Die gesellschaftliche Wahrnehmung von Unternehmen verändert sich. Mit den Wertvorstellungen wandeln sich auch Ansprüche und Erwartungen. Die Konzernverantwortungsinitiative hat diese Vielschichtigkeit aufgezeigt. Unternehmen sind nicht mehr nur Produktionsbetriebe, Arbeitgeber oder Steuerzahler. In Nachhaltigkeitsberichten rapportieren sie transparent über ihre Anstrengungen und über Erreichtes im Ökologischen und Sozialen. Um diese Engagements zu bündeln – oder wirkungsvoll zu ergänzen – führen einige Unternehmen eine eigene Corporate Foundation. Auch diese verändern sich. «Waren Corporate Foundations früher vor allem auf Reputationsziele ausgerichtet, so entwickeln sie heute mehr Eigenständigkeit und können so zur Transformation hin zu einer nachhaltigeren Wirtschaft beitragen», heisst es im Stiftungsreport 2023.
Geld, Wissen, Ressourcen
Die Verbindung zum Unternehmen bleibt bestehen. Diese Nähe bringt Vorteile, welche die Stiftungen ihren Zweck wirkungsvoller erfüllen lassen. «Unternehmensstiftungen zeichnen sich dadurch aus, dass sie vielerlei Unterstützung durch das Mutterhaus erhalten», sagt Stefan Huber Fux, Geschäftsführer der Swiss Re Foundation. «Dabei denke ich neben Geld auch an personelle Unterstützung, Hilfe in der Kommunikation oder im IT-Bereich», fügt er an. Die Stiftung der Swiss Re engagiert sich, um die Gesellschaft widerstandsfähiger zu machen und soziale und humanitäre Probleme zu lindern. Dank der Verbindung von Stiftung und Unternehmen profitieren die Partnerorganisationen der Swiss Re Foundation von Freiwilligeneinsätzen und Pro-Bono Coaches der Swiss Re Mitarbeitenden. Auch Banken engagieren sich im Philanthropiesektor und betreiben Stiftungen, um gemeinnützige Engagements im Sinne der Bank oder ihrer Kund:innen umzusetzen.
Wirksame Philanthropie erfordert Kompetenz, Engagement und Ressourcen.
Curdin Duschletta, Head Social Impact & Philanthropy Schweiz bei UBS
Diese Verbindung ermöglicht einen zusätzlichen Wirkungsbereich, der die Kompetenzen der Bank bei der Umsetzung miteinbezieht. Curdin Duschletta, Head Social Impact & Philanthropy Schweiz bei UBS, sagt: «Wirksame Philanthropie erfordert Kompetenz, Engagement und Ressourcen.» Die umfassenden gemeinnützigen Engagements von UBS über Jahrzehnte haben der Bank Erfahrung und weitreichende Netzwerke in der Philanthropie gebracht, die sie ihren Kund:innen anbietet. «Wir unterstützen sie dabei, mit ihrem Beitrag die grösste Wirkung zu erzielen; beispielsweise mit der UBS Optimus Foundation, der UBS Philanthropy Foundation und neu auch mit UBS Benefizia Suisse», sagt er. Dass der Kanton nun die Rahmenbedingungen anpasst, sieht er positiv. «Ein zeitgemässes Regelwerk am Standort Zürich erlaubt Stiftungen einen grösseren Entwicklungs- und Entfaltungsraum – und trägt so nicht zuletzt auch zur Umsetzung der Sustainable Development Goals (SDG) der Vereinten Nationen bei», sagt er. Mit einer Initiative will der Kanton den Stiftungsstandort stärken. Umgesetzt hat er bereits eine Praxisanpassung zur Steuerbefreiung für gemeinnützige Stiftungen.
Standort insgesamt relevant
Die Attraktivität des Standorts für Stiftungen ist bei Corporate Foundations nicht isoliert zu betrachten. Sie kann sich auf die Unternehmen auswirken. Matthias Inauen, Leiter Firmenansiedlungen im Kanton Zürich, sagt: «Gute Rahmenbedingungen für Stiftungen, so wie wir sie soeben mit unseren steuerlichen Anpassungen geschaffen haben, sind insofern auch für Unternehmen relevant und können bei Firmenansiedlungen zukünftig als Mehrwert für die Standortattraktivität ins Feld geführt werden.»
Mit den neuen steuerrechtlichen Rahmenbedingungen, unseren zugänglichen Aufsichtsbehörden, die sich durch ein modernes Stiftungsverständnis auszeichnen, und den zahlreichen Corporate Foundations gehört der Kanton Zürich zu den führenden Stiftungsstandorten.
Matthias Inauen, Leiter Firmenansiedlungen im Kanton Zürich
Insgesamt beobachtet er, dass gerade grössere Firmen ihr gemeinnütziges Engagement zunehmend in Form von Corporate Foundations bündeln. «Wenn der Kanton Zürich hierfür ein attraktives Umfeld bietet, steigen die Chancen, dass ein Unternehmen seine Corporate Foundation auch hier in Zürich gründet oder ansiedelt». Aber nicht nur die gesetzlichen Rahmenbedingungen sind ausschlaggebend. Auch formale Anpassungen liefern Argumente. Matthias Inauen weist darauf hin, dass seit kurzem Jahresberichte und Stiftungsdokumente sowohl bei der Zürcher wie auch der nationalen Aufsichtsbehörde in englischer Sprache eingereicht werden können. Für Unternehmen mit Englisch als Firmensprache sei dies eine enorme Erleichterung, ist er überzeugt. Doch der Aufwand des Kantons lohnt sich. Jede neue Stiftung potenziert den Effekt der Initiative, weil sie den Standort noch attraktiver macht. Für die Corporate Foundations trägt das vorhandene Netzwerk wesentlich dazu bei, einen Standort positiv zu beurteilen. Sie suchen den Austausch mit anderen Stiftungen.
Stärkung des Standorts
Auch der Zugang zu internationalen NGOs ist für ihre Arbeit relevant. «Und diese sind in Zürich in hohem Masse vorhanden», sagt Matthias Inauen. Er erwartet eine weitere Stärkung des Standorts, dank der verbesserten Rahmenbedingungen. «Mit den neuen steuerrechtlichen Rahmenbedingungen, unseren zugänglichen Aufsichtsbehörden, die sich durch ein modernes Stiftungsverständnis auszeichnen, und den zahlreichen Corporate Foundations gehört der Kanton Zürich zu den führenden Stiftungsstandorten.» Davon profitiert der Kanton Zürich insgesamt. Die Erfahrung zeige, dass die meisten Stiftungen, auch wenn sie international fördern, einen Teil ihrer Mittel für Zürcher Projekte einsetzen würden, was wiederum dem Standort zugute komme. Und: «Eine von PwC und SwissFoundations vor einigen Jahren publizierte Studie hat errechnet, dass Förderstiftungen mit ihren Ausschüttungen über die Zeit einen höheren volkswirtschaftlichen Nutzen erzielen, als wenn diese Vermögen besteuert würden», sagt Matthias Inauen. Er verweist auf den Nutzen, der über die Fördertätigkeit hinausgeht: «Stiftungen beziehen Dienstleistungen, ihre Vermögen werden vom Zürcher Finanzplatz verwaltet, ihre Mitarbeitenden bezahlen im Kanton Steuern und über ihre Ausschüttungen leisten sie einen nicht unerheblichen Beitrag an die kantonale Entwicklung.»
Neue Finanzierungsformen
Auch die Zürcher Kantonalbank begrüsst die Initiative. «Die jüngst kommunizierten Massnahmen werden dazu beitragen, dass sich der ganze Philanthropie-Sektor weiter professionalisiert und noch vielfältiger wird», sagt Hansjörg Schmidt, Leiter Key Clients Stiftungen. «Liberalisierung und Professionalisierung – der Stiftungssektor wird seine sehr wichtige Rolle im Bereich zwischen Wirtschaft, Politik und Gesellschaft noch besser ausfüllen können.» Die Zürcher Kantonalbank hat ihr langjähriges Engagement im Philanthropiebereich erst kürzlich mit der Gründung der ZKB Philanthropie Stiftung verstärkt. «Die neue Stiftung wird sich in diversen philanthropischen Dimensionen mit Projekten engagieren.»
Liberalisierung und Professionalisierung – der Stiftungssektor wird seine sehr wichtige Rolle im Bereich zwischen Wirtschaft, Politik und Gesellschaft noch besser ausfüllen können.
Hansjörg Schmidt, Leiter Key Clients Stiftungen bei der Zürcher Kantonalbank
Dass Stiftungskapital nun auch im Sinne von Venture Philanthropy eingesetzt werden und so die gemeinnützige Wirkung der Stiftung noch weiter erhöht werden kann, bietet spannende Möglichkeiten zur Verwirklichung des Stiftungszwecks. «In diesem Punkt ist die neue Policy des Kantons besonders bemerkenswert und willkommen», sagt er.
Verstärkender Effekt
Die Anpassungen bezüglich Finanzierungsmöglichkeiten zählt auch Stefan Huber Fux zu den Massnahmen, die neue Perspektiven eröffnen: «Da wir zur Erreichung unserer Wirkungsziele oft auf sozialunternehmerische Lösungen setzen, können wir künftig weitere Finanzierungsformen anwenden, die über die Schenkung hinausgehen.» Schenkungen seien nicht immer die beste Art der Förderung. Sie bergen zudem das Risiko, dass sie zu einer Marktverzerrung führen können. Mit den neuen Rahmenbedingungen, welche die Fördertätigkeit nicht mehr auf à‑fonds-perdu-Beiträge beschränken, sieht er zusätzlich die Möglichkeit eines verstärkenden Effekts: «Im besten Fall erlaubt uns die neue Praxis, unsere Mittel im Sinne eines Wirkungsmultiplikators mehrfach einsetzen zu können, was unsere Gesamtwirkung erhöhen dürfte.»
Im besten Fall erlaubt uns die neue Praxis, unsere Mittel im Sinne eines Wirkungsmultiplikators mehrfach einsetzen zu können.
Stefan Huber Fux, Geschäftsführer der Swiss Re Foundation
Dabei ist es denkbar, dass die Stiftung auch in diesem Bereich dank der angepassten Rahmenbedingungen auf die im Unternehmen vorhandene Expertise wird zurückgreifen können. Stefan Huber Fux sagt: «Es ist durchaus denkbar, dass wir künftig auch Finanzexperten der Swiss Re stärker einbeziehen können, und sie uns mit ihrem Wissen bei der Ausgestaltung von wirkungsstarken unternehmerischen Fördermodellen unterstützen.»
Boden für weitere Investitionen
Curdin Duschletta beurteilt die Anpassungen ähnlich. «Aus der Zusammenarbeit mit unseren Kunden und gemeinnützigen Partnern wissen wir, dass Philanthropie, die sich ausschliesslich auf klassische Vergabungen beschränkt, an ihre Grenzen stösst, da diese Mittel eine limitierte Wirkung erreichen können», sagt er. «Wir sind überzeugt, dass philanthropisches Engagement auch katalytisch wirken soll, und so insbesondere den Boden für weitere Investitionen bereiten kann. Entsprechend gewinnen unternehmerische Fördermodelle wie Social Finance und Blended Finance zunehmend an Bedeutung.» Die UBS will die Nutzung dieser Instrumente in den nächsten Jahren weiter ausbauen. Der Wirkungsgrad der verfügbaren Fördermittel soll so steigen.
Internationaler Wettbewerb
Was alles möglich sein wird, werden allerdings erst die konkreten Umsetzungen in den kommenden Wochen und Monaten zeigen. Dabei hofft Stefan Huber Fux, dass der Kanton Zürich mit seiner Initiative eine Wirkung für die ganze Schweiz erzielt und weitere Kantone dem Beispiel folgen. «Denn während die Rahmenbedingungen für Stiftungen in Zürich zwar zweifelsohne in den genannten Bereichen verbessert werden, verschlechtern sie sich gleichzeitig für einige Unternehmensstiftungen schweizweit – zum Beispiel aufgrund des angepassten Gesetzes im Bereich der Mehrwertsteuer», sagt er. Dieses besagt, dass auf Unterstützungen der Unternehmung für ihre Stiftung, beispielsweise Übernahme der Lohnkosten für Stiftungsangestellte, IT-Support oder auch Kommunikation eine Mehrwertsteuer erhoben wird – obwohl die Stiftung aufgrund ihrer Gemeinnützigkeit als steuerbefreit gilt. SwissFoundations hatte sich gegen diese Anpassung zur Wehr gesetzt – vorerst ohne Erfolg. Im Interesse eines attraktiven Stiftungsstandorts legt Stefan Huber Fux deswegen den Blick auf die ganze Schweiz. «Der internationale Wettbewerb um den attraktivsten Stiftungsstandort läuft engagiert», sagt er und fordert. «Die Schweiz tut gut daran, die gute Ausgangslage nicht selbstverschuldet zu verspielen, sondern aktiv weiter zu stärken.»