Seit den 90er-Jahren haben viele der umsatzstärksten Unternehmen nicht nur in der Schweiz eine Corporate Foundation gegründet. Trotzdem sind sie (noch) ein Nischenthema in der internationalen Nonprofitforschung.
In der Schweizer Stiftungslandschaft sind sie bekannt: die von namhaften Unternehmen gegründeten gemeinnützigen Stiftungen. Darunter sind Unternehmen wie die UBS, Cartier, KPMG, Lindt & Sprüngli, Syngenta oder Novartis. Zur wachsenden Vielfalt der Corporate Foundations tragen durchaus auch kleinere und mittelständische Unternehmen bei, wie bspw. die Stiftung einer Bäckerei mit rund einem Dutzend
Filialen im Zürcher Unterland. Für den gemeinnützigen Sektor sind Unternehmen zunehmend eine bedeutende Quelle finanzieller und nichtfinanzieller Ressourcen. Neueste Datenerhebungen in Grossbritannien zeigen, dass 400 der grössten Unternehmen zusammen mehr als 550 Millionen Franken für wohltätige Zwecke gespendet haben. Entweder durch direkte Spenden oder eine von ihnen gegründete Stiftung. So sind auch auf europäischer Ebene weithin bekannte Corporate Founda-
tions mit langjähriger Fördertätigkeit zu finden, wie die deutsche Siemens Stiftung, die dänische LEGO Foundation des gleichnamigen Spielzeugherstellers oder die englische Lloyds Bank Foundation for England and Wales der Lloyds Banking Group.
Nischenthema in der Forschung
Forschung zu Corporate Philanthropy hat seit den frühen 1990er-Jahren in den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften stark zugenommen. Sie gilt heute in verschiedenen akademischen Disziplinen als etabliertes und wichtiges Forschungsgebiet. Corporate Foundations hingegen galten lange Zeit als seltenes Phänomen unter gemeinnützigen Stiftungen und wurden von Forschenden als «Black Boxes» oder «seltsame Tiere» bezeichnet. Zu Recht wurde mehr theoretische Konzeptualisierung, bessere Datenverfügbarkeit und Studien mit einem
geografischen Fokus ausserhalb der USA gefordert.
Neueste Studien liefern nun ein besseres Verständnis und mehr Klarheit zu wichtigen Grundsatzfragen. Wer genau sind Corporate Foundations, wo sind wie viele von ihnen tätig, wie tragen sie zu den wichtigsten und drängendsten Herausforderungen unserer Zeit bei und wie kommunizieren sie ihr Engagement?
Einige der wichtigsten Erkenntnisse sind:
- Europäische Corporate Foundations sind bestens in ihre jeweiligen Stiftungssektoren integriert, wobei sich Anzahl, Rolle und öffentliche Wahrnehmung von Land zu Land stark unterscheiden. Ihre Aktivitäten und ihre Organisationsstruktur werden offenbar viel stärker von ihrem Gründungsunternehmen als von ihrem gesellschaftlichen und politischen Umfeld beeinflusst.
- Corporate Foundations gelten – ähnlich wie Social Enterprises – als hybride Organisationen, wobei sich diese Eigenschaft nicht auf ihre Position zwischen Zivilgesellschaft und Wirtschaft limitieren lässt, sondern auf verschiedene Merkmalskombinationen auf strategischer, organisationaler und kontextueller Ebene zurückzuführen ist.
- Corporate Foundations wären ideale «partnership brokers» für sektorübergreifende, strategische Partnerschaften wie sie beispielsweise für die Erreichung der SDGs (Sustainable Development Goals) notwendig sind. Noch nutzen sie ihr Potenzial für diese Rolle zu wenig.
- Die Effektivität von Corporate Foundations wird massgeblich durch bestimmte Managementpraktiken, wie Monitoring/Evaluation und den Einbezug von Experten, beeinflusst und positiv durch die Art ihrer Tätigkeit, ihre Erfahrung und ihre internationale Ausrichtung verstärkt.
- Intensität und Umfang der unternehmerischen Berichterstattung variiert stark zwischen den verschiedenen philanthropischen Aktivitäten und bedient sich in vielen Fällen des Storytellings.
Wo die Reise hingeht
Natürlich gibt es viele weitere Aspekte, denen sich zukünftige Forschung annehmen sollte. Bspw. ist die langfristige Wirkung von Corporate Foundations auf die Performance des Gründungsunternehmens nach wie vor weitgehend unklar und in der Wissenschaft stark umstritten. Zu erwarten sind ausserdem mehr wissenschaftliche Studien mit einer nicht-westlichen Perspektive. Immerhin stieg beispielsweise die Zahl chinesischer Corporate Foundations seit 2004 rasant an. In den kommenden Jahren gilt es auch die begrenzte Datenlage zu verbessern, um mehr länderübergreifende oder ‑vergleichende Forschung zu ermöglichen. Es bleibt spannend zu beobachten, in welche Richtung sich das Forschungsfeld der Corporate Foundations entwickelt und wie es sich in der internationalen Nonprofitforschung behauptet. Ob «Corporate» und «Foundation» ganz selbstverständlich zueinander gehören oder doch im Widerspruch zueinander stehen, ist alles andere als trivial und wird – in der Praxis und der wissenschaftlichen Forschung – weiterhin kontrovers zu diskutieren sein.