Funders und Nonpro­fits sehen es manch­mal anders: Das Stif­tungs­ba­ro­me­ter 2023

Das von StiftungSchweiz in Kooperation mit der Zürcher Kantonalbank und proFonds durchgeführte Stiftungsbarometer 2023 liefert erneut spannende Einblicke in die Schweizer Stiftungslandschaft. In seiner vierten Ausgabe wertet die Analyse erstmals Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Nonprofits (operative oder gemischte Stiftungen) und Fundern (reine Förderstiftungen) aus. Neben Aspekten, die gegenüber den Vorjahren stabile Resultate ausweisen, sind auch ein paar Überraschungen dabei.

Eines vorweg: Das Stif­tungs­ba­ro­me­ter weist insge­samt auf eine hohe Konstanz in der Arbeit der Stif­tun­gen hin. Auch wenn das Sample durch die Streu­ung von Jahr zu Jahr deut­lich vari­ie­ren kann – in vielen der befrag­ten Themen liegen die Antwor­ten erstaun­lich nahe an jenen des vergan­ge­nen Jahres. «Das bestä­tigt insge­samt das Bild eines gut etablier­ten Sektors», stellt Hans­jörg Schmidt fest. Er leitet den Bereich Stif­tun­gen bei der Zürcher Kanto­nal­bank, die das Stif­tungs­ba­ro­me­ter seit seiner Lancie­rung unterstützt.

Finan­zie­rung bleibt herausfordernd

Wo liegen aktu­ell die gröss­ten Heraus­for­de­run­gen im Schwei­zer Stif­tungs­sek­tor? Auch 2023 ist die Antwort darauf: vor allem in der Finan­zie­rung. Mit drei Vier­tel der Nonpro­fits und immer noch 35% der Funders liegt das Thema Fund­rai­sing oder Finan­zie­rung erneut zuvor­derst. Anschlies­send tren­nen sich die Einschät­zun­gen der Funders und Nonpro­fits: Während bei Nonpro­fits erneut das Thema «Aufmerk­sam­keit für die Projekte» an zwei­ter Stelle folgt, ist es bei den Fundern die Suche nach Stiftungsrät:innen. Die Perso­nal­fin­dung, die 2022 noch an drit­ter Stelle lag, scheint sich hinge­gen 2023 entspannt zu haben; an drit­ter Stelle liegt neu die Suche nach Projekt- oder Förderpartnern.

Auch bei den nöti­gen Verbes­se­run­gen der Rahmen­be­din­gun­gen deckt sich die Einschät­zung der Teilnehmer:innen mit der letzt­jäh­ri­gen Umfrage. Vor allem «weni­ger Büro­kra­tie» und eine leich­tere Ände­rung der Statu­ten wird gewünscht – und zwar vor allem von den Fundern, von denen 68% sich kritisch zur Stif­tungs­auf­sicht oder Behör­den äussern; bei den Nonpro­fits sind es “nur” 40%. Gene­rell iden­ti­fi­zie­ren die Funders fast doppelt so viel Ände­rungs­be­darf wie die Nonpro­fits und sind damit die eindeu­tig kriti­schere Gruppe.

Hono­rie­rungs­frage bleibt zentral

Ein Dauer­bren­ner bleibt auch die Frage der Hono­rie­rung von Stiftungsrät:innen, bei der sich 41% der Funders erwei­terte Möglich­kei­ten wünschen – gegen­über nur 9% der Nonpro­fits, wo die aktu­el­len Möglich­kei­ten offen­bar eher akzep­tiert werden. Dies unter­streicht die seit vielen Jahren von Expert:innen geäus­serte Ansicht, dass die geltende Praxis nicht mehr zeit­ge­mäss und eine faire Aner­ken­nung der geleis­te­ten Arbeit von zentra­ler Bedeu­tung für die Attrak­ti­vi­tät des drit­ten Sektors ist. Gemäss Umfrage blei­ben die Anteile der Stif­tungs­räte, die Spesen (32%) oder ein Hono­rar (18%) bezie­hen, übri­gens stabil.

Eben­falls stabil bleibt der Anteil der Stif­tun­gen, die ihr Vermö­gen nach­hal­tig anle­gen, nämlich etwa 80%. In den Jahren 2020 bis 2023, in denen das Stif­tungs­ba­ro­me­ter diese Kenn­zahl erhebt, vari­iert dieser Anteil nur um wenige Prozent.

Nach­hal­tig­keit wird erns­ter genommen

Inter­es­sant ist hier aber ein Blick ins Detail. Denn dieser offen­bart, dass über die beob­ach­tete Peri­ode ein subti­ler Wandel statt­fin­det. Während bei den ange­wen­de­ten Ansät­zen nach wie vor ESG-Krite­rien domi­nie­ren, also der Einbe­zug von Umwelt‑, Sozial- und Gover­nance-Kenn­zah­len, gewin­nen immer mehr auch aufwän­di­gere Ansätze an Bedeutung.

Auch Hans­jörg Schmidt kann dieses wach­sende Inter­esse im Alltag feststellen. 

ESG war bis vor Kurzem für viele Anleger:innen ein Fremd­wort. Das hat sich aber geän­dert. Heute fragen Kund:innen zudem aktiv, wie sie zum Beispiel über Enga­ge­ment oder über das Stimm­recht ihren Einfluss ausüben können. Auch der Impact-Inves­t­ing-Ansatz gewinnt schritt­weise an Bedeu­tung, auch wenn hier weiter­hin noch viel Poten­zial offen bleibt.

Hans­jörg Schmidt | Leiter Stif­tun­gen, Zürcher Kantonalbank

Die Resul­tate des neuen Baro­me­ters zeigen insbe­son­dere ein wach­sen­des Inter­esse beim norm­ba­sier­ten Scree­ning, z.B. auf Basis der UN Global Compact Prin­ci­ples, beim Enga­ge­ment und bei der Stimm­rechts­aus­übung, und zwar mit je einem Faktor 3 zwischen den Ergeb­nis­sen von 2020 und jenen von 2023. Auch die Akzep­tanz eines Best-in-Class-Ansat­zes oder einer Form von Impact Inves­t­ing hat sich in diesem Zeit­raum fast verdoppelt.

Scou­ting statt Gesuche

Beim erst­mals erho­be­nen Förder­an­satz domi­niert als primä­rer Förder­an­satz nicht über­ra­schend die Förde­rung per Gesuch (73%), gefolgt von Scou­ting (15%) und Calls (10%). Dieser Befund bestä­tigt also einer­seits die starke Verbrei­tung des Gesuchs­we­sens in der Schwei­zer Phil­an­thro­pie. Gleich­zei­tig über­rascht aber der recht hohe Anteil von 25% an Förder­or­ga­ni­sa­tio­nen, die primär über Scou­ting oder Ausschrei­bun­gen fördern.

Noch selten (2%) ist hinge­gen die haupt­säch­li­che Förde­rung über Förder­al­li­an­zen – ein moder­ner Ansatz, der viel Stabi­li­tät in die Förde­rung brin­gen und die Nach­hal­tig­keit einer Inves­ti­tion stark erhö­hen kann. StiftungSchweiz lotet das Poten­zial dieses Ansat­zes deshalb derzeit zusam­men mit Con·Sense im Rahmen einer Initia­tive aus (vgl. das Inter­view mit Lukas Hupfer).

Digi­tal gewinnt – Kolla­bo­ra­tion hat Potenzial

Bei der Kommu­ni­ka­tion werden die digi­ta­len Möglich­kei­ten mitt­ler­weile flächen­de­ckend genutzt. So ist eine eigene Website klar die Regel – 92% der Nonpro­fits und 76% der Funder haben eine. Auf Social Media hinge­gen sind insbe­son­dere Nonpro­fits (85%) unter­wegs, während Funder hier sehr viel zurück­hal­ten­der vorge­hen (29%).

Inter­es­sant ist auch, dass die Präfe­ren­zen zu den verschie­de­nen Platt­for­men sehr unter­schied­lich ausfal­len. Unter Nonpro­fits ist Face­book die belieb­teste Platt­form, bei Fundern ist es hinge­gen mit Abstand Linke­dIn. Bei Nonpro­fits sind auch Insta­gram und Youtube sehr beliebt, bei Fundern Insta­gram und X (früher: Twit­ter). Übri­gens: 65% der Nonpro­fits, aber nur 26% der Funder haben eine eigene Stelle für Kommu­ni­ka­tion; diese Zahlen verlau­fen also paral­lel zum unter­schied­li­chen Enga­ge­ment auf Social Media.

Erst­mals wurden die Teilnehmer:innen des Baro­me­ter nicht nur zur Kommu­ni­ka­tion, sondern auch zur Kolla­bo­ra­tion befragt. Inter­es­sant: Trotz der digi­ta­len Wende bleibt der persön­li­che Austausch essen­zi­ell. Sowohl bei Nonpro­fits wie bei Fundern führen Veran­stal­tun­gen und physi­sche Tref­fen die Rang­liste an, gefolgt vom tele­fo­ni­schen Austausch. Online-Kolla­bo­ra­ti­ons­tools wie Teams oder Slack sind vor allem bei Förder­stif­tun­gen beliebt. Auch das Netz­werk-Modul auf stiftungschweiz.ch, das erst seit Juni zur Verfü­gung steht, wurde übri­gens von eini­gen Teilnehmer:innen erwähnt.

Spezi­al­aus­wer­tun­gen folgen

Die vorge­stell­ten Ergeb­nisse bilden den Haupt­teil der Umfrage des Schwei­zer Stif­tungs­ba­ro­me­ters 2023 ab. Zusam­men mit ausge­wähl­ten Part­nern präsen­tiert StiftungSchweiz über die kommen­den Monate hinweg zudem vier Spezi­al­aus­wer­tun­gen zur Künst­li­chen Intel­li­genz, zu Jobpro­fi­len in der Phil­an­thro­pie, zum Gesuchs­ma­nage­ment bei Schwei­zer Förder­or­ga­ni­sa­tio­nen und zu den geleb­ten und gewünsch­ten Förder­for­men. Dran­blei­ben lohnt sich, denn hier wird es beson­ders spannend!

Ein beson­de­rer Dank gilt an dieser Stelle allen teil­neh­men­den Orga­ni­sa­tio­nen, die durch ihre Beiträge diesen detail­lier­ten Einblick in den Sektor erst ermög­licht haben. Herz­li­chen Dank!


Lesen Sie auch die Beiträge zu den frühe­ren Auswer­tun­gen des Schwei­zer Stiftungsbarometers



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