Eines vorweg: Das Stiftungsbarometer weist insgesamt auf eine hohe Konstanz in der Arbeit der Stiftungen hin. Auch wenn das Sample durch die Streuung von Jahr zu Jahr deutlich variieren kann – in vielen der befragten Themen liegen die Antworten erstaunlich nahe an jenen des vergangenen Jahres. «Das bestätigt insgesamt das Bild eines gut etablierten Sektors», stellt Hansjörg Schmidt fest. Er leitet den Bereich Stiftungen bei der Zürcher Kantonalbank, die das Stiftungsbarometer seit seiner Lancierung unterstützt.
Finanzierung bleibt herausfordernd
Wo liegen aktuell die grössten Herausforderungen im Schweizer Stiftungssektor? Auch 2023 ist die Antwort darauf: vor allem in der Finanzierung. Mit drei Viertel der Nonprofits und immer noch 35% der Funders liegt das Thema Fundraising oder Finanzierung erneut zuvorderst. Anschliessend trennen sich die Einschätzungen der Funders und Nonprofits: Während bei Nonprofits erneut das Thema «Aufmerksamkeit für die Projekte» an zweiter Stelle folgt, ist es bei den Fundern die Suche nach Stiftungsrät:innen. Die Personalfindung, die 2022 noch an dritter Stelle lag, scheint sich hingegen 2023 entspannt zu haben; an dritter Stelle liegt neu die Suche nach Projekt- oder Förderpartnern.
Auch bei den nötigen Verbesserungen der Rahmenbedingungen deckt sich die Einschätzung der Teilnehmer:innen mit der letztjährigen Umfrage. Vor allem «weniger Bürokratie» und eine leichtere Änderung der Statuten wird gewünscht – und zwar vor allem von den Fundern, von denen 68% sich kritisch zur Stiftungsaufsicht oder Behörden äussern; bei den Nonprofits sind es “nur” 40%. Generell identifizieren die Funders fast doppelt so viel Änderungsbedarf wie die Nonprofits und sind damit die eindeutig kritischere Gruppe.
Honorierungsfrage bleibt zentral
Ein Dauerbrenner bleibt auch die Frage der Honorierung von Stiftungsrät:innen, bei der sich 41% der Funders erweiterte Möglichkeiten wünschen – gegenüber nur 9% der Nonprofits, wo die aktuellen Möglichkeiten offenbar eher akzeptiert werden. Dies unterstreicht die seit vielen Jahren von Expert:innen geäusserte Ansicht, dass die geltende Praxis nicht mehr zeitgemäss und eine faire Anerkennung der geleisteten Arbeit von zentraler Bedeutung für die Attraktivität des dritten Sektors ist. Gemäss Umfrage bleiben die Anteile der Stiftungsräte, die Spesen (32%) oder ein Honorar (18%) beziehen, übrigens stabil.
Ebenfalls stabil bleibt der Anteil der Stiftungen, die ihr Vermögen nachhaltig anlegen, nämlich etwa 80%. In den Jahren 2020 bis 2023, in denen das Stiftungsbarometer diese Kennzahl erhebt, variiert dieser Anteil nur um wenige Prozent.
Nachhaltigkeit wird ernster genommen
Interessant ist hier aber ein Blick ins Detail. Denn dieser offenbart, dass über die beobachtete Periode ein subtiler Wandel stattfindet. Während bei den angewendeten Ansätzen nach wie vor ESG-Kriterien dominieren, also der Einbezug von Umwelt‑, Sozial- und Governance-Kennzahlen, gewinnen immer mehr auch aufwändigere Ansätze an Bedeutung.
Auch Hansjörg Schmidt kann dieses wachsende Interesse im Alltag feststellen.
ESG war bis vor Kurzem für viele Anleger:innen ein Fremdwort. Das hat sich aber geändert. Heute fragen Kund:innen zudem aktiv, wie sie zum Beispiel über Engagement oder über das Stimmrecht ihren Einfluss ausüben können. Auch der Impact-Investing-Ansatz gewinnt schrittweise an Bedeutung, auch wenn hier weiterhin noch viel Potenzial offen bleibt.
Hansjörg Schmidt | Leiter Stiftungen, Zürcher Kantonalbank
Die Resultate des neuen Barometers zeigen insbesondere ein wachsendes Interesse beim normbasierten Screening, z.B. auf Basis der UN Global Compact Principles, beim Engagement und bei der Stimmrechtsausübung, und zwar mit je einem Faktor 3 zwischen den Ergebnissen von 2020 und jenen von 2023. Auch die Akzeptanz eines Best-in-Class-Ansatzes oder einer Form von Impact Investing hat sich in diesem Zeitraum fast verdoppelt.
Scouting statt Gesuche
Beim erstmals erhobenen Förderansatz dominiert als primärer Förderansatz nicht überraschend die Förderung per Gesuch (73%), gefolgt von Scouting (15%) und Calls (10%). Dieser Befund bestätigt also einerseits die starke Verbreitung des Gesuchswesens in der Schweizer Philanthropie. Gleichzeitig überrascht aber der recht hohe Anteil von 25% an Förderorganisationen, die primär über Scouting oder Ausschreibungen fördern.
Noch selten (2%) ist hingegen die hauptsächliche Förderung über Förderallianzen – ein moderner Ansatz, der viel Stabilität in die Förderung bringen und die Nachhaltigkeit einer Investition stark erhöhen kann. StiftungSchweiz lotet das Potenzial dieses Ansatzes deshalb derzeit zusammen mit Con·Sense im Rahmen einer Initiative aus (vgl. das Interview mit Lukas Hupfer).
Digital gewinnt – Kollaboration hat Potenzial
Bei der Kommunikation werden die digitalen Möglichkeiten mittlerweile flächendeckend genutzt. So ist eine eigene Website klar die Regel – 92% der Nonprofits und 76% der Funder haben eine. Auf Social Media hingegen sind insbesondere Nonprofits (85%) unterwegs, während Funder hier sehr viel zurückhaltender vorgehen (29%).
Interessant ist auch, dass die Präferenzen zu den verschiedenen Plattformen sehr unterschiedlich ausfallen. Unter Nonprofits ist Facebook die beliebteste Plattform, bei Fundern ist es hingegen mit Abstand LinkedIn. Bei Nonprofits sind auch Instagram und Youtube sehr beliebt, bei Fundern Instagram und X (früher: Twitter). Übrigens: 65% der Nonprofits, aber nur 26% der Funder haben eine eigene Stelle für Kommunikation; diese Zahlen verlaufen also parallel zum unterschiedlichen Engagement auf Social Media.
Erstmals wurden die Teilnehmer:innen des Barometer nicht nur zur Kommunikation, sondern auch zur Kollaboration befragt. Interessant: Trotz der digitalen Wende bleibt der persönliche Austausch essenziell. Sowohl bei Nonprofits wie bei Fundern führen Veranstaltungen und physische Treffen die Rangliste an, gefolgt vom telefonischen Austausch. Online-Kollaborationstools wie Teams oder Slack sind vor allem bei Förderstiftungen beliebt. Auch das Netzwerk-Modul auf stiftungschweiz.ch, das erst seit Juni zur Verfügung steht, wurde übrigens von einigen Teilnehmer:innen erwähnt.
Spezialauswertungen folgen
Die vorgestellten Ergebnisse bilden den Hauptteil der Umfrage des Schweizer Stiftungsbarometers 2023 ab. Zusammen mit ausgewählten Partnern präsentiert StiftungSchweiz über die kommenden Monate hinweg zudem vier Spezialauswertungen zur Künstlichen Intelligenz, zu Jobprofilen in der Philanthropie, zum Gesuchsmanagement bei Schweizer Förderorganisationen und zu den gelebten und gewünschten Förderformen. Dranbleiben lohnt sich, denn hier wird es besonders spannend!
Ein besonderer Dank gilt an dieser Stelle allen teilnehmenden Organisationen, die durch ihre Beiträge diesen detaillierten Einblick in den Sektor erst ermöglicht haben. Herzlichen Dank!
Lesen Sie auch die Beiträge zu den früheren Auswertungen des Schweizer Stiftungsbarometers