«Die Leute am Rande der Gesellschaft sind wunderbare Menschen. Sie sind meine Vorbilder, weil sie ehrlich und ohne Maske sind.» Mit diesen Worten beeindruckte Schwester Ariane am diesjährigen Stiftungstag. Zusammen mit ihrem Verein «Incontro» umsorgt sie Bedürftige an der Langstrasse und verteilt Lebensmittelpakete an Prostituierte, Obdachlose und Drogensüchtige. Als zweiter Vertreter von «Incontro» war Pfarrer Karl Wolf auf dem Podium. Das Gespräch, moderiert von proFonds Präsident François Geinoz, ging unter die Haut und war eines der Highlights des Tages: Am 20. November 2020 fand der Stiftungstag des Schweizer vom Dachverband der gemeinnützigen Organisationen proFonds zum ersten Mal virtuell statt. Vor Ort in der Zürcher Villa Bleuler waren einzig die Referentinnen und Referenten. Die über 300 Teilnehmenden folgten der Veranstaltung online auf ihrem Computer.
Nach der Eröffnung der Veranstaltung durch François Geinoz, richtete Bundesrat Ueli Maurer einen Grussbotschaft an alles Anwesenden – per Video. Er betonte die Wichtigkeit der gemeinnützigen Organisationen und bedankte sich für deren Engagement.
proFonds informiert
Über die generelle Entwicklung des Stiftungssektors in der Schweiz informierte Harold Grüninger von proFonds. Dabei erwähnte er, dass das Handelsregister per 1. Januar 2020, rund 13’300 klassische Stiftungen zählte. Das bedeutet, im Im Vergleich zum Vorjahr resultierte bei 349 Neuerrichtungen und 216 Liquidationen ein Plus von 133 Stiftungen. Den grössten Zuwachs verzeichneten die Kantonen Genf, Zug und Wallis. Wobei er feststellte, dass die Welle von neuen Krypto-Stiftungen abgeebbt sei, so unverhofft wie sie gekommen sei. Christoph Degen, Geschäftsführer von proFonds und Sebastian Rieger von proFonds erläuterten aktuelle rechtliche und steuerliche Entwicklungen im Stiftungssektor und Gemeinnützigkeitsbereich. Konkret sprachen sie über die Herausforderungen für gemeinnützige Stiftungen in Krisenzeiten, welche Möglichkeiten sie bei finanzieller Schieflage haben oder wie sie reagieren können, wenn sie aufgrund der Krise den Stiftungszweck nicht mehr erfüllen können. Auch griffen Sie aktuelle politische Geschäfte auf. Sie informierten über den Stand beim neuen Datenschutzgesetz und dessen möglichen Folgen für den Stiftungssektor. Bezüglich Parlamentarischer Initiative Luginbühl – mit Erneuerungen im Stiftungsrecht sollte sie den Stiftungsstandort Schweiz stärken – zeigten sie die nächsten Schritt auf. Ganz aktuell war die Motion Noser. Der Bundesrat hatte diese kurz vor dem Stiftungstag abgelehnt. Die Motion stellte die Steuerbefreiung wegen Gemeinnützigkeit beim Einsatz von Mittel für politisches Engagement in Frage.
Michael Harr, Geschäftsleiter Pro Senectute beider Basel aufgezeigt hatte, welche Chancen sie in der Krise nutzen und welche Solidarität sie erfahren. Mit den Resultaten des ersten Schweizer Stiftungsbarometers stellte Martina Benz, Redakteurin DIE STIFTUNG Schweiz, das Befinden der Stiftungslandschaft vor. Über die Situation am Spendenmarkt sprach Sibylle Spengler, Präsidentin Swissfundraising. Mit eindrücklichen Zahlen zeigte sie die Verankerung des Spendens in der Schweiz: 84 Prozent aller Haushalte spenden. Und es gibt Potenzial im Erbschaftsmarkt: 65 Milliarden Franken werden jährlich vererbt, wovon ein Prozent an Stiftungen fliessen.
Die Stiftungswelt wird digital
Potenzial sieht Peter Buss, Gründer und Geschäftsführer Philanthropy Services AG / StiftungSchweiz, Herausgeber von The Philanthropist insbesondere in der Digitalisierung. Er zeigte anhand von Fallbeispielen, welche digitalen Services bereits existieren. Mit Blick auf andere Lebensbereiche machte er das enorme Potenzial für Stiftungen sichtbar. Obschon online kaufen allgegenwärtig ist, beträgt der Anteil beim Spenden gerade drei Prozent. Bester Beweis, wie schnell digitale Lösungen einen Gewinn bringen, war der gelungene erste virtuelle Stiftungstag, der trotz Krise einen Austausch der Branche ermöglichte. Denn, wie Schwester Ariane sagt, was sie in der aktuellen Situation gelernt habe: «flexibel sein und immer wieder neue Antworten finden. Die Krise ist noch nicht vorbei.»