Geschäftsinhaber commslab, Daniel Künstle: «Diese positive Einstellung der Branche gegenüber bleibt aber nur so lange bestehen, als grössere Hilfswerke nicht regelhaft öffentlichkeitswirksamen Skandalisierungen ausgesetzt sind.»

Repu­ta­ti­ons­mo­ni­tor: Regel­mäs­sige öffent­li­che Präsenz ist von immenser Bedeutung

Für den Reputationsmonitor hat das Basler Institut commslab AG zum zweiten Mal die Reputation der Hilfswerke analysiert. Trotz verschiedener negativer Berichterstattungen sieht Daniel Künstle, Geschäftsinhaber commslab, die Reputation der Branche insgesamt intakt.

In den vergan­ge­nen Mona­ten haben Medien nega­tiv über verschie­dene gemein­nüt­zige Orga­ni­sa­tio­nen berich­tet. In Ihrer Analyse stel­len Sie aber fest, dass die Repu­ta­tion der Hilfs­werk-Bran­che insge­samt intakt ist. Weshalb leidet die Repu­ta­tion der Bran­che nicht unter diesen nega­ti­ven Berich­ten über zum Teil bedeu­tende Organisationen?

Tatsäch­lich verfügt die Bran­che der Hilfs­werke und NPOs über eine intakte Repu­ta­tion, d.h., sie verfügt über eine insge­samt leicht posi­tive öffent­li­che Wahr­neh­mung, die über die Zeit zudem rela­tiv wenig Vola­ti­li­tä­ten aufweist. Die Krise beim SRK im Früh­jahr 2023 – als Beispiel für eine jüngst stark in der Kritik stehende Orga­ni­sa­tion – beein­flusste diese Wahr­neh­mung zwar nega­tiv, es fanden aber keine grös­se­ren «Spill­over-Effekte» auf die Hilfs­werk­bran­che statt. Die Verfeh­lun­gen wurden als Handeln einer einzel­nen Orga­ni­sa­tion und nicht als gene­rel­les Problem der Bran­che wahrgenommen.

Diese posi­tive Einstel­lung der Bran­che gegen­über bleibt aber nur so lange bestehen, als grös­sere Hilfs­werke nicht regel­haft öffent­lich­keits­wirk­sa­men Skan­da­li­sie­run­gen ausge­setzt sind. Dies zeigen die Repu­ta­ti­ons­dy­na­mi­ken ande­rer Bran­chen. So wurde auch die lange Zeit intakte Repu­ta­tion des Finanz­plat­zes Schweiz mit der Zeit durch die Skan­dale von gros­sen Akteu­ren wie Credit Suisse und UBS nega­tiv überformt.

Was sind die wich­tigs­ten Repu­ta­ti­ons­trei­ber für Hilfswerke?

Die Repu­ta­tion der Hilfs­werk­bran­che fusst auf einer intak­ten funk­tio­na­len Wahr­neh­mung, die vor allem im Einsatz für Menschen­rechte ihre posi­tive Wirkung entfal­tet. Das heisst, die Bran­che wird als grund­sätz­lich kompe­tent gemäss ihrem zugrun­de­lie­gen­den Orga­ni­sa­ti­ons­zweck wahrgenommen.

Die Verfeh­lun­gen wurden als Handeln einer einzel­nen Orga­ni­sa­tion und nicht als gene­rel­les Problem der Bran­che wahrgenommen.

Daniel Künstle, Geschäfts­in­ha­ber commslab 

Insge­samt ist die Viel­falt der Issues, welche die Hilfs­werk­bran­che öffent­lich sicht­bar machen, aber gross. Nach­hal­tige Reso­nanz in der Öffent­lich­keit gene­rie­ren indes nur ausge­wählte Themen. In der jünge­ren Vergan­gen­heit waren dies etwa die Huma­ni­täre Hilfe in Afgha­ni­stan und das Frau­en­ver­bot für NGOs sowie die wieder anzie­hende Debatte über Mittel­meer-Flücht­linge. Dane­ben waren auch die Ukraine-Hilfe, die Menschen­rechts­lage im Iran sowie die Erdbe­ben­hilfe für die Türkei und Syrien zentrale Reputationstreiber.

Unter­schei­den sich diese von ande­ren Branchen?

Thema­tisch bestehen natür­lich grosse Unter­schiede etwa zu wirt­schaft­li­chen Unter­neh­men. Was die Wirkung der verschie­de­nen Repu­ta­ti­ons­di­men­sio­nen angeht, gelten indes die glei­chen Mecha­nis­men. Das heisst, die funk­tio­nale Repu­ta­tion muss, wie eben beschrie­ben, intakt sein. Gleich­zei­tig gilt es, den sozia­len Erwar­tun­gen zu entspre­chen, also ein recht­lich und mora­lisch korrek­tes Verhal­ten an den Tag zu legen. Und schliess­lich möchte man sich natür­lich auch von seinen Mitbe­wer­bern unter­schei­den, also über ein attrak­ti­ves und wieder­erkenn­ba­res Profil verfügen.

Wenn es doch zu einem Repu­ta­ti­ons­ver­lust der Bran­che kommt: Wie kann sich eine einzelne Orga­ni­sa­tion schüt­zen, um nicht darun­ter zu leiden?

Meine Empfeh­lung für einen wirkungs­vol­len Repu­ta­ti­ons­schutz mag zwar abge­dro­schen klin­gen, bleibt aber von zeit­lo­ser Gültig­keit: «Sagen, was man tut, und tun, was man sagt».

Hilfs­werke stehen spezi­ell im Fokus: Müssen sie besser sein, als andere Orga­ni­sa­tio­nen und Unter­neh­men? Ist ihre Repu­ta­tion anfälliger?

Unter Repu­ta­tion versteht man ja gemein­hin den Ruf, den eine Orga­ni­sa­tion oder auch eine Bran­che bei seinen zentra­len Stake­hol­dern geniesst. Repu­ta­tion ist deshalb folge­rich­tig ein Indi­ka­tor für den Grad des Vertrau­ens, der einem Akteur von seinen Stake­hol­dern entge­gen­ge­bracht wird.

Repu­ta­tion ist also ein imma­te­ri­el­ler Wert, der aber zentral zur Wert­schöp­fung einer Orga­ni­sa­tion beiträgt. Dies gilt nicht nur für den Wert­schöp­fungs­pro­zess von klas­si­schen wirt­schaft­li­chen Unter­neh­men, sondern glei­cher­mas­sen auch für NPO. Da Hilfs­werke vor allem auf den gesell­schaft­li­chen Good­will ange­wie­sen sind, ist eine intakte Repu­ta­tion – noch stär­ker als bei ande­ren Bran­chen – unab­ding­bare Voraus­set­zung für den Handlungserfolg.

Eine regel­mäs­sige öffent­li­che Präsenz in den für die Bran­che zentra­len Frage­stel­lun­gen und Themen ist von immenser Bedeu­tung für eine lang­fris­tig intakte Reputation.

Daniel Künstle

So beein­flusst eine gute Repu­ta­tion der Hilfs­werke poli­ti­sche Entscheid­fin­dun­gen in der gewünsch­ten Weise und erhöht die Spen­den­be­reit­schaft in der Bevöl­ke­rung. Dage­gen hat eine ange­schla­gene Repu­ta­tion, insbe­son­dere aufgrund eines recht­lich und mora­lisch frag­wür­di­gen Verhal­tens, nega­tive Auswir­kun­gen auf die Hand­lungs­fä­hig­keit des betrof­fe­nen Hilfswerkes.

Wie wich­tig ist es für eine stabile Repu­ta­tion, dass eine Orga­ni­sa­tion oder eine Bran­che regel­mäs­sig mit rele­van­ten Beiträ­gen präsent ist?

Eine regel­mäs­sige öffent­li­che Präsenz in den für die Bran­che zentra­len Frage­stel­lun­gen und Themen ist von immenser Bedeu­tung für eine lang­fris­tig intakte Repu­ta­tion. Über­lässt man dieses Feld nämlich zu lange in der Sache allen­falls unkun­di­gen Drit­ten, darf man sich später nicht über den Verlust der eige­nen Deutungs­macht beklagen.


Der Repu­ta­ti­ons­mo­ni­tor ist ein Kapi­tel im Spen­den­re­port 2023.

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