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Inno­va­tion gelingt nur im Netzwerk

Unsere Ernährung wird sich ändern. Gesundheit, Preis, Nachhaltigkeit – was die Richtung bestimmt, hängt vor allem von unserer aller Wandlungsfähigkeit ab.

«Gross­mutters Rezept» ist ein Quali­täts­merk­mal, das uns die tiefe Verbun­den­heit des Essens mit unse­rer eige­nen Geschichte aufzeigt. Essen ist persön­lich. Essen ist notwen­dig und zugleich Genuss. Und ist Gewohn­heit. Essen ist Reli­gion. Eine erfolg­rei­che Verän­de­rung muss die gesamte Wert­schöp­fungs­kette erreichen. 

Dazu gehö­ren die Konsument:innen. Das braucht Zeit. Während heute Sushi aus unse­rem Ange­bot nicht wegzu­den­ken ist, war in den 1960er-Jahren der Genuss von rohem Fisch in der Schweiz schwer vorstell­bar. «Das sind Zeit­rah­men, denen wir uns bewusst sein müssen», sagt Lucas Grob, CEO von Swiss Food Rese­arch.

Diese Beob­ach­tung trifft nicht nur auf kultu­relle Unter­schiede zu. Auch Inno­va­tio­nen stos­sen nicht selbst­ver­ständ­lich auf Akzep­tanz. «Die Tech­no­lo­gie für viele Fleisch­al­ter­na­ti­ven war bereits in den 1960er- Jahren vorhan­den», sagt er. «Und auf einmal setzt sich die Tech­no­lo­gie durch.» Ob es am Ende die Konsument:innen waren, die das Produkt verlang­ten, oder die Super­märkte, die es ange­mes­sen ange­bo­ten haben, kann er nicht sagen. Trans­for­ma­tion ist komplex. Es braucht den rich­ti­gen Moment, damit sich beispiels­weise ein Insek­ten­bur­ger gegen Gross­mutters Hack­bra­ten durch­set­zen kann. Denn klar ist: Eine Verän­de­rung beruht nicht auf dem Wissen alleine, was gut oder ökolo­gisch sinn­voll ist. «Wir wissen viel, aber handeln nicht danach», sagt Lucas Grob. Und dennoch. All diese Abhän­gig­kei­ten und beein­fluss­ba­ren Hebel faszi­nie­ren ihn an seinem Tätig­keits­feld: «Inno­va­tion ist ein neutra­les Gebiet, auf dem man vieles auspro­bie­ren kann, um die Heraus­for­de­run­gen anzu­ge­hen und neue Wege zu gehen.» Sie ist notwen­dig. Denn unbe­strit­ten ist für ihn, dass es so wie bisher nicht weiter­ge­hen kann. Unser Essen ist zu klima­schäd­lich. Es ist unge­sund. Und wir werfen zu viel weg. Das Gute ist: Der Wandel ist eingeleitet.

«Da sind wir in der west­li­chen Ernäh­rung schon ziem­lich weit vom Opti­mum entfernt.»

Nadina Müller, ZHAW

Kleine, schwere Schritte

Auch vermeint­lich einfach klin­gende Trans­for­ma­tio­nen sind heraus­for­dernd. Das zeigt der Zucker. Das anhal­tende Bestre­ben, Zucker in Lebens­mit­tel zu redu­zie­ren, ist komplex. Denn die Konsument:innen sollen dasselbe Sinnes­er­leb­nis genies­sen, nur mit weni­ger Zucker. 

Diesen einfach wegzu­las­sen, sei deswe­gen keine Option, erklärt Nadina Müller. An der Zürcher Hoch­schule für Ange­wandte Wissen­schaf­ten ZHAW leitet sie die Forschungs­gruppe Lebens­mit­tel­tech­no­lo­gie und doziert Lebens­mit­tel­ver­fah­rens­tech­nik sowie Inno­va­tion in der Lebens­mit­tel­her­stel­lung.

Sie sucht nach Lösun­gen, um Herstel­lungs­pro­zesse nach­hal­ti­ger zu gestal­ten und nach den Bewer­tungs­mög­lich­kei­ten für die resul­tie­ren­den Effekte auf die Umwelt­be­las­tung. Für die Frage­stel­lung der Zucker­re­duk­tion konkre­ti­siert sie die Heraus­for­de­rung: «Betrach­ten wir Früh­stücks­ce­rea­lien mit einem Zucker­an­teil von 30 Prozent. Redu­zie­ren wir den Anteil auf 20 oder gar 15 Prozent, brau­chen wir einen Füll­stoff, der die tech­no­funk­tio­nel­len und senso­ri­schen Eigen­schaf­ten nicht verän­dert und gleich­zei­tig gleich güns­tig ist.» Grund­sätz­lich sollte für eine ausge­wo­gene Ernäh­rung jedoch die Diskus­sion nicht auf einen Inhalts­stoff redu­ziert werden. Für das Verdau­ungs­sys­tem zählen neben den Makro­nähr­stof­fen verschie­denste weitere Stoffe. Es braucht Nahrungs­fa­sern oder sekun­däre Pflan­zen­in­halts­stoffe wie Farb­stoffe, die als Anti­oxi­dan­tien wirken. Es braucht eine gute Quali­tät an Lebens­mit­teln. «Da sind wir in der west­li­chen Ernäh­rung schon ziem­lich weit vom Opti­mum entfernt, da wir oft nur einen klei­nen Anteil des Rohma­te­ri­als konsu­mie­ren und ausge­rech­net die faser­rei­chen Pflan­zen­teile oft vernach­läs­si­gen», sagt Nadina Müller. «Den Zusam­men­hang zwischen Nahrungs­fa­ser­auf­nahme und Gesund­heit verfolgt man bei diver­sen nicht über­trag­ba­ren Krank­hei­ten seit Jahren und Daten legen nahe, dass Pflan­zen- und nahrungs­fa­ser­rei­che Ernäh­rungs­for­men dazu beitra­gen können, das Risiko einer Viel­zahl an nicht über­trag­ba­ren Krank­hei­ten zu verrin­gern.» Deshalb ist es wich­tig, tech­no­lo­gi­sche Wege zu finden, nahrungs­fa­ser­rei­che Rohma­te­ria­lien zu schmack­haf­ten Endpro­duk­ten zu verar­bei­ten, die auch von der brei­ten Masse mit Freude konsu­miert werden.

Insek­ten und Pilze 

Auch Lucas Grob sucht nach Proble­men und Hürden, um gesamt­heit­li­che Inno­va­tio­nen für das Ernäh­rungs­sys­tem zu erar­bei­ten. Der Verein Swiss Food Rese­arch funk­tio­niert als Netz­werk. Rund 210 Mitglie­der aus der Wert­schöp­fungs­kette vom Feld bis zum Hirn gehö­ren zum Inno­va­ti­ons­netz­werk; von Start-ups, KMUs über Forschungs­grup­pen bis hin zu NGOs. Inno­va­ti­ons­grup­pen suchen nach Lösun­gen, wie trans­for­ma­tive Ideen gestal­tet werden können, damit sie erfolg­reich sind. Vor allem in der frühen Inno­va­ti­ons­för­de­rung ist das Netz­werk tätig. Es bear­bei­tet Berei­che, die noch nicht im Fokus der etablier­ten Indus­trien sind. Eine Inno­va­ti­ons­gruppe Milch gibt es entspre­chend nicht, wie er ausführt. Dafür haben sie sich mit Insek­ten als Nahrungs­mit­tel beschäf­tigt, bevor diese im Gross­ver­tei­ler erhält­lich waren. «Wir hatten erkannt, dass bei Insek­ten eine Commu­nity entsteht. Dass es einen Nähr­bo­den für dieses Thema gibt.» Wirk­lich durch­ge­setzt haben sich Insek­ten bei uns als Lebens­mit­tel noch nicht. Das Thema hat sich aber weiter­ent­wi­ckelt. Insek­ten als Futter­mit­tel in der nach­hal­ti­gen Fisch­pro­duk­tion nennt er einen mögli­chen Ansatz. Auch mit Pilz­sys­te­men beschäf­ti­gen sich die Inno­va­ti­ons­grup­pen. «Cham­pi­gnons kennen wir zur Genüge.
Doch was kommt als Nächs­tes?», fragt Lucas Grob. Der Ansatz von Swiss Food Rese­arch ist dabei immer darauf ausge­legt, die gesamte Wert­schöp­fungs­kette in die Themen einzu­be­zie­hen. Aus welchem (Nähr-)Boden kommt ein Lebens­mit­tel bis zur Frage, wie der Körper dieses aufnimmt. Eine Trans­for­ma­tion der Ernäh­rung funk­tio­niert nur, wenn für jeden Schritt der gesam­ten Kette eine Lösung besteht, so die Maxime von Swiss Food Rese­arch. Genau nach diesem Ansatz sucht der 2021 gestar­tete Inno­va­tion Boos­ter Swiss Food Ecosys­tems nach Lösun­gen. Er widmet sich der Umge­stal­tung des Agrar- und Ernäh­rungs­sys­tems. Inno­su­isse unter­stützt ihn, Swiss Food Rese­arch und der Clus­ter Food & Nutri­tion verwal­ten ihn. Das gesamte Inno­va­tion-Boos­ter-Programm der Inno­su­isse will 600 neuar­tige Ideen und 100 Folge­pro­jekte entwi­ckeln. Insge­samt verfügt er bis 2024 über ein Budget von 21,3 Millio­nen Fran­ken. «Den Anfang und das Ende der Wert­schöp­fungs­kette anzu­ge­hen ist für den Erfolg einer Trans­for­ma­tion entschei­dend», führt Lucas Grob aus, «denn es bringt nichts, beste zell­ba­sierte Fleisch­stü­cke zu entwi­ckeln, aber die Konsument:innen inter­es­sie­ren sich nicht dafür.» Ebenso ist es uner­läss­lich, dass die Primär­pro­duk­tion profi­ta­bel arbei­ten und einen Mehr­wert erzie­len kann. Dabei spielt der Preis immer eine Rolle. Genauso wie Nach­hal­tig­keit rele­vant ist. Aller­dings nicht isoliert. «Viele singu­läre Nach­hal­tig­keits­pro­jekte schla­gen fehl. Einen Werk­stoff oder ein Abfall­pro­dukt zu verwer­ten funk­tio­niert in der heuti­gen ökono­mi­schen Reali­tät nicht.» Das Fazit: Damit eine Trans­for­ma­tion gelingt, muss sich das System gesamt­heit­lich verän­dern. Die verschie­de­nen Unter­neh­men entlang der Wert­schöp­fungs­kette müssen zusam­men­ar­bei­ten. Die Ströme und Kreis­läufe müssen sie gemein­sam opti­mie­ren. Dazu braucht es auch funk­tio­nie­rende Feed­back­me­cha­nis­men und den Austausch. Swiss Food Rese­arch setzt auf Co-Krea­tion. Und der Verein ist zerti­fi­zier­tes Living Lab. «In diesen Commu­ni­ties können wir früh Ideen auspro­bie­ren. Wir sehen Trends, die kommen, und können diese gemein­sam vali­die­ren», sagt Lucas Grob. Keine erfolg­ver­spre­chende Option sei, zwei Jahre im stil­len Kämmer­lein etwas zu erschaf­fen und mit dem ferti­gen Produkt aufzu­tre­ten. Niemand wird auf dieses gewar­tet haben.

«Wir hatten erkannt, dass bei Insek­ten eine Commu­nity entsteht.»

Lucas Grob, CEO Swiss Food Research

Es braucht mehr als Wissen

Auch für Slow Food Schweiz ist sein Netz­werk zentral. Als Teil der inter­na­tio­na­len Slow-Food-Bewe­gung sieht der Verein im gesam­mel­ten Wissen die Ressour­cen, die Verän­de­run­gen möglich machen. «Dabei können wir eine sehr inter­es­sante Perspek­tive für den Wandel der Ernäh­rungs­sys­teme einbrin­gen», sagt Co-Präsi­den­tin Toya Bezzola.

«Denn es geht nicht nur um Effi­zi­enz und Tech­no­lo­gie, es geht um einen holis­ti­schen Ansatz», sagt sie. Mit den Presidi-Projek­ten setzt sich Slow Food beispiels­weise für den Erhalt lokal und hand­werk­lich herge­stell­ter Lebens­mit­tel ein. «Es ist wich­tig, dieses Wissen zu bewah­ren und sicht­bar zu machen», fügt sie an. Dieses Wissen kann ein tradi­tio­nel­les Produkt betref­fen, oder es kann der Weg sein, alte Fertig­kei­ten wieder­zu­ent­de­cken und neu zu erler­nen. «Das heisst nicht, dass wir nicht zukunfts­ori­en­tiert sind», sagt Toya Bezzola. Tradi­tion und Inno­va­tion können koexis­tie­ren, wie das Beispiel der pflan­zen­ba­sier­ten Ernäh­rung zeigt. Alte Pflan­zen­sor­ten wie die Acker­bohne können eine gesunde, nicht indus­tri­elle Prote­in­quelle sein. Deswe­gen soll dieses Wissen nicht nur theo­re­tisch erhal­ten blei­ben, sondern gelebt werden. Zusam­men mit dem inter­na­tio­na­len Netz­werk in 160 Ländern kann es die Basis für neue Lösun­gen sein. 

Dabei setzt sich Slow Food inten­siv dafür ein, dass gerade jene Commu­ni­ties gehört werden, die weni­ger starke Stim­men in unse­rer Gesell­schaft haben. Insbe­son­dere den Jünge­ren oder den indi­ge­nen Grup­pen gibt Slow Food Raum. Das birgt viel Poten­zial. «Es wird unter­schätzt, wie viele aktive Mitglie­der sich bei Slow Food enga­gie­ren», sagt Laura Rod, die sich das Präsi­dium von Slow Food Schweiz mit Toya Bezzola teilt. 

«Wir können sie dabei unter­stüt­zen, dass sie als Multi­pli­ka­to­ren in ihrem Netz­werk agie­ren.» Im Umgang mit Lebens­mit­teln, im Anbau und in der Verar­bei­tung oder in der Küche verfügt das Netz­werk über grosse Erfah­rung und viel Wissen, das es zu teilen gilt – gerade auch über Miss­erfolge. Dann muss nicht jeder diesel­ben Fehler machen. «Man soll auspro­bie­ren und schei­tern können, so lernt das ganze Netz­werk», sagt sie.

Shaming ist der falsche Weg

Wissen ist die Basis für eine Trans­for­ma­tion zu einem nach­hal­ti­gen Essen. Die Menschen können heute mit Infor­ma­tio­nen zuge­deckt sein, mit Marke­ting, mit schö­nen Bildern von Essen. Doch das wunder­bare Bild muss nicht dem Inhalt des Essens entspre­chen. Slow Food will die Konsument:innen stär­ker zu einem verant­wor­tungs­vol­len Umgang befä­hi­gen. Der Verein hat sich der Bildung von Menschen verschrie­ben. Es ist eine der Säulen von Slow Food. «Mit unse­ren Märk­ten brin­gen wir Genuss zu den Menschen», sagt Laura Rod. «So können wir das Wissen nach­hal­tig verbrei­ten.» Auch das heute oft disku­tierte «Shaming» sieht sie als kriti­sche Entwick­lung. Wertende Aussa­gen wie «du hast einen Kaffee Latte im Plas­tik­be­cher gekauft, das ist schlimm», erach­tet Laura Rod als den falschen Weg. Unab­hän­gig von den indi­vi­du­el­len Vorlie­ben kann jeder und jede einen Unter­schied machen, ist sie über­zeugt. «Und zusam­men können wir viel bewir­ken», sagt sie.

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«Für eine neue Ernäh­rungs­kul­tur braucht es den Dialog, um die Menschen zu erreichen.»

Laura Rod, Co-Präsi­den­tin Slow Food Schweiz

Kultur­gut Essen

Wer Verän­de­rung errei­chen will, muss die Gesell­schaft einbe­zie­hen. Slow Food macht dies mit der Pflege der Esskul­tur. Slow Food steht für das Essen, den Genuss, das soziale Erleb­nis. Das ist der Ansatz, der Verän­de­rung möglich macht. «Für eine neue Ernäh­rungs­kul­tur braucht es den Dialog, um die Menschen zu errei­chen», sagt Laura Rod. Damit der Wandel zu einer nach­hal­ti­gen Ernäh­rung gelingt, reicht ein theo­re­ti­sches Vermit­teln von Infor­ma­tio­nen nicht aus. Nicht das Wissen allein bringt die Verän­de­rung, ist Toya Bezzola über­zeugt. Seit Jahren arbei­ten die Slow-Food-Teams deswe­gen an der Frage, wie wir ins Handeln kommen. Toya Bezzola fragt: «Wie können wir Oppor­tu­ni­tä­ten schaf­fen, Dinge einfach auspro­bie­ren und den Prozess star­ten, der zu Alter­na­ti­ven zum heuti­gen Weg führt?» Der Weg zu einer nach­hal­ti­gen Ernäh­rung ist viel­fäl­tig. «Wir können zwar nicht alle unbe­schränkt Fleisch essen und denken, dass wir tech­no­lo­gi­sche Lösun­gen finden, damit dies trotz­dem nach­hal­tig wird», sagt Nadina Müller. Gleich­zei­tig müss­ten aber auch nicht alle zu Veganer:innen werden. Gewisse Einschrän­kun­gen werden zwin­gend notwen­dig sein. Zudem ist die Bereit­schaft gefragt, sich genü­gend schnell anzu­pas­sen. Dann sei, gekop­pelt mit tech­no­lo­gi­schen Inno­va­tio­nen, eine nach­hal­tige Ernäh­rung zu errei­chen, ist sie über­zeugt. Ein rele­van­ter Faktor ist die Verpa­ckung – nicht nur aus Abfall­über­le­gun­gen. Unzu­rei­chen­des Wissen kann das Handeln der Konsument:innen in eine falsche Rich­tung beein­flus­sen. Wie stark erhöht eine Verpa­ckung die Abfall­menge und inwie­weit verlän­gert sie die Halt­bar­keit und verhin­dert so, dass ein Produkt vor dem Verzehr verdirbt? Food­waste ist Verpa­ckungs­ab­fall gegenüberzustellen. 

Mit diesen Frage­stel­lun­gen befasst sich Selçuk Yildi­rim. Er leitet an der ZHAW die Forschungs­gruppe Lebens­mit­tel­ver­pa­ckung. Mit ihren Erkennt­nis­sen will er das Gesamt­kon­zept einer nach­hal­ti­gen Ernäh­rung unter­stüt­zen. «Als Wissen­schaft­ler sind wir gewohnt, die Ergeb­nisse unse­rer Forschung in Form von wissen­schaft­li­chen Texten zu veröf­fent­li­chen», spricht er eine Heraus­for­de­rung an, die sie nun mit dem Center of Excel­lence ange­hen wollen. 

In diesem soll nicht nur Wissen gene­riert werden. Dieses soll auch mit gesam­ten Indus­trien geteilt werden, um die Wirkung des Wissens zu erhö­hen und eine brei­tere nach­hal­tige Entwick­lung zu fördern. Auch der Frage, wie sie die Konsument:innen besser errei­chen können, will sich das Center widmen. Denn neben mangeln­dem Wissen gewinnt auch falsche Infor­ma­tion an Bedeu­tung. Green­wa­shing ist auch bei der Verpa­ckung ein Thema. «Konsu­men­ten glau­ben, dass eine Verpa­ckung, die nach Papier aussieht, nach­hal­ti­ger ist, auch wenn sie aus Kunst­stoff ist», sagt er. «Die Konsu­men­ten brau­chen Unter­stüt­zung.» Wie so etwas gehen kann, zeigt der Menü-Nach­hal­tig­keits-Index. Diesen hat die ZHAW für die Bewer­tung von Menüs entwi­ckelt. «Natür­lich besteht immer ein Span­nungs­feld», sagt Nadina Müller. Die Konsument:innen wollen möglichst einfa­che Bewer­tun­gen. Diesem Wunsch steht die korrekte Wieder­gabe einer komple­xen Situa­tion gegen­über. Der Menu-Nach­hal­tig­keits­in­dex bildet die Komple­xi­tät diffe­ren­ziert ab. Dies ist eine opti­male Basis, um in einem nächs­ten Schritt eine adres­sa­ten­ge­rechte Kommu­ni­ka­tion zu erar­bei­ten, welche verschie­dene Aspekte eines Menüs in die Bewer­tung einbe­zieht, insbe­son­dere ökolo­gi­sche und gesundheitliche.

Über­schätzte Wirkung

Solche Bewer­tun­gen helfen, falsche Einschät­zun­gen zu korri­gie­ren. Gerade bei neuen Produk­ten können diese entste­hen, wenn sie in einen Trend passen. Die nach­hal­tige Wirkung von Flei­scher­satz­pro­duk­ten kann leicht über­schätzt werden. «So nach­hal­tig, wie viele glau­ben, sind diese Produkte nicht», sagt Nadina Müller. «Denn in ihrer Produk­tion entsteht wahn­sin­nig viel Ausschuss­ma­te­rial.» Stellt man beispiels­weise aus Erbsen Flei­scher­satz­pro­dukte her, so finden sich im Rohma­te­rial ca. 30 Prozent des gesuch­ten Prote­ins. Das wird möglichst rein benö­tigt. Zusätz­lich kann ein Teil der Nahrungs­fa­sern genutzt werden. 50 bis 60 Prozent des Rohma­te­ri­als sind aber für die Flei­scher­satz­pro­dukte nicht nutz­bar. «Würden alle Flei­scher­satz­pro­dukte essen, gäbe es eine riesige Menge an Stärke, die eine Verwen­dung benö­tigte», sagt Nadina Müller. Das schmä­lert den Vorteil in Sachen Nach­hal­tig­keit. Für solche Abfall­pro­dukte der Lebens­mit­tel­in­dus­trie, den Neben­strö­men, werden Lösun­gen gesucht. Mit einem von der AVIN­A­tif­tung geför­der­ten Projekt unter­su­chen Selcuk Yildi­rim und Nadina Müller, wo sich aus Neben­strö­men neue Lebens­mit­tel entwi­ckeln lassen oder ob sie sich für Verpa­ckungs­ma­te­rial eignen. Das Poten­zial in der Schweiz ist gross. «Studien haben gezeigt, dass in der Schweiz enorm viele Neben­ströme entste­hen», sagt Selçuk Yildi­rim. «Mit 15 Indus­trie­part­nern haben wir darüber gespro­chen, wie wir diese Neben­ströme auf den Markt brin­gen können.» Selçuk Yildi­rim sagt: «Dank Stif­tungs­fi­nan­zie­rung können wir das erlangte Wissen auch mit allen Markt­teil­neh­men­den teilen. Würden wir mit einem Indus­trie­part­ner zusam­men­ar­bei­ten, würde dieser das Wissen für sich bean­spru­chen.» Dabei sehen sich die Forschen­den in einer privi­le­gier­ten Posi­tion. «Wir werden sehr gut unter­stützt», sagt Nadina Müller. «Es gibt sehr viel­fäl­tige Möglich­kei­ten vom Bund, über Inno­su­isse oder den Schwei­zer Natio­nal Fonds SNF.» Zahl­rei­che Stif­tun­gen unter­stüt­zen ihre Arbeit, wie auch Geld­ge­ber aus der Lebensmittelbranche.

Thema für alle

Neben all diesen Facet­ten der Ernäh­rung weist Selçuk Yildi­rim darauf­hin, dass Essen vor allem auch ein kultu­rel­ler Akt und ein Genuss sein soll. «Und manch­mal essen wir einfach zu viel, weil es uns schmeckt.» Toya Bezzola sieht im kultu­rel­len Aspekt auch die Verbin­dung zur Natur. Und diese haben wir verlo­ren. «Wir müssen uns vom Narra­tiv der Effi­zi­enz bei Lebens­mit­teln lösen», fordert sie. Und Lucas Grob erach­tet als die wich­tigste Botschaft: «Essen ist dermas­sen mit unse­rem Leben verwo­ben, wenn wir uns nicht alle damit ausein­an­der­set­zen, wird es extrem schwie­rig, im Thema zukunfts­ge­rechte Ernäh­rung und zukunfts­ge­rechte Land­wirt­schaft etwas zu erreichen.»

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