Wirtschaftsnahe Stiftungen und Unternehmensstiftungen im Umweltbereich nutzen ihr Know-how und Netzwerk, um einen Unterschied zu machen.
«Die Klimathematik wird immer relevanter. Und es wird wichtiger, dass wir neue Lösungen finden», sagt Vincent Eckert. Der Geschäftsführer der Klimastiftung Schweiz ist überzeugt: «Wollen wir die Klimaziele erreichen, brauchen wir innovative Technologien.»
Die Klimastiftung Schweiz ist eine freiwillige Initiative aus der Wirtschaft und wird aktuell von 23 Partnerfirmen getragen – Dienstleister, Banken und Versicherer aus der Schweiz und Liechtenstein, die der Stiftung die Rückverteilung ihrer CO2-Abgabe spenden: In der Schweiz wird auf fossile Energiequellen eine CO2-Abgabe erhoben. Ein Teil davon, 2020 waren dies 188 Millionen Franken, fliesst zurück an die Unternehmen in Abhängigkeit der Lohnsumme. Unternehmen, die wenig Heizöl und Gas verbrauchen, erhalten dadurch mehr zurück, als sie bezahlt haben.
Diese Summe spenden die Partnerfirmen der Klimastiftung Schweiz. Jedes Jahr kommen dadurch zwischen drei bis sechs Millionen Franken zusammen, welche die Stiftung in Klimaschutzprojekte von KMU investiert. «Indem wir die Kräfte unserer Partnerunternehmen bündeln, entfaltet die Rückverteilung der CO2-Abgabe ihre grösstmögliche Wirkung. Damit kann die Klimastiftung Schweiz einen Unterschied machen», sagt Vincent Eckert.
Für die Wirtschaft und das Klima
Mit den Geldern unterstützt die Klimastiftung Schweiz Projekte von KMU, die beispielsweise Massnahmen für eine bessere Energieeffizienz ergreifen. Oder sie fördert Unternehmen, die innovative Produkte und Technologien entwickeln, die einen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Vincent Eckert: «Gerade die Entwicklung innovativer Lösungen kann sehr lange dauern. Viele KMU sind bei diesem Prozess auf Unterstützung angewiesen. Hier setzt die Klimastiftung Schweiz mit ihrer unkomplizierten Förderung an.» Rund 1700 KMU sind seit der Gründung der Stiftung in den Genuss dieser Förderung gekommen. Und auch die Partnerunternehmen profitieren: von einem breiten und engagierten Netzwerk, dem Zugang zu Innovationen, einem starken Mitspracherecht und positiven Reputationseffekten. «Die Stiftung agiert nach dem Motto: ‹Von der Wirtschaft für die Wirtschaft und das Klima.› Das hat sich bewährt», so Vincent Eckert.
Komplementäre Rolle
Das Engagement von Unternehmen via Stiftungen im Bereich Nachhaltigkeit ist beachtlich, und oft wenig bekannt in der Öffentlichkeit. Zahlreiche Firmen engagieren sich direkt in ihren eigenen Unternehmensstiftungen. Diese profitieren von der Nähe zum Unternehmen. Doch auch die Firmen gewinnen.
«Die Stiftung hat eine komplementäre Rolle», sagt David Nash, Senior Manager der Z Zurich Foundation. 1973 als Zürich Vita Alpina Jubiläumsstiftung gegründet, wurde sie 2008 in Z Zurich Foundation umbenannt. Die Zurich Versicherung habe in den vergangenen Jahren ihre eigene Nachhaltigkeitsstrategie erarbeitet, erklärt David Nash das Zusammenspiel. Der Versicherer fokussiere sich darauf, gemäss den Zielen des Pariser Klimaabkommens der Klimaerwärmung entgegenzuwirken: Wie lässt sich der eigene CO2-Fussabdruck reduzieren oder wie bewegt man Kundinnen und Kunden zu einem klimafreundlicheren Verhalten? Die Stiftung dagegen richte ihre Tätigkeiten auf von den Klimaveränderungen betroffene verletzliche Menschen aus.
Die Klimaerwärmung führt zu extremen Wettersituationen, Starkregen und Stürmen. Das trifft Menschen. «Wir arbeiten vor Ort, wir gehen dorthin, wo die Menschen sind», so David Nash. «Wir wollen in betroffenen Gemeinschaften das Bewusstsein für die Veränderung vermitteln und ihnen helfen zu verstehen, dass sie sich anpassen müssen.» Denn es werde mehr Katastrophen durch Naturgefahren geben. Hier will die Stiftung mit dem Flood-Resilience-Alliance-Programm helfen. Die Menschen sollen ihre Gemeinschaften gezielt für die Gefahren zukünftiger Überschwemmungen resilienter gestalten.
Resilientere Welt
Im Bestreben, resilientere Gesellschaften zu schaffen, engagiert sich auch die 2011 gegründete Swiss Re Foundation für die Nachhaltigkeit.
Ihr Direktor Stefan Huber Fux nimmt uns in seinem Beispiel für die Stiftungstätigkeit mit auf die Halbinsel Yucatán in Mexiko. «Karibische Strände – paradiesisch. Der Küste vorgelagert ist eines der global bedeutendsten Riffe. Seine Biodiversität ist von enormem Reichtum.» Das Riff spiele aber auch für die lokale Bevölkerung eine zentrale Rolle – für die Fischerei und vor allem auch für die milliardenschwere Tourismusindustrie. Doch insbesondere Wirbelstürme treffen die Region immer wieder mit oftmals verheerenden Folgen. «Forschungsarbeiten zeigen nun, dass ein intaktes Riff den kostengünstigsten und wirkungsstärksten Schutz für die Küstenregion bietet.»
Basierend auf dieser Erkenntnis ist der Swiss Re Foundation gemeinsam mit lokalen Partnerorganisationen erstmals gelungen, diesen Wert des Riffs zu berechnen. Dies ebnet den Weg für eine Versicherungslösung, bei dem Nutzniesser der Schutzwirkung, etwa Hotelbesitzerinnen und ‑besitzer, für diese bezahlen. «Unser Fokus besteht darin zu verstehen, wie ein Riff langfristig all seine Funktionen für das lokale System aufrechterhalten kann und wie lokale Gruppen die notwendigen ‹Unterhaltsarbeiten› selbständig leisten können.» In einer Korallenaufzuchtstation werden junge Korallen herangezüchtet, um sie später an stark beschädigten Stellen des Riffs anzupflanzen, vergleichbar mit einer Baumschule. Stefan Huber Fux ist überzeugt, dass wir gerade mit solch sektorübergreifender Zusammenarbeit den immensen Herausforderungen auf dem Weg zu einer resilienteren, das heisst widerstandsfähigeren Welt am besten begegnen können. Um dies zu erreichen, ist das Netzwerk ins eigene Unternehmen zentral. «Gerade als Unternehmensstiftung sehen wir in unseren Mitarbeitenden wichtige Partner, deren Expertise massgeblich zur Entwicklung neuer Lösungen beitragen kann», sagt er. Ebenso profitiert die Stiftung von der Reputation. «Weil wir im internationalen Vergleich eine relativ kleine Stiftung sind, hilft uns zweifelsohne auch die Reputation von Swiss Re als Türöffnerin», so der Direktor und er nennt einen zentralen Punkt für das funktionierende Zusammenspiel: Das Mutterhaus Swiss Re steht hinter der gleichen Vision einer resilienteren Welt. Trotzdem hat die Zusammenarbeit auch Grenzen. So ist die Stiftung geografisch auch in vielen Ländern tätig, die bei Swiss Re nicht weit oben auf der Prioritätenliste stehen.
Der Fokus auf Wirkung vor Ort, gepaart mit einer gewissen Unabhängigkeit vom Unternehmen, prägt auch die Arbeit der Syngenta Foundation. Seit 40 Jahren setzt sie sich für eine nachhaltige kleinbäuerliche Landwirtschaft ein.
«Wir können auch Themen angehen, die für Kleinbäuerinnen lokal wichtig, aber global gesehen kommerziell weniger interessant sind», sagt Kommunikationsleiter Paul Castle.
Während das Unternehmen global profitorientiert tätig sei, könne die Stiftung befreit vom Quartalsdruck und von der Fokussierung auf Umsatz- und Renditezwang agieren. Allerdings sieht Paul Castle auch im Tätigkeitsgebiet der Stiftung die Wirtschaftlichkeit. «Nebst der ökologischen und sozialen zählt auch die ökonomische Nachhaltigkeit.»
Die «Land-Wirtschaft» sei nur nachhaltig, wenn sie für künftige Generationen eine attraktive Berufswahl darstelle. «Es ist auch für Kleinbäuerinnen viel nachhaltiger, wenn die Entwicklungsarbeit Marktsysteme aufbaut, statt Almosen zu verteilen. Da müssen wir aber an vielen Orten noch Überzeugungsarbeit leisten.»
Konstruktive Zusammenarbeit
Kommerziell, ökologisch und gesellschaftlich von Interesse ist das Thema, das SENS bearbeitet. Seit 1990 zeigt SENS, wie eine Stiftung erfolgreich agieren kann. Zu den Stiftern gehören unter anderem Coop und Migros oder auch die Ruag und der Kanton Aargau. Die Stiftung nimmt das Anliegen der Unternehmen für privatwirtschaftliche umweltgerechte Entsorgungslösungen auf – übergeordnet und unabhängig von den sich konkurrenzierenden Unternehmen, welche hier nach der erweiterten Produzentenverantwortung agieren. Sie garantiert beispielsweise das Rücknahmesystem für elektrische und elektronische Haushaltsgeräte über die vorgezogene Recyclinggebühr vRG. Entsprechend wichtig ist der Austausch mit den Partnern.
«Die Zusammenarbeit mit der Wirtschaft war immer und ist nach wie vor eng und partnerschaftlich», sagt Kommunikationsleiterin Sabrina Bjöörn. Sie garantiert die nachhaltige Entwicklung. Partner können ihre Bedürfnisse direkt adressieren. Die Stiftung nimmt sie auf. Die Zusammenarbeit funktioniere ausgesprochen konstruktiv, sagt Sabrina Bjöörn. «Natürlich auch, weil Nachhaltigkeit und Schonung der Ressourcen bei unserem Wirken im Vordergrund stehen. Konkurrenzdenken kennen wir in dieser Beziehung nicht.»
Auch die Freiwilligkeit des Systems ist entscheidend und hat den beachtlichen Erfolg ermöglicht, wie es die Zahlen zeigen. So hat SENS in den vergangenen 30 Jahren beispielsweise für die korrekte Entsorgung von 1,2 Millionen Tonnen Elektrogeräten gesorgt. Allerdings ist zukünftig der Onlinehandel eine Herausforderung. «Der Onlinehandel in der Schweiz macht schon gut mit bei der vRG», sagt Sabrina Bjöörn. Schwieriger sei die Situation bei ausländischen Onlinehändlern. Neben der Möglichkeit für die Konsumentinnen und Konsumenten, selbst die vRG freiwillig zu begleichen, arbeitet SENS deswegen auch mit ausländischen Organisationen zusammen. Aber auch im Inland ist die Zusammenarbeit mit wichtigen Partnern für den Erfolg entscheidend. Am direktesten kann dies über eine Vertretung im Stiftungsrat geschehen. «Der FEA, Fachverband Elektroapparate für Haushalt und Gewerbe ist beispielsweise in unserem Stiftungsrat und vertritt dort die Bedürfnisse seiner Mitglieder», sagt Sabrina Bjöörn.
Erwärmungsstreifen Europa 1901–2019.
Die Farbe illustriert die Abweichung der Durchschnittstemperatur nach unten (blau) und oben (rot).
Starke Besetzung
Bei vielen Unternehmensstiftungen stärkt die Besetzung des Stiftungsrats mit Mitgliedern aus dem Unternehmen die Verbindung zum Geschäftsbereich. Die Wirkung ist beidseitig. Sie bietet den Einbezug des Know-how sowie wichtiger Kontakte aus dem Unternehmen. Gleichzeitig festigt sie die Bedeutung der Stiftung für das Unternehmen. «Uns hat diese Aufstellung sehr geholfen», sagt Stefan Huber Fux. Für die Zukunft stellt er allerdings in Aussicht, dass nach erfolgreicher Etablierung der Stiftung verstärkt externe Expertinnen und Experten einbezogen werden könnten. Bei der Z Zurich Foundation sieht es ähnlich aus. Beinahe der ganze Stiftungsrat stammt aktuell aus dem Unternehmen. «Dadurch ist die Stiftung sehr nahe am Geschäft», sagt David Nash. Das helfe bei der fortlaufenden Unterstützung. Das macht die Zusammenarbeit effizient. «Mit dem Unternehmen abgestimmt zu sein hilft uns auch, relevant zu bleiben», sagt er. Es zeigt, dass die Foundation im strategischen Interesse des Unternehmens ist. Aber auf der anderen Seite fehle die externe Meinung, aus welcher Entscheidungen gestärkt werden können. Ähnlich klingt es auch bei Paul Castle. Die enge Verbundenheit zu Syngenta zeige sich beim Stiftungsratspräsidium, das der CEO von Syngenta, Erik Fyrwald, innehat. «Es ist ein Vorteil, stets eine Verbindung zum Unternehmen auf Topniveau zu haben. Eriks drei Vorgänger im Präsidium waren Verwaltungsratsvorsitzende von Syngenta», sagt Paul Castle. Gleichzeitig nimmt er einen Punkt auf, der auch andere Unternehmensstiftungen beschäftigt: «Wir sind allerdings froh, dass sonst keine Mitarbeitenden der Firma im Stiftungsrat sitzen. So haben wir eine gesunde Mischung aus Nähe und Unabhängigkeit.» Paul Castle betont, dass die Stiftung eine separate juristische Einheit ist. Die Trennung vom Geschäft ist in den Statuten festgehalten. Sie erlauben es der Stiftung, nur ausserhalb der kommerziellen Aktivitäten von Syngenta zu arbeiten. Gleichzeitig gehört die Syngenta Foundation zu jenen Firmenstiftungen, die auf thematisch ähnlichem Gebiet arbeiten wie «ihr» Unternehmen. Die fachliche Nähe bietet den grossen Vorteil des Expertisenaustausches. «Über gesunde Erde, kranke Pflanzen und digitale Werkzeuge können wir stundenlang miteinander reden», so Paul Castle. Die Unabhängigkeit ermöglicht der Stiftung ein viel breiteres Themenspektrum – bei der Firma gehören zum Beispiel Bewässerungsgeräte, kleinbäuerliche Organisationen oder deren Marktzugang nicht zum Geschäftsalltag. Forschungs- und Entwicklungspartner, mit denen die Stiftung zusammenarbeitet, interessieren sich meist für Anbaukulturen, die für grosse Firmen kommerziell unbedeutend sind, wie Maniok oder die äthiopische Zwerghirse Teff. Die Syngenta Foundation arbeitet immer in Partnerschaften. «Stiftungen – typischerweise als Geldgeberinnen – gehören ebenso dazu wie verschiedenste andere Institutionen, von NGOs bis Ministerien, von Universitäten bis Versicherungsfirmen», sagt Paul Castle.
Erwärmungsstreifen Schweiz 1864–2019.
Es könnte moderne Kunst sein, zeigt jedoch eindrücklich die Zunahme der roten Streifen resp. der wärmeren Temperaturen.
Es geht nur gemeinsam
Gemeinsam wird wichtiger. Trotz Pandemie gewinnen die Themen Nachhaltigkeit und Klimawandel weiter an Bedeutung. Für eine klimaneutrale Zukunft braucht es Innovationen – zum Beispiel Lösungen, um Immobilienportfolios CO2-neutral zu machen oder um der Atmosphäre CO2 zu entziehen und es langfristig zu speichern. Um solche Technologien wirksam und langfristig zu fördern, braucht es den Einsatz von allen. Unternehmen wollen und müssen sich dem Thema annehmen. «Das ist sehr gut so», sagt Vincent Eckert. «Wir sehen, dass das Interesse zunimmt.» Das Know-how der Klimastiftung Schweiz ist gefragt. Insgesamt hätten die Unternehmen realisiert, dass sie die Herausforderung Klimaschutz nicht mehr alleine stemmen könnten, sagt Vincent Eckert. «Es geht nur über Allianzen.» Den gemeinsamen Effort betont auch Stefan Huber Fux. Und er begrüsst es, dass viele Jugendliche aufgewacht sind und sich aktiv bei der Gestaltung ihrer Zukunft einbringen. «Denn sie haben verstanden, dass es hier um die Realität geht, in der sie alle noch viel länger leben werden als viele aktuelle Entscheidungsträger.» Die Zeit drängt. Die Menschen würden erst langsam realisieren, dass der nächste Meilenstein der Klimapolitik 2030 nicht mehr weit weg ist, hält David Nash fest. «Es geschieht jetzt innerhalb einer Lebenszeit.» Das mache die Dringlichkeit offensichtlich. Und dennoch nennt er als grösste Herausforderung die Geduld. «Trotz der Dringlichkeit müssen wir die Menschen überzeugen, dass die Wirkung nicht unbedingt unmittelbar eintrifft.» Um diese existenzielle Krise zu bewältigen, brauche es die Arbeit von Jahren, nicht von Momenten. Dies verlange nach neuen Formen von Partnerschaften. So arbeitet auch die Flood Resilience Alliance. Sie nutzt die kollektive Intelligenz aller Beteiligten. «Fähigkeiten und Ressourcen aller sollen wirken», so David Nash. Er erklärt, dass das intellektuelle Kapital dieser Arbeit, die «Werkzeugkiste», allen offenstehen soll. «Wir nutzen einen kollaborativen Ansatz. Die Stiftung ist ein Teil», sagt David Nash. «Wir müssen die verschiedenen Perspektiven nutzen, denn es wird nicht ein Sektor sein, der das Problem löst. Je mehr Partner aus mehr Sektoren, desto grösser ist die Wirkung.»