Silvano Lieger ist Co-Geschäftsführer der gemeinnützigen Organisation Sentience

«Die Prote­in­wende kann nur gelin­gen, wenn wir sie gemein­sam vorantreiben»

Zum Schutz von Klima und Umwelt soll der Fleischkonsum gesenkt werden, das verlangt unter anderem die neue Klimastrategie des Bundes. Wie der Übergang zu alternativen Proteinquellen gelingen kann und was die Schweiz dazu beitragen kann, ist Thema des Protein Labs, das Sentience mit Akteuren aus verschiedenen Branchen durchführt. Co-Geschäftsführer Silvano Lieger erhofft sich dadurch neuen Schub für den Wandel unseres Ernährungssystems.

Warum braucht es eine «Prote­in­wende»?

Mit dem Begriff «Prote­in­wende» ist ein drin­gend notwen­di­ger Über­gang in unse­rem Ernäh­rungs­sys­tem gemeint – weg vom über­mäs­si­gen Konsum von tieri­schen zu mehr alter­na­ti­ven Prote­inen. Er ist aus ökolo­gi­schen, gesund­heit­li­chen und ethi­schen Grün­den unab­ding­bar. Der auch hier­zu­lande noch immer hohe Fleisch­kon­sum belas­tet massiv Klima und Umwelt, trägt wesent­lich zum Verlust der Arten­viel­falt bei und ist mit Tier­leid in der Massen­tier­hal­tung verbun­den. Zudem erhöht er verschie­dene Gesund­heits­ri­si­ken. Kurzum: Um die Zukunft unse­res Plane­ten und kommen­der Gene­ra­tio­nen zu sichern, müssen wir diese Prote­in­wende schnellst­mög­lich einleiten.

Um die Zukunft unse­res Plane­ten und kommen­der Gene­ra­tio­nen zu sichern, müssen wir diese Prote­in­wende schnellst­mög­lich einleiten.

Silvano Lieger, Co-Geschäfts­füh­rer der gemein­nüt­zi­gen Orga­ni­sa­tion sentience

Sie führen im Septem­ber und Okto­ber das «Protein Lab» durch: Was muss man sich darun­ter vorstellen?

Beim Protein Lab handelt es sich um eine Work­shop-Reihe, bestehend aus drei Modu­len. Wir haben gezielt über 20 Exper­tin­nen und Exper­ten aus verschie­de­nen Berei­chen einge­la­den – von der Lebens­mit­tel­pro­duk­tion und ‑verar­bei­tung über die Invest­ment-Bran­che, Wissen­schaft und Zivil­ge­sell­schaft bis hin zur Poli­tik. In diesem inter­dis­zi­pli­nä­ren Setting sollen ein gemein­sa­mes System­ver­ständ­nis kulti­viert, konkrete Hebel­punkte iden­ti­fi­ziert und sektor­über­grei­fende Mass­nah­men für eine nach­hal­ti­gere Prote­in­ver­sor­gung in der Schweiz erar­bei­tet werden. Wir glau­ben, dass die Schweiz in dieser Wende eine Vorrei­ter­rolle einneh­men kann, und fragen uns: Wieso passiert das nicht? Die Work­shops dienen dem Austausch, der gemein­sa­men Analyse von Hinder­nis­sen und der Entwick­lung eines Akti­ons­plans, um die Prote­in­wende zu beschleunigen.

Das Protein Lab folgt dem Modell der Social Inno­va­tion Labo­ra­to­ries – was ist damit gemeint?

Es handelt sich um parti­zi­pa­ti­ven Formate, die sich dadurch auszeich­nen, dass unter­schied­li­che Stake­hol­der gemein­sam komplexe gesell­schaft­li­che Heraus­for­de­run­gen ange­hen. Im Gegen­satz zu isolier­ten Lösungs­an­sät­zen können auf diese Weise verschie­dene Perspek­ti­ven inte­griert und syste­mi­sche Lösun­gen entwi­ckelt werden. Für die komple­xen Fragen rund um die Prote­in­wende erschien uns dieser kolla­bo­ra­tive Ansatz beson­ders viel­ver­spre­chend, um alle rele­van­ten Akteure an einen Tisch zu brin­gen. Ausser­dem wird bei diesem Ansatz der Fokus auf die grund­le­gen­den Ursa­chen des Problems gelegt. Dieser Perspek­ti­ven­wech­sel hilft vielen Teil­neh­men­den, nicht an der Ober­flä­che nach den offen­sicht­li­chen Grün­den zu suchen, sondern tiefer zu gehen.

Wer sind die Teilnehmenden? 

Es war von Beginn weg unser Ziel, eine «Koali­tion der Willi­gen» zusam­men­zu­brin­gen – Menschen also, die in ihrem Bereich zumin­dest teil­weise bereits in Rich­tung einer Prote­in­wende arbei­ten oder denken. Dazu gehö­ren Perso­nen, die bei Start-ups wie Plan­ted oder Fabas, bei Nonpro­fits wie dem WWF, Verbän­den wie der Swiss Protein Asso­cia­tion oder bei Behör­den wie der Stadt Zürich oder dem Bundes­amt für Land­wirt­schaft arbei­ten. Weiter finden sich auch Menschen aus Land­wirt­schaft, Tier­schutz, Wissen­schaft, Detail­han­del, der Invest­ment-Bran­che und dem Stif­tungs­we­sen unter den Teilnehmenden.

Es war von Beginn weg unser Ziel, eine «Koali­tion der Willi­gen» zusammenzubringen

Silvano Lieger

Was erhof­fen Sie sich vom Protein Lab?

Unser Ziel für die drei Module ist es, gemein­sam mit diesem diver­sen Kreis an Exper­tin­nen und Exper­ten ein gemein­sa­mes System­ver­ständ­nis zu etablie­ren, unsere «Blind Spots» zu iden­ti­fi­zie­ren, was Dyna­mi­ken und Macht­ver­hält­nisse angeht, die wich­tigs­ten Hebel­punkte für Verän­de­rung auszu­ma­chen, und, in einem nächs­ten Schritt, die Prote­in­wende in der Schweiz zu beschleu­ni­gen. Wie genau dieser Akti­ons­plan aussieht, wird sich zeigen. Wir hoffen auf alle Fälle, einen entschei­den­den Anstoss für die drin­gend notwen­dige Trans­for­ma­tion unse­res Ernäh­rungs­sys­tems zu geben.

Welche weite­ren Schritte sind geplant?

Wir werden die Ergeb­nisse des Protein Labs analy­sie­ren und aufbe­rei­ten. Zudem wollen wir den Teil­neh­mern eine Platt­form bieten, um die entwi­ckel­ten Ansätze und Projekte auch öffent­lich zur Spra­che zu brin­gen und im Ideal­fall weiter zu bear­bei­ten. Für uns ist klar: Die Prote­in­wende kann nur gelin­gen, wenn wir sie gemein­sam vorantreiben.


Protein Lab

Silvano Lieger ist Co-Geschäfts­füh­rer der gemein­nüt­zi­gen Orga­ni­sa­tion Senti­ence, die vor allem für die Lancie­rung der Initia­tive gegen Massen­tier­hal­tung bekannt ist und sich für eine stär­kere Gewich­tung der Tier­würde, eine zukunfts­fä­hige Land­wirt­schaft und nach­hal­tige Ernäh­rung einsetzt. Senti­ence hat das Protein Lab initi­iert und in Zusam­men­ar­beit mit Part­ner­or­ga­ni­sa­tio­nen wie colla­bo­ra­tio helve­tica sowie der Berner Fach­hoch­schule BFH das Konzept der Social Inno­va­tion Labs auf die Heraus­for­de­rung einer nach­hal­ti­ge­ren Prote­in­ver­sor­gung ange­passt. Die BFH beglei­tet den Prozess aus wissen­schaft­li­cher Sicht. Ermög­licht wurde dieser Prozess durch die Unter­stüt­zung von Förde­rern wie der Minerva Stif­tung, SDSN Switz­er­land und ProVeg International.

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