Marcel Spiess, Co-Geschäftsführer Quellenhof-Stiftung

Quel­len­hof-Stif­tung: Ein Ange­bot für alle Generationen

Die Quellenhof-Stiftung ist seit 1990 in der Rehabilitation von sucht- und psychisch kranken Menschen tätig. Sie hat für alle Generationen ein breites Angebot. Im Leitbild verweist die Stiftung auf den christlichen Glauben. Co-Geschäftsführer Marcel Spiess sieht die Komplexität und die Stärken und er sagt, was die schwindenden Mitgliederzahlen der Kirchen bedeutet.

Sie pfle­gen ein Ange­bot für alle Gene­ra­tio­nen. Ist das Heraus­for­de­rung oder mehr Bereicherung?

Heraus­for­dernd ist, dass wir es mit diver­sen Bedürf­nis­sen, Ziel­grup­pen und Direk­tio­nen zu tun haben, was das Ganze sehr komplex macht. Viel­mehr ist es aber eine unse­rer gröss­ten Privi­le­gien und Stär­ken, da wir so die Inter­ak­tion und das Verständ­nis unter den Gene­ra­tio­nen fördern können. Und das in einer Zeit, in der sich die Einsam­keit der Menschen pande­misch zu verbrei­ten scheint. Ein Ange­bot für alle Gene­ra­tio­nen anzu­bie­ten, steckt in der DNA der Quel­len­hof-Stif­tung, es entspricht der Vision des Grün­ders. Jetzt, nach 33 Jahren ist diese Vision weit­ge­hend umgesetzt.

Ihr Gesamt­an­ge­bot ist breit. Hilft dies, das passende Ange­bot für eine Person abzustimmen?

Abso­lut. Das ist die grosse Chance, damit ein passen­des Ange­bot gemacht werden kann, das indi­vi­du­ell auf die betrof­fene Person abge­stimmt ist. Ich denke, dass dies jetzt und in Zukunft beson­ders wich­tig sein wird, dass wir diesem Wunsch nach Indi­vi­dua­li­tät gerecht werden können und dennoch eine tiefe und heil­same Verbun­den­heit leben und anbie­ten können. Das klingt para­dox, aber ich glaube, dass es wirk­lich beides braucht, Selbst­be­stim­mung und Verbun­den­heit. Trotz­dem gibt es immer wieder Menschen, denen wir kein Ange­bot unter­brei­ten können. Uns ist es wich­tig, dass wir trotz diesem brei­ten Ange­bot nicht unter einer «Glas­glo­cke» leben, sondern mit dem ganzen Netz­werk in unse­rer Region zusam­men­ar­bei­ten, sei dies mit ande­ren Profes­sio­nel­len, aber auch mit Verei­nen, Kirch­ge­mein­den etc.

Das klingt para­dox, aber ich glaube, dass es wirk­lich beides braucht, Selbst­be­stim­mung und Verbundenheit. 

Marcel Spiess, Co-Geschäfts­füh­rer Quellenhof-Stiftung

Aktu­ell herrscht ein Fach­kräf­te­man­gel. Ist das für Sie ein Vorteil, weil Sie eher Aufträge erhal­ten oder haben auch Sie Mühe, Fach­per­so­nen zu finden?

Auch wir spüren den Mangel an Fach­per­so­nen. Der Mangel an Fach­per­so­nen ist das eine, das andere ist der Mangel an resi­li­en­ten und trag­fä­hi­gen Persön­lich­kei­ten. Neben der Fach­lich­keit sehe ich die Persön­lich­keit und den Charak­ter der Mitar­bei­ten­den als elemen­tar an. Letzt­end­lich sind wir als Menschen das Werk­zeug … es scheint eine Art «Beru­fung» zu sein, damit man für diese Arbeit bereit ist.

Unsere Zeit ist geprägt von zahl­rei­chen Krisen. Wirkt sich diese Belas­tung auf die Nach­frage nach Ihrem Ange­bot aus?

Unsere nieder­schwel­li­gen Ange­bote für junge Menschen im Wohnen und in der Bildung sind leider sehr ausge­las­tet bis über­las­tet. Im sozi­al­päd­ago­gi­schen Wohnen müssen wir eine Warte­liste führen, was mich betrof­fen macht. Wir kommen in Kontakt mit sehr vielen verletz­ten Menschen und Fami­li­en­sys­teme, die drin­gend Hilfe brau­chen. In dieser Zeit der Krisen sind wir gefor­dert, eine andere Sicht­weise auf die Welt und unser Leben zu eröff­nen. Eine Sicht, die Hoff­nung, Freude und Zuver­sicht ermög­licht. Auch ist es Zeit, um in einen ehrli­chen und verletz­li­chen Dialog zu treten, wie es uns wirk­lich geht und wir aus diesem Einzel­kämp­fer­tum ausstei­gen können.

Welche Rolle spielt der christ­li­che Glaube für die Quellenhof-Stiftung?

Der christ­li­che Glaube spielte bei der Grün­dung eine wesent­li­che Rolle. Ohne dies gäbe es die Stif­tung heute vermut­lich nicht, denn diese prak­tisch gelebte «Nächs­ten­liebe» war der mass­geb­li­che Antrei­ber, dass diese Stif­tung damals entstand. Bis heute ist es uns wich­tig, dass wir den Glau­ben nicht auf eine dogma­ti­sche Art und Weise leben. In erster Linie ist der Glaube eine «gute Nach­richt», was im Begriff «Evan­ge­lium» beschrie­ben ist. Alle unsere Mitar­bei­ten­den sind im christ­li­chen Glau­ben veran­kert, jedoch aus unter­schied­lichs­ten Deno­mi­na­tio­nen. Trotz dieser Ausgangs­lage ist es uns enorm wich­tig, dass für unsere Klien­ten kein Druck entsteht und die Reli­gi­ons­frei­heit gewähr­leis­tet ist.

Wir leben in einer komple­xen Welt, mit komple­xen Frage­stel­lun­gen. Hier ist eine grosse Ambi­gui­täts­to­le­ranz gefragt.

Marcel Spiess

In Ihrem Leit­bild verwei­sen Sie auf den christ­li­chen Glau­ben. Hilft dies, eine gemein­same Werte­ba­sis zu formulieren?

Das ist auf jeden Fall eine grosse, verbin­dende Kraft. Die gemein­same Basis im Glau­ben und die gegen­sei­tige Stär­kung im Team gibt uns enorme Ener­gie. In unse­ren Werten und Haltun­gen finden wir viele Gemein­sam­kei­ten. Trotz dem gemein­sa­men Glau­ben sind Werte auszu­han­deln und mitein­an­der abzu­glei­chen. Auch bei uns ist es ist ein Ringen um diese Einheit. Wir leben in einer komple­xen Welt, mit komple­xen Frage­stel­lun­gen. Hier ist eine grosse Ambi­gui­täts­to­le­ranz gefragt.

Die Mitglie­der­zah­len der Kirchen nimmt ab. Spüren Sie die Abkehr?

Ich würde es als «Abkehr» von der «Insti­tu­tion Kirche» bezeich­nen und eine «Hinwen­dung» zur persön­li­chen Spiri­tua­li­tät. Daher sehe ich dies eher als Chance, uns auf den Kern des Glau­bens zu fokus­sie­ren. Die Kirche ist aus meiner Sicht kein Gebäude, sondern sie baut sich auf leben­dige Menschen auf und ist quasi wie ein «Körper» aufge­baut. Alle Glie­der brau­chen sich gegen­sei­tig und funk­tio­nie­ren nur gemein­sam. Gott ist somit nicht von der «Insti­tu­tion» Kirche abhän­gig. So wünsche ich mir, dass der Glaube sich in diver­sen, unter­schied­lichs­ten Gemein­schaf­ten ausdru­cken kann.

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