Wenn sich Unternehmen im Besitz von Stiftungen befinden, kann dies viele positive Auswirkungen haben. Delphine Bottge, Rechtsanwältin und Academic Fellow des Zentrums für Philanthropie der Universität Genf, hat eine neue Studie zu Aktionärsstiftungen veröffentlicht.
«Eine Stiftung ist ihrem Wesen nach ein langfristiger Aktionär mit vielen positiven Auswirkungen auf das Unternehmen und seine Stakeholder und Stakeholderinnen», erklärt Delphine Bottge. Die Anwältin forscht seit fünf Jahren am Zentrum für Philanthropie der Universität Genf zu diesem Thema. Gerade hat sie das Buch Les fondations actionnaires en Suisse veröffentlicht.
Vision wird gewahrt
Im Rahmen ihrer Forschungsarbeit untersuchte Delphine Bottge ein Panel von 106 Stiftungen in der Schweiz mit Beteiligungen an mehr als 2000 Unternehmen. Aktionärsstiftungen oder Holdingstiftungen stellen keine Rechtskategorie sui generis dar. «Es handelt sich um einen Sachverhalt, bei dem eine Stiftung, unabhängig von ihrem statutarischen Zweck, eine bedeutende Beteiligung an einem oder mehreren Unternehmen hält», ruft Delphine Bottge in Erinnerung, indem sie einen Entscheid des Bundesgerichts zitiert. Eine Aktionärsstiftung kann einen gemeinnützigen Zweck verfolgen. Die Beteiligung wird dann eines der Mittel der Stiftung sein, ihren statutarischen Zweck zu erreichen, dank der Dividenden, die sie als Aktionärin empfängt. Die Stiftung kann einen wirtschaftlichen Zweck haben, wie die Aufrechterhaltung des Unternehmens, in das der Nettogewinn reinvestiert wird. Sie kann auch einen kumulativen gemischten Zweck haben, der sich aus den beiden oben genannten Zwecken zusammensetzt. Die Beziehung zwischen der Stiftung und dem Unternehmen kann auf vielfältige Weise geregelt werden. Auf jeden Fall, so Delphine Bottge, sei die Stiftung bereits aufgrund ihrer Struktur zu langfristigen Beteiligungen vorbestimmt: «Die Stiftung hat keinen Eigentümer, sie wird von einem Stiftungsrat nach ihrem statutarischen Zweck verwaltet, und dieser Zweck kann nur unter sehr strikten Bedingungen geändert werden.» Für den Unternehmensgründer oder die Unternehmensgründerin ist dies eine Garantie, dass seine bzw. ihre Vision gewahrt wird – und für das Stiftungsunternehmen ist es eine Garantie für Stabilität und seinen Fortbestand, auch in Krisenzeiten. Delphine Bottge bezieht sich auf jüngste Studien, die zu dem Schluss kommen, dass Stiftungsunternehmen eine überdurchschnittliche Lebensdauer und eine hohe Widerstandsfähigkeit in Krisenzeiten aufweisen.
Positive Auswirkungen
Wenn eine Stiftung Aktionärin eines Unternehmens ist, besteht keine Verpflichtung, die Rendite des Unternehmens kurzfristig zu maximieren. Da Stiftungsunternehmen ausserhalb dieser Kultur der Rendite um jeden Preis stehen, sind sie eher geneigt, in Forschung und Entwicklung zu investieren und günstige Bedingungen für ihre Mitarbeitenden sicherzustellen. «Das Modell scheint auch eine positive Wirkung auf die Motivation der Mitarbeitenden zu haben, die sich einer starken Unternehmenskultur, der Geschichte ihres Unternehmens und der des Gründers verbunden fühlen», so Delphine Bottge. Und sie spricht eine weitere Auswirkung an: «Die Stiftung verankert die Vision des Gründers und schützt die Unabhängigkeit des Unternehmens und seiner Geschäftstätigkeit. Sie garantiert auch die lokale Verankerung des Unternehmens.» Nach Ansicht der Rechtsanwältin kann die Gründung einer Aktionärsstiftung sehr sinnvoll sein, wenn es um die Etablierung einer Familienführung geht: Die Stiftung übernimmt dann eine vermittelnde und vereinende Rolle neben den Familienaktionären und ‑aktionärinnen, die von Generation zu Generation vorhanden sind. Eine Familiencharta verankert die Grundsätze dieser Governance und legt die anwendbaren Regeln für den Verkauf von Aktien des Unternehmens fest. «Die Stiftung verfolgt ihrerseits ein gemeinnütziges Ziel und ist ein Mittel des Ausdrucks der Philanthropie der Familie.»
Nicht für alle geeignet
Der Wirtschaftssektor, in dem das Unternehmen tätig ist, spielt keine Rolle, wie die Umfrage gezeigt hat. «Die Unternehmen sind sehr unterschiedlich, auch in Bezug auf die Grösse, und reichen von KMU über multinationale Unternehmen bis hin zu Start-ups.» Die Stiftungen halten sowohl im In- als auch im Ausland Unternehmen. Einige sind an der Börse notiert. Zu den Unternehmen der Umfrage gehören namhafte Marken: Lindt & Sprüngli, Victorinox, Rolex, die Hotelfachschule Lausanne, Ethos sowie die Tageszeitung Le Temps oder auch der Fussballclub Servette FC. Laut Delphine Bottge müssen dennoch gewisse Herausforderungen gemeistert werden. «Die Strukturierung des Projekts erfordert Zeit. Denn es ist wichtig, die Absicht, die dem ganzen Projekt übergeordnet ist, zu verstehen und umzusetzen. Gleichzeitig sind unternehmerische, familiäre und persönliche Überlegungen, die sich auf die Werte des Gründers beziehen, zu integrieren.» Tatsächlich hängt der Fortbestand des Unternehmens in der Regel vom Erfolg des Unternehmens ab, als es von seinem Gründer geführt wurde, von seinem Charisma, das weiter wirkt, von der Qualität der eingeführten Governance, aber auch von der des Managements, die in den Werten des Unternehmens verankert ist, sowie von einer gewissen finanziellen Solidität. Dennoch ist Delphine Bottge von diesem Modell überzeugt, wenn es sorgfältig vorbereitet wird. «Jüngste Studien zeigen, dass Unternehmen, die sich ganz oder teilweise im Besitz von Stiftungen befinden, genauso erfolgreich sind wie traditionelle Familienunternehmen – mit einem grösseren Nutzen für die Gesellschaft.»
Zukunftsweisend
Die Schweiz ist keine Pionierin dieses in den nordischen Ländern weit verbreiteten Modells. Marken wie Carlsberg oder Lego befinden sich im Eigentum von Stiftungen. «In Dänemark gehört die Hälfte der börsennotierten Unternehmen Stiftungen», sagt Delphine Bottge. «Und das Modell breitet sich dank zukunftsweisender Unternehmer und Unternehmerinnen allmählich in Ländern aus, in denen eine besonders ausgeprägte kulturelle Grenze zwischen Wirtschaft und Philanthropie besteht, wie beispielsweise in Frankreich.»