Der Rektor der UniverÂsiÂtät Zürich, Michael SchaepÂman, spricht über die ForschungsÂfiÂnanÂzieÂrung, den Vorteil einer eigeÂnen StifÂtung und darüber, was es heisst, wenn die Schweiz kein assoÂziÂierÂtes Mitglied von «HoriÂzon Europe» ist.
Haben Sie sich während des StudiÂums GedanÂken über die FinanÂzieÂrung der Forschung gemacht?
Am StudiÂenÂanÂfang staunte ich einfach über die riesiÂgen DimenÂsioÂnen der Forschung. Ich hatte mir weniÂger GedanÂken gemacht, wie ich meine Forschung finanÂziere. Was ich sofort gemerkt habe: In Themen, in welchen die UniverÂsiÂtät schon kompeÂtiÂtiv unterÂwegs war, ist eine hohe QualiÂtät vorhanÂden. Für diese stanÂden entspreÂchende ForschungsÂmitÂtel zur VerfüÂgung. ForschungsÂfiÂnanÂzieÂrung habe ich mit der VerantÂworÂtung als ProfesÂsor und in meinen LeitungsÂfunkÂtioÂnen, wie als Rektor, gelernt.
Welche BedeuÂtung kommt privaÂter FinanÂzieÂrung zu?
ÖffentÂlich finanÂzierte UniverÂsiÂtäÂten werden in Zukunft unterÂfiÂnanÂziert sein. Wir haben ein strukÂtuÂrelÂles Problem, die StudieÂrenÂdenÂzahÂlen wachÂsen schnelÂler, als die finanÂziÂelÂlen Mittel. Wir müssen künfÂtig also sehr genau überÂleÂgen, wie wir unsere Forschung finanÂzieÂren können.
Und hier helfen private Spenden?
Die private FinanÂzieÂrung hat sympaÂthiÂsche EigenÂschafÂten: Menschen
wollen für einen ganz bestimmÂten Zweck Geld spenÂden. Diese Mittel müssen nicht zweckÂgeÂbunÂden wirken. Eine SpenÂdeÂrin, die gerne etwas für den UmweltÂschutz tun will, hat die Wahl, sich in einem der vielen umweltÂreÂleÂvanÂten Themen zu engaÂgieÂren, zu welchen die UZH forscht.
Was ist der Vorteil, dass die UniverÂsiÂtät mit der UZH FounÂdaÂtion eine eigene StifÂtung hat?
Ein prakÂtiÂscher Grund: Sie kann die Gelder anders annehÂmen und bewirtÂschafÂten als die UniverÂsiÂtät als öffentÂlich-rechtÂliÂche Anstalt. In der StifÂtung engaÂgieÂren sich ExperÂtinÂnen und ExperÂten der MitteÂleinÂwerÂbung. Das ist ein Vorteil. Diese haben die KompeÂtenÂzen, die Gelder nachÂhalÂtig einzuÂwerÂben und zu bewirtschaften.
Weshalb hat die StifÂtung zusätzÂlich Unterstiftungen?
Anstatt für verschieÂdene StifÂtunÂgen je einen eigeÂnen VerwalÂtungsÂapÂpaÂrat aufzuÂbauen, war die Idee, diese unter dem Dach der UZH FounÂdaÂtion zu bündeln, welche eine profesÂsioÂnelle VerwalÂtung der Gelder und eine zentrale AdmiÂnisÂtraÂtion bietet.
Heute hat fast jede UniverÂsiÂtät in der Schweiz eine eigene StifÂtung. ArbeiÂten sie zusammen?
Es gibt sehr viele KoopeÂraÂtioÂnen. InsbeÂsonÂdere wenn wir grösÂsere InfraÂstrukÂturÂvorÂhaÂben oder grösÂsere Projekte finanÂzieÂren wollen. Ich glaube, ein zielÂgeÂrichÂteÂtes gemeinÂschaftÂliÂches AuftreÂten ist künfÂtig sehr wichtig.
Die UniverÂsiÂtät St. Gallen finanÂziert die Hälfte des GesamtÂbudÂgets aus privaÂten QuelÂlen. Wie sieht das bei der UniverÂsiÂtät Zürich aus?
Bei der UniverÂsiÂtät Zürich ist der Anteil an privaÂten Geldern relaÂtiv klein. Im GegenÂsatz zur HSG sind wir eine «VollÂuniÂverÂsiÂtät» und bieten das ganze SpekÂtrum an Fächern. Kantons- und BundesÂbeiÂtrag machen ungeÂfähr 75 Prozent des Budgets aus. 25 Prozent sind sogeÂnannte kompeÂtiÂtive DrittÂmitÂtel. Sie stamÂmen vom SchweiÂzeÂriÂschen NatioÂnalÂfonds SNF, von StifÂtunÂgen, PrivatÂperÂsoÂnen oder aus EU-ProgramÂmen und haben bis heute am stärksÂten zugenommen.
Mit dem ScheiÂtern des EU-RahmenÂabÂkomÂmens ist die BeteiÂliÂgung an HoriÂzon in Gefahr. Wird ein NichtÂzuÂstanÂdeÂkomÂmen AuswirÂkunÂgen auf den ForschungsÂplatz Schweiz haben?
Bei HoriÂzon 2020 war die Schweiz voll assoÂziÂierÂter DrittÂstaat. Beim FolgeÂproÂgramm HoriÂzon Europe ist sie es nicht. Das hat konkrete Folgen. SchweiÂzer Forschende können in der EU keine Projekte mehr einreiÂchen. Mit dem ScheiÂtern des RahmenÂabÂkomÂmens hat man den ForschungsÂstandÂort Schweiz aus dem euroÂpäiÂschen WettÂbeÂwerb genomÂmen. Die Frage ist, mit wem wir jetzt in den WettÂbeÂwerb gehen. Die Schweiz könnte irgendÂwelÂche andere Länder wählen, um ein kompeÂtiÂtiÂves ForschungsÂproÂgramm aufzuÂsetÂzen. Nur haben diese Länder ja nicht gerade auf uns gewarÂtet. Die Schweiz ist momenÂtan alleine auf dem ForschungsÂmarkt, weshalb wir euroÂpaÂweit an WettÂbeÂwerbsÂfäÂhigÂkeit verlieÂren. Neben der RepuÂtaÂtion verlieÂren wir die ZusamÂmenÂarÂbeit mit vielen ForschenÂden in der EU. Und wir verlieÂren Geld, konkret DrittÂmitÂtel, welche auch zentrale InfraÂstrukÂtur mitfinanzieren.
Wie geht es weiter?
Das SchweiÂzer ParlaÂment hat im verganÂgen DezemÂber das Geld für HoriÂzon Europe gesproÂchen. Dieses Geld steht eigentÂlich zur VerfüÂgung. Nun braucht es aber einen poliÂtiÂschen Schritt, es freiÂzuÂgeÂben. Das ist für jene ForschenÂden wichÂtig, die bereits ein Projekt eingeÂgeÂben haben. Diese brauÂchen die SicherÂheit, dass sie weiterÂarÂbeiÂten können. Ein Fehlen der Mittel für ein oder gar zwei Jahre wäre für uns ein riesiÂger Verlust. Wir reden hier von MillioÂnenÂbeÂträÂgen, die nicht mehr fliesÂsen würden.
Ein SchweÂbeÂzuÂstand?
Genau.
SchliesÂsen sich die HochÂschuÂlen zusamÂmen, um Gehör zu finden?
Es gibt sehr viele AktiÂviÂtäÂten seitens der HochÂschuÂlen. Die wichÂtigste AktiÂviÂtät wäre zurzeit die ErarÂbeiÂtung eines AuffangÂproÂgramms des SNF. Es soll Forschende unterÂstütÂzen, die mit ProjektÂanÂträÂgen bereits gestarÂtet sind. Diese wurden während des SchreiÂbens aus dem WettÂbeÂwerb genommen.
Und könnÂten StifÂtunÂgen und private Gelder die Lücke füllen?
Gelder der StifÂtunÂgen sind sehr wichÂtig. Aber sie können die entstanÂdene Lücke nicht schliessen.
Wie loyal sind ehemaÂlige AbsolÂvenÂten und AbsolÂvenÂtinÂnen der UZH?
Die UniverÂsiÂtät Zürich hat eine sehr starke Alumni-OrgaÂniÂsaÂtion. 2020 haben sie einen von uns kurzÂfrisÂtig eröffÂneÂten PandeÂmieÂfonds mit einer beachtÂliÂchen Summe geäufÂnet und
so ihre VerbunÂdenÂheit mit der Alma
Mater gezeigt. Wenn wir bedenÂken, wie viele StudieÂrende an der UniverÂsiÂtät Zürich Alumni wurden und werden, haben wir noch Luft nach oben. Diese Bindung können wir noch stärken.
Was bedeuÂten DrittÂmitÂtel für die UnabÂhänÂgigÂkeit der Hochschule?
Die UnabÂhänÂgigÂkeit ist ein spanÂnenÂdes Thema. Unser obersÂtes Ziel ist es, möglichst viel wertÂfreie GrundÂlaÂgenÂforÂschung zu betreiÂben. Es sind die ProjektÂideen der eigeÂnen ForschenÂden, für welche die UniverÂsiÂtät sich am meisÂten einsetzt. Es besteht bei uns kein Zwang, dass ein Projekt zu einem Produkt führt oder einen konkreÂten Nutzen bringt – abgeÂseÂhen vom Erkenntnisgewinn.
Es gibt SpenÂdeÂrinÂnen oder SpenÂder, die bereits eine Idee haben, was sie unterÂstütÂzen wollen …
Die ForschungsÂfreiÂheit ist bei uns garanÂtiert. Forschende dürfen ihre ResulÂtate immer publiÂzieÂren. UnterÂstütÂzung durch DrittÂmitÂtel darf unsere StraÂteÂgie nicht beeinÂflusÂsen. Bietet uns jemand Geld für ein Thema ausserÂhalb unseÂrer ForschungsÂgeÂbiete an, lehnen wir es ab. Es macht keinen Sinn, eine opporÂtuÂnisÂtiÂsche UniverÂsiÂtät zu werden. Als VollÂuniÂverÂsiÂtät haben wir allen SpenÂdeÂrinÂnen und SpenÂdern höchst spanÂnende Themen zu bieten!
Regelt ein VerhalÂtensÂkoÂdex den Umgang mit Spendengeldern?
Es gibt VorgaÂben, dass bei ZuwenÂdunÂgen gewisse vertragÂliÂche BedinÂgunÂgen nicht verhanÂdelÂbar sind. Ein Beispiel ist die Publikationsfreiheit.
Wie sieht es mit der TransÂpaÂrenz bei den ZuwenÂdunÂgen aus?
In Sachen TransÂpaÂrenz ist die UniverÂsiÂtät Zürich die fortÂschrittÂlichste in der Schweiz. Wir führen eine DrittÂmitÂtelÂliste. Diese ist öffentÂlich. Alle ZuwenÂdunÂgen über 100’000 FranÂken sind dort deklaÂriert. Einen Namen einer ZuwenÂdungsÂorÂgaÂniÂsaÂtion nicht zu nennen, ist möglich, wenn der AuftragÂgeÂbende nicht genannt werden will.
Wie sieht die TransÂpaÂrenz bei gestifÂteÂten ProfesÂsuÂren aus?
SämtÂliÂche LehrÂstühle, die von StifÂtunÂgen oder PrivaÂten finanÂziert werden, sind auf der Liste der gestifÂteÂten ProfesÂsuÂren online einsehbar.
Welchen Anteil an Ihrer Arbeit als Rektor macht das FundÂraiÂsing aus?
In etwa einen halben Tag pro Woche. AllerÂdings gibt es GrauÂzoÂnen bei AnläsÂsen, an welchen ich die UniverÂsiÂtät gegen aussen vertrete und gleichÂzeiÂtig mit DonaÂtoÂrinÂnen und DonaÂtoÂren spreÂchen kann. Die UniverÂsiÂtät beschäfÂtigt rund 800 ProfesÂsoÂrinÂnen und ProfesÂsoÂren. Diese betreiÂben Werbung in eigeÂner Sache. Sie gehen auch selbÂstänÂdig auf potenÂziÂelle GeldÂgeÂber zu. So verteilt sich unser FundÂraiÂsing auf eine breite Basis.
GebünÂdelt wird das Geld in der UZH Foundation?
Ja.
«Die ForschungsÂfreiÂheit ist bei
uns garanÂtiert.»
Michael SchaepÂman, Rektor,
UniverÂsiÂtät Zürich
Die jüngere GeneÂraÂtion arbeiÂtet kollaÂboÂraÂtiÂver und partiÂziÂpaÂtiÂver. Ist dieser Wandel an der UniverÂsiÂtät spürbar?
Ja. Es gibt heute viel mehr Menschen, die kollaÂboÂraÂtiv in grösÂseÂren KonsorÂtien zusamÂmenÂarÂbeiÂten. Der ForschungsÂstil hat sich in vielen Fächern grundÂsätzÂlich geänÂdert. Heute geschieht mehr in ZusamÂmenÂarÂbeit, es wird viel gemeinÂschaftÂliÂcher gedacht. Wir sind auch verantÂwortÂlich dafür, dass unsere AbsolÂvenÂtinÂnen und AbsolÂvenÂten aktuÂell und gut ausgeÂbilÂdet sind. Sie würden in der WirtÂschaft keinen Job finden, wenn wir sie nur im stilÂlen KämmerÂlein arbeiÂten liessen.
Als ProfesÂsor haben Sie viele Jahre selber geforscht, vermisÂsen Sie das nicht?
Doch. Das RektoÂrat ist ein HauptÂamt. Aber meine Forschung ist nicht ganz stillÂgeÂlegt. Den LehrÂstuhl habe ich aufgeÂgeÂben. Doch die ForschungsÂgruppe exisÂtiert weiter. Sollte ich zurückÂtreÂten oder nicht mehr gewählt werden, dann könnte ich wieder zurück und weiterforschen …
… und wieder EintauÂchen in Ihr Fachgebiet.
(Lacht.) Heute ist mein FachÂgeÂbiet die gesamte UniverÂsiÂtät, die 9000 MitarÂbeiÂtenÂden. Und das Wissen, welche Themen der UniverÂsiÂtät gegen aussen releÂvant sind.
Dann erforÂschen Sie jetzt die Universität?
In gewisÂser Weise, ja. Es ist auf alle Fälle sehr fasziÂnieÂrend. Ich kann überÂall reinÂschauen und ich staune jeden Tag von Neuem, wie viele unterÂschiedÂliÂche Themen an der UniverÂsiÂtät Zürich auf einem so hohen Level erforscht werden. Das ist grossartig.