Rahel Pfister, Geschäftsführerin SENS

SENS: Finan­zie­rungs­mög­lich­kei­ten für Social Entrepreneurship

Nationale politische Vorstösse zur Förderung des Sozialen Unternehmertums haben es schwer. Rahel Pfister, Geschäftsführerin SENS Suisse, stellt aber auch positive Entwicklungen fest. Sie nennt die Praxisänderung zur Steuerbefreiung für gemeinnützige Stiftungen in Zürich, die unternehmerische Fördermodelle zulässt. Und sie sagt, was das diesjährige Swiss Social Economy Forum bietet.

SENS wurde 2017 gegrün­det. Wie hat sich die Bedeu­tung von Social Entre­pre­neur­ship seit­her verändert?

Es tut sich sehr viel, vor allem aber auf globa­ler und euro­päi­scher Ebene. Vor einem Jahr hat die Gene­ral­ver­samm­lung der UNO in einer Reso­lu­tion fest­ge­hal­ten, dass die Social Economy einen wich­ti­gen Beitrag zur nach­hal­ti­gen Entwick­lung leis­tet. Sie ruft deshalb ihre Mitglied­staa­ten dazu auf, Förder­mass­nah­men zu ergrei­fen. Die EU, die OECD und verschie­dene Länder haben damit begon­nen, den Social-Entre­pre­neur­ship-Sektor gezielt zu fördern. So hat bspw. Deutsch­land eine natio­nale Stra­te­gie für Soziale Inno­va­tio­nen und Gemein­wohl­ori­en­tierte Unter­neh­men etabliert und andere Länder kennen eine spezi­fi­sche recht­li­che Verankerung.

Weil Social Entre­pre­neur­ship mit seiner konse­quen­ten Ausrich­tung auf die gesell­schaft­li­che Wirkung direkt auf die SDGs einzahlt, gibt es insbe­son­dere in der Startup-Welt viele Gründer:innen, die sich ganz expli­zit als sozia­les oder wirkungs­ori­en­tier­tes Startup aufstellen. 

Rahel Pfis­ter, Geschäfts­füh­re­rin SENS, Social Entrepreuneurship

Und auch in der Praxis beob­achte ich eine Verän­de­rung. Das Unter­neh­mens­ver­ständ­nis des Social Entre­pre­neur­ship ist eigent­lich nichts Neues. Schon seit jeher gib es Unter­neh­men, die sich expli­zit der Lösung eines gesell­schaft­li­chen Problems widmen und ihren Profit zur Errei­chung dieser Wirkung reinves­tie­ren. Viele dieser Unter­neh­men haben sich aber bisher nicht mit dem Begriff «Social Entre­pre­neur­ship» iden­ti­fi­ziert. Das liegt wohl daran, dass sich in der Schweiz noch kein klares Begriffs­ver­ständ­nis etabliert hat und verschie­dene Tradi­tio­nen wie die der «écono­mie sociale et solidaire (ESS)» aus dem fran­ko­pho­nen Sprach­raum auf englisch­spra­chige Vari­an­ten tref­fen. Was ich aber als einen neuen Trend beschrei­ben würde, ist die Verbin­dung zu den Sustainable Deve­lo­p­ment Goals (SDGs), die heute von vielen Unter­neh­men gemacht wird. So lesen wir bspw. in Geschäfts­be­rich­ten, welche SDGs die Unter­neh­men adres­sie­ren. Und weil eben Social Entre­pre­neur­ship mit seiner konse­quen­ten Ausrich­tung auf die gesell­schaft­li­che Wirkung direkt auf die SDGs einzahlt, gibt es insbe­son­dere in der Startup-Welt viele Gründer:innen, die sich ganz expli­zit als sozia­les oder wirkungs­ori­en­tier­tes Startup aufstel­len. Somit erfährt Social Entre­pre­neur­ship Aufschwung, welcher auch auf etablierte Unter­neh­men überschwappt.

Wo steht die Schweiz im inter­na­tio­na­len Vergleich?

Wenn wir mit dem Social Entre­pre­neur­ship Moni­tor alle zwei Jahre erhe­ben, was sich in der Praxis tut, zeigt sich meines Erach­tens ein sehr erfreu­li­ches Bild. So gibt es in der Schweiz bspw. in allen Wirt­schafts­bran­chen und zu jedem SDG verschie­dene wirkungs­ori­en­tierte Unter­neh­men und der Sektor nimmt, wie oben beschrie­ben, Fahrt auf.

Wenn wir aber auf die poli­ti­sche Situa­tion schauen, haben es Vorstösse zur geziel­ten Förde­rung von Social Entre­pre­neur­ship sehr schwie­rig und wir stehen im inter­na­tio­na­len Vergleich hintenan. Die Schweiz verfügt weder über eine natio­nale Stra­te­gie für die Social Economy, noch über ausrei­chende recht­li­che Grund­la­gen. Entspre­chend ist das Thema nirgends veran­kert. Exem­pla­risch ist hier­für, dass wir mit Förder­an­trä­gen vom SECO zum DEZA geschickt werden und dann via BSV zum ARE, wo die Schweiz die über­ge­ord­nete Thema­tik der «Nach­hal­tige Entwick­lung» ange­sie­delt hat.

Kurz nach Bekannt­wer­den dieser Praxis­än­de­rung ist das Inter­esse von Stif­tun­gen für unter­neh­me­ri­sche Förder­mo­delle mit wirkungs­ori­en­tier­ten Unter­neh­men spür­bar gestiegen.

Rahel Pfis­ter

Im März hat der Stän­de­rat die Motion von Nik Gugger zur Förde­rung von sozia­lem Unter­neh­mer­tum abge­lehnt. Wie werden Sie nun das Thema weiter vorantreiben?

Leider ist es nicht der erste poli­ti­sche Vorstoss zu diesem Thema, der von Bundes­bern abge­lehnt wurde. Zumin­dest auf natio­na­ler Ebene scheint der Weg stei­nig zu sein. Wir werden es beizei­ten wieder probie­ren, vorerst aber klei­nere Schritte auf kanto­na­ler oder städ­ti­scher Ebene ins Auge fassen. Zudem sehen wir Poten­zial, in Zusam­men­ar­beit mit Stif­tun­gen und ande­ren Akteu­ren das Thema voran­zu­brin­gen. Auch laufen aktu­ell Gesprä­che mit ande­ren Orga­ni­sa­tio­nen, die sich eben­falls für eine gesell­schafts­dien­li­che Wirt­schaft enga­gie­ren. Wenn wir die Kräfte bündeln können, umso besser. Unser Haupt­ziel ist die Stär­kung der wirkungs­ori­en­tier­ten Unter­neh­men und dafür werden wir uns weiter­hin mit viel Passion einsetzen.

Am 16. Mai geht die dies­jäh­rige Ausgabe des Swiss Social Economy Forum über die Bühne. Wo liegt in diesem Jahr der thema­ti­sche Schwerpunkt?

Mit dem Swiss Social Economy Forum wollen wir die wirkungs­ori­en­tierte Wirt­schaft konkret erleb­bar machen und möglichst viel Hinter­grund­wis­sen bereit­stel­len. Neu gibt es dieses Jahr einen Social Entre­pre­neur­ship Market mit verschie­de­nen wirkungs­ori­en­tier­ten Unter­neh­men vor Ort. Und wir setzen zwei thema­ti­sche Schwer­punkte: Am Vormit­tag beleuch­ten wir konkrete Förder­mo­delle, sowohl auf poli­ti­scher Ebene wie auch Seitens Behör­den, Privat­un­ter­neh­men und Praxis. Und am Nach­mit­tag dreht sich alles um Finan­zie­rungs­mög­lich­kei­ten für Social Entre­pre­neur­ship, von unter­neh­me­ri­schen Förder­mo­delle durch Stif­tun­gen bis hin zu inno­va­ti­ven Finan­zie­rungs­in­stru­men­ten von Banken und priva­ten Investoren.

Gibt es einen Programm­punkt, auf den Sie sich persön­lich freuen?

Ich wage mich zu sagen, dass wir ein rich­tig span­nen­des und viel­fäl­ti­ges Programm auf die Beine gestellt haben, und darauf freue ich mich riesig. Welcher Programm­punkt für mich am wich­tigs­ten ist, fällt mir schwer zu entschei­den. Es kommen rund 30 Speaker:innen aus dem In- und Ausland, die in ihrem Gebiet alle sehr kompe­tent sind. Zudem erwar­ten wir den Natio­nal­rats­prä­si­den­ten Eric Nuss­bau­mer höchst­per­sön­lich, auch das freut mich sehr.

Eine Praxis­än­de­rung in Zürich ermög­licht Stif­tun­gen unter­neh­me­ri­sche Förder­mo­delle zu nutzen, insbe­son­dere Impact Invest­ments sind auf Förder­seite möglich. Erwar­ten Sie, dass davon auch das Soziale Unter­neh­mer­tum profi­tie­ren wird?

Ja, ich denke das ist ein sehr wich­ti­ger Schritt für die wirkungs­ori­en­tier­ten Unter­neh­men. Bisher wurden solche Finan­zie­run­gen nur ansatz­weise erprobt, weil dabei schnell die eigene Steu­er­be­frei­ung der Stif­tung gefähr­det wurde. Aber gerade weil Social Entre­pre­neur­ship konse­quent auf das Wirkungs­ziel ausge­rich­tet ist und der Profit zur Errei­chung dieser Wirkung dient, braucht es Geld­ge­ber, die sich dem Wert dieser Wirkungs­ori­en­tie­rung bewusst sind und gedul­di­ges Kapi­tal zur Verfü­gung stel­len können. Die Stif­tungs­welt hat hier gros­ses Potenzial. 

Es freut mich auch sehr, dass bereits kurz nach Bekannt­wer­den dieser Praxis­än­de­rung das Inter­esse von Stif­tun­gen für unter­neh­me­ri­sche Förder­mo­delle mit wirkungs­ori­en­tier­ten Unter­neh­men spür­bar gestie­gen ist und nun öffent­lich darüber disku­tiert wird.

Was ist die grosse Heraus­for­de­rung, um Sozia­les Unter­neh­mer­tum zu finanzieren?

Während Social Entre­pre­neurs gerade aufgrund ihrer gesell­schaft­li­chen Orien­tie­rung oft schnell erste Anschub­fi­nan­zie­run­gen durch Stif­tun­gen erhal­ten, ist es für sie nach eini­gen Jahren auffal­lend schwie­rig, Folge­fi­nan­zie­run­gen zu finden. In dieser Phase gelten sie für Stif­tun­gen bereits als zu profit­ori­en­tiert, während­dem sie für private Inves­to­ren zu wenig Profit verspre­chen. Hier gibt es eine Lücke: Es bräuchte spezi­fi­sche Finan­zie­rung­mo­delle und wirkungs­ori­en­tierte Geld­ge­ber. Die erwähnte Praxis­än­de­rung für Stif­tun­gen ist dies­be­züg­lich ein wich­ti­ger Meilenstein.

Während Social Entre­pre­neurs gerade aufgrund ihrer gesell­schaft­li­chen Orien­tie­rung oft schnell erste Anschub­fi­nan­zie­run­gen durch Stif­tun­gen erhal­ten, ist es für sie nach eini­gen Jahren auffal­lend schwie­rig, Folge­fi­nan­zie­run­gen zu finden.

Rahel Pfis­ter

Ein gros­ser Hebel für die Finan­zie­rung ist auch die Messung und Kommu­ni­ka­tion der Wirkung (Impact). Im Social Entre­pre­neur­ship Sektor liegt die gemein­same Werte­ba­sis von Geld­ge­bern und Geld­neh­mern in der ange­streb­ten Wirkung. Deshalb muss diese Wirkung auch ausge­wie­sen werden können. Insbe­son­dere im gesell­schaft­li­chen Bereich ist jedoch Impact-Measu­re­ment oft schwie­rig. Einer­seits braucht es bspw. bei einer Verhal­tens­än­de­rung viel Zeit, bis die Wirkung sicht­bar ist, ande­rer­seits fehlen quan­ti­ta­tiv fass­bare Mess­grös­sen. Auch sind viele wirkungs­ori­en­tierte Unter­neh­men klein und haben nur beschränkt Ressour­cen, um sich im Dschun­gel von zahl­rei­chen Impact-Frame­works zurecht­zu­fin­den. Dafür haben sie einen gros­sen Vorteil: Wenn sie wirk­lich bis in den Grün­dungs­zweck die posi­tive gesell­schaft­li­che Wirkung als Kern defi­niert haben, müssen sie im Vergleich zu ande­ren Unter­neh­men viel weni­ger gegen den Green- oder Social-Washing-Vorwurf ankämp­fen. Denn sie exis­tie­ren ja nur deshalb, weil sie diese gesell­schaft­li­che Wirkung erzie­len wollen.


Swiss Social Economy Forum 2024: 

Zum Programm und zur Anmeldung

UNO Reso­lu­tion

Deutsch­land: Natio­nale Stra­te­gie für Soziale Inno­va­tio­nen und Gemein­wohl­ori­en­tierte Unternehmen

EU: Social Economy Action Plan

OECD: Recom­men­da­tion on the Social and Soli­da­rity Economy and Social Innovation

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