Jacques Rognon ist Gründer und hat wesentlich zum erfolgreichen Aufbau der Schweizerischen Stiftung für die Erforschung der Muskelkrankheiten (FSRMM) beigetragen.
Myopathie. Monique und Jacques Rognon hatten noch nie von dieser Krankheit gehört. «1982 erhielten wir die Diagnose, dass unsere 6- und 8‑jährigen Söhne an dieser seltenen Muskelerkrankung litten», erzählt Jacques Rognon. Die Nachricht traf die Familie hart. Doch sie liessen sich nicht entmutigen. Im Gegenteil. Sie nahmen Kontakt auf mit Professor Bernard Fulpius der Abteilung Biochemie an der Universität Genf. Er ermutigte sie zur Gründung einer Stiftung, deren Zweck die Förderung der Erforschung von Muskelkrankheiten sein sollte.
Netzwerk statt Vermögen
Jacques Rognon hatte kein Vermögen, mit dem er eine Stiftung hätte alimentieren können. Aber der studierte Physiker verfügte dank seiner beruflichen Karriere über ein starkes Netzwerk, auf das er zurückgreifen konnte. Um die Stiftung national aufzustellen und eine Verbindung zwischen der Forschung und den konkreten Bedürfnissen der Betroffenen zu schaffen, gründete Jacques Rognon – mit Hilfe seiner Ehefrau und einiger Freunde – 1985 die Schweizerische Stiftung für die Erforschung der Muskelkrankheiten (FSRMM) zusammen mit der Association Suisse Romande contre la Myopathie (ASRM, heute ASRIMM) und der Schweizerischen Gesellschaft für Muskelkrankheiten (SGMK). Beide Organisationen setzen sich für die spezifischen Bedürfnisse der Betroffenen ein. Um das Kapital für die erste Förderrunde zu sammeln, schrieb die neu gegründete Stiftung die 300 grössten Unternehmen der Schweiz an. «Doch nur wo ein persönlicher Kontakt zur Stiftung bestand, erhielten wir eine positive Antwort», erzählt Jacques Rognon. «Und so konnten wir die ersten jungen Forscher unterstützen.» Ab 1988 gelang es, die Finanzierungsgrundlage zu erweitern. Auf Initiative der ASRIMM und der FSRMM wurde der erste Téléthon in der Romandie organisiert. Seither sammeln unzählige Freiwillige, Vereine oder Feuerwehren mit vielfältigen Aktionen jeweils am ersten Dezemberwochenende zu Gunsten der Muskelkranken. Die Hälfte der gesammelten Gelder fliesst in die Forschung, die andere ist der Unterstützung von Betroffenen gewidmet.
«Denn es ist nicht einfach, eine genügend grosse Versuchsgruppe für klinische Versuche zu finden»»
Jacques Rognon
Eine grosse Zahl seltener Krankheiten
Bis heute konnte die FSRMM 181 Forschungsprojekte mit insgesamt rund 28 Millionen Franken fördern. Die Forschungsprojekte werden durch den wissenschaftlichen Beirat mittels Peer-Reviews in einem umfassenden Verfahren sorgfältig ausgewählt. Diese private Unterstützung ist unerlässlich. Inzwischen sind rund 6–8000 seltene Krankheiten bekannt. In der Schweiz sind rund 500’000 Personen betroffen. Doch weil jede einzelne Krankheit nur ein kleines Kollektiv umfasst, ist deren Erforschung für die Pharmaindustrie wenig interessant. Ohne die Stiftung würde deshalb kaum jemand die Erforschung seltener Muskelerkrankungen fördern. Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) hat das Problem zwar erkannt und 2014 die „Nationale Koordination Seltene Krankheiten“ (kosek) ins Leben gerufen. «Eine der Massnahmen bildet beispielsweise die Schaffung eines nationalen Registers. Denn es ist nicht einfach, eine genügend grosse Versuchsgruppe für klinische Versuche zu finden», sagt Jacques Rognon. Allerdings verzögern sich die Umsetzung und Finanzierung der Massnahmen. «Und mit der Pandemie war das BAG anderweitig beschäftigt», ist sich Jacques Rognon bewusst. Er hat sich über 30 Jahre für die FSRMM als Stiftungsratspräsident eingesetzt. In dieser Zeit starb sein jüngerer Sohn mit 13 Jahren an einer Leukämie. Der ältere ist heute als Sekretär der Stiftung engagiert. 2018 war es für Jacques Rognon im Alter von 80 Jahren an der Zeit, das Präsidium abzugeben. Als Ehrenpräsident bleibt er der Stiftung verbunden.
Und mit Alain Pfulg, Rechtsanwalt in Bern, übernahm ein neuer Präsident die Aufgabe, der die Krankheit ebenfalls aus persönlicher Betroffenheit in der Familie kennt. Er sagt: «Mit Blick auf die Notwendigkeit der Erforschung dieser Krankheiten habe ich dieses Amt gerne übernommen.»
Eine Millionen Franken
Die FSRMM hat sich im Bereich der Muskelkrankheiten zu einem bedeutenden Player entwickelt. Jährlich unterstützt die Stiftung sechs bis sieben Forschungsprojekte. Rund eine Millionen Franken kann sie dafür verteilen. «Jedes Projekt ist ein Mosaikstein, das wiederum die Grundlage für ein weiteres Forschungsprojekt bilden kann», sagt Alain Pfulg. Im Verlaufe der Jahre und in Zusammenarbeit mit anderen internationalen Institutionen konnten aber auch erste Medikamente entwickelt werden. Die FSRMM ist Mitglied des European Neuro-Muscular Center (ENMC). Alle zwei Jahre organisiert sie zudem ein Symposium der Schweizer Muskelforscher. Weiter unterstützt sie das Netzwerk Myosuisse. Die Mittelbeschaffung bleibt aber anspruchsvoll. Rund die Hälfte des Geldes stammt heute aus Spenden von Stiftungen und Privaten, die andere Hälfte bringt der Téléthon ein – eigentlich. Aufgrund der Pandemie konnte die Sammelaktion im vergangenen Jahr nicht wie üblich durchgeführt werden. «Und was dieses Jahr möglich sein wird, ist noch offen», sagt Alain Pfulg. Immerhin konnte der Ausfall 2020 dank grosszügiger Spenden einzelner Stiftungen etwas abgefedert werden.