- und Gemein­nüt­zig­keits­ar­beit viel Poten­zial vorhan­den ist und freuen uns darauf, dieses gemein­sam mit StiftungSchweiz und ande­ren enga­gier­ten Part­ne­rin­nen und Part­nern auszuschöpfen.

StiftungSchweiz engagiert sich für eine Philanthropie, die mit möglichst wenig Aufwand viel bewirkt, für alle sichtbar und erlebbar ist und Freude bereitet.

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