Sind Stiftungen für den Kanton Zürich ein Standortfaktor?
Unbedingt. Stiftungen sind heute ein wichtiger Standortfaktor für den Kanton Zürich.
Was macht sie relevant?
Stiftungen bieten grossen gesellschaftlichen Mehrwert. Dabei sind es nicht nur die unmittelbaren positiven Auswirkungen der Stiftungen auf den Kanton. Stiftungen beziehen auch Dienstleistungen und Güter von Firmen im Kanton. Ihre Tätigkeit schafft Wertschöpfung, beispielsweise indem Forschende nach Zürich geholt werden oder Ausstellungen finanziert werden, die Touristinnen und Touristen in die Museen bringen. Ganz grundsätzlich stärken Stiftungen das Forschungs‑, Bildungs‑, Sozial- und Gesundheitswesen im Kanton. Der Kanton Zürich ist der Wirtschaftsmotor der Schweiz. Dazu leisten Stiftungen einen grossen Beitrag.
War Ihnen das schon immer bewusst?
Ich hatte schon immer eine hohe Wertschätzung gegenüber Stiftungen. Aber erfasst, was dies wirklich bedeutet, habe ich erst als Volkswirtschaftsdirektorin. Zahlen zeigen, was der Sektor der Forschung bringt und wie Innovation und damit die Schweiz neue Lösungsansätze für die ganze Welt anstossen kann. Das ist grossartig.
Was können Stiftungen besser als der Staat oder die Privatwirtschaft?
Im Gegensatz zur Wirtschaft oder zum Staat können Stiftungen viel mehr Risiken eingehen. Sie können in einer ganz frühen Phase das noch Unbekannte, das Neue und Innovative fördern. Stiftungen sind eigentlich Experimentierlabors in unserer Gesellschaft. Sie können aktiv werden, wenn die Wirtschaft noch keinen Business Case hat und dem Staat mangels Regulierung die Legitimierung fehlt. Besonders interessant ist die Kombination einer staatlichen und einer privaten Förderung. Stiftungen können dort einspringen, wo es Lücken in der staatlichen oder wirtschaftlichen Finanzierung gibt. Besonders gut lässt sich dies an unseren Universitäten beobachten. Stiftungen fördern häufig das Spezielle, das Zusätzliche und machen damit den Unterschied zum Grundauftrag.
Welche Impulse können Stiftungen der Gesellschaft und dem Standort geben?
Der Stiftungsstandort Kanton Zürich ist mit über 18 Milliarden Franken Vermögen ausgestattet. Mit ihren Beiträgen ermöglichen Stiftungen eine breite Vielfalt von Initiativen und Projekten im Forschungs‑, Bildungs‑, Umwelt- oder Sozialbereich. Wenn man dieses Potenzial noch besser vernetzt, entstehen Impulse. Und ihre lmpulsfunktion nehmen Stiftungen vor allem aus ihrer Unabhängigkeit und ihrer grösseren Risikofähigkeit.
Deswegen will der Kanton Zürich den Stiftungsstandort nun stärken?
Der Kanton Zürich ist mit über 2200 Stiftungen der Kanton mit den meisten Stiftungen. Doch der Trend geht in die falsche Richtung. Die Neugründungen gehen seit Jahren markant zurück und nirgends gibt es so viele Liquidationen wie im Kanton Zürich. Dem wollen wir Einhalt gebieten. Deshalb haben wir die Offensive für den Stiftungsstandort Kanton Zürich lanciert.
Welche Verbesserungen braucht es?
Die 2021 publizierte Studie der Regierung zum Stiftungsstandort hat gezeigt, dass wir an verschiedenen Stellen schrauben müssen. Zum einen bei den steuer- und den aufsichtsrechtlichen Rahmenbedingungen. Zum anderen möchten wir, dass der Stiftungssektor in seiner Bedeutung sichtbarer wird. Gleichzeitig wollen wir als Verwaltung zugänglicher werden. Aus diesem Grund haben wir von der Volkswirtschaftsdirektion im letzten Herbst, gemeinsam mit SwissFoundations, die Veranstaltungsreihe «Stiftungsgespräch Kanton Zürich» lanciert. Wir haben auch eine neue Beratungsstelle geschaffen und eine Website lanciert, die alle Stiftungen im Kanton zeigt und die Transparenz fördert.
Wer steht hinter der Initiative?
Da es eine Standortfrage ist, kam der Anstoss aus meiner Volkswirtschaftsdirektion. Aber der gesamte Regierungsrat hat sich zu den Massnahmen bekannt. Insbesondere die Finanz- und die Justizdirektion haben gezeigt, dass sie bereit sind, dem Stiftungssektor entscheidend entgegenzukommen.
«Wir legen damit die Grundlage für ein zeitgemässes und wirkungsvolles Stiftungswesen.»
Carmen Walker Späh, Volkswirtschaftsdirektorin Kanton Zürich
Aktuell läuft die zweijährige Umsetzungsphase. Welche Erkenntnisse erwarten Sie?
Ich bin überzeugt, dass sich die Initiative «auszahlen» wird. Wir werden sehen, ob sich die kantonale Anlaufstelle für Stiftungen bewährt, welchen Nutzen die institutionalisierten Dialoge zwischen Wissenschaft, Stiftungen und Verwaltung bringen und wie sich die internationale Positionierung auswirkt – und ob die regulatorischen Verbesserungen wirken.
Gerade bei der Frage der Steuerbefreiung hatte der Kanton Zürich den Ruf, herausfordernd zu sein. Im Februar hat der Kanton Zürich nun einen grossen Schritt gemacht und die Steuerpraxis angepasst. Wie war das möglich?
Jeder Kanton in der Schweiz hat eine eigene Steuerpraxis. Dies erlaubt unser föderales System, was aus meiner Sicht zu einem erwünschten Wettbewerb unter den Besten führt. Die Gesetzgebung des Bundes bietet hier lediglich einen Rahmen. Das Steueramt des Kantons Zürich hat seine Praxis bezüglich verschiedener Fragen zur Gemeinnützigkeit steuerbefreiter Stiftungen überprüft. Es passt sich den aktuellen Entwicklungen des Stiftungssektors an.
Um die Praxisänderung abzustützen, haben Sie bei Andrea Opel eine Studie in Auftrag gegeben?
Wir gehen neue Wege. Es ist ein beachtlicher Schritt, den die Finanzdirektion unter der Führung von Regierungsrat Ernst Stocker macht. Das wollten wir konsolidiert haben. Deswegen haben wir Andrea Opel engagiert. Sie ist eine der schweizweit renommiertesten Professorinnen für Steuerrecht. Ihr Wort hat Gewicht. Auch beim Bund und bei der Schweizerischen Steuerkonferenz. Insofern hat ihr Gutachten die Praxisanpassung des Steueramts des Kantons Zürich positiv begleitet.
Was bedeutet die Anpassung?
Es handelt sich um eine grundlegende Neuausrichtung der Steuerbefreiungspraxis. Dies führt zu einer nachhaltigen Stärkung des Stiftungsstandorts Kanton Zürich. Wir legen damit die Grundlage für ein zeitgemässes und wirkungsvolles Stiftungswesen, das den modernen Anforderungen gerecht wird. Ich bin überzeugt, damit nimmt der Kanton Zürich im nationalen, aber auch im interkantonalen Vergleich eine klare Vorreiterrolle ein.
Was ändert sich konkret?
Neu werden gemeinnützige Stiftungen ihre Stiftungsrätinnen und Stiftungsräte entschädigen können. Das ist ent-scheidend. Denn die Professionalisierung des Stiftungsbereichs verlangt nach professionellen Stiftungsrätinnen und Stiftungsräten.
Wie hoch kann die Entschädigung ausfallen?
Sie muss angemessen sein. Die Kontrolle der Verhältnismässigkeit übernimmt die Stiftungsaufsicht. Sie hat damit eine neue Aufgabe.
Foto: Désirée Good
Was ändert sich noch?
Gemeinnützige Tätigkeiten werden im Ausland neu nach dem gleichen Massstab wie im Inland gemessen. Dies erlaubt es dem Kanton Zürich, vermehrt international tätige Stiftungen im Kanton anzusiedeln. Beispielsweise im Bereich Klima- und Umweltschutz oder Innovation und Digitalisierung: Das freut mich besonders. Der Rahmen ist auch hier selbstverständlich immer die Gemeinnützigkeit. Weiter werden gemeinnützige Stiftungen im Kanton Zürich ab sofort auch unternehmerische Fördermodelle anwenden können.
Was heisst das?
Ihre Fördertätigkeit ist nicht mehr nur auf Á‑fonds-perdu-Beiträge oder Darlehen beschränkt. Sie können auf der Förderseite zukünftig auch Impact lnvestments tätigen. Voraussetzung ist hier, dass Stiftungen dort tätig sind, wo es noch keinen Markt gibt. Sie sind also keine Konkurrenz zu nicht steuerbefreiten Investoren.
Was bedeuten diese Änderungen für den Stiftungsstandort Zürich?
Die neue Praxis des Steueramts des Kantons Zürich kommt einem Paradigmenwechsel gleich. Dank der neuen Praxis wird der Stiftungsstandort Kanton Zürich einer der innovativsten und stiftungsfreundlichsten der Schweiz, wenn nicht sogar international. Ich freue mich ausserordentlich über diese nachhaltige Stärkung des Stiftungsstandorts Zürich.
Sehen Sie Themen, in welchen Sie sich ein stärkeres Engagement der Philanthropie wünschen?
Wir haben noch Potenzial in der Vernetzung – ohne sie geht nichts. Wir müssen die vorhandenen Kompetenzen noch besser zusammenführen. Schauen wir die konkreten Herausforderungen und Chancen an, die auf uns alle und den Kanton Zürich zukommen, wünsche ich mir vor allem viel mehr Kooperationen und Public Private Partnerships – so wie dies heute bereits im Forschungsbereich durch das starke Engagement gemeinnütziger Stiftungen geschieht.
Vor Kurzem haben Sie den Foodhub eröffnet.
Er ist ein gutes Beispiel, wie ein Netzwerk, das vorhandene Kompetenzen zusammenführt, zur grossen Stärke wird. Der Kanton Zürich ist prädestiniert, mit dem vorhandenen Potenzial aus Wirtschaft, Forschung und Innovationskraft noch mehr aus der Vernetzung herauszuholen. Der Foodhub kümmert sich um ein zeitgemässes Thema. Es wird zunehmend zur Herausforderung für die Welt, dass alle Menschen Nahrungsmittel haben. Auch als kleines Land können wir hier einen Beitrag für die Weltgemeinschaft leisten.
Sehen Sie auch Potenzial in der Start-up-Förderung?
Stiftungen sind der Gemeinnützigkeit verpflichtet und dürfen sich deshalb nur in beschränktem Umfang wirtschaftlich betätigen. Wo ich aber im Start-up-Bereich eine ganz grosse Chance sehe, ist beispielsweise bei der Förderung des Übergangs einer Idee zur wirtschaftlichen Umsetzung. Hier fehlt uns immer noch ein potentes Gefäss, um sogenanntes «Seed Money» zur Verfügung zu stellen.