Psychische Erkrankungen sind in unserer Gesellschaft tabu.

Nichts tun ist immer falsch

Erste Hilfe lernen

Die Freun­din schweigt. Eigent­lich erzählt sie schon eine ganze Weile prak­tisch nichts mehr. Was ist los? Was tun? Erste Hilfe bei psychi­scher Erkran­kung ist keine Selbst­ver­ständ­lich­keit. Die Stif­tung Pro Mente Sana und die Beis­heim Stif­tung widmen sich mit dem Projekt ensa dem Tabu­thema. 

Die Coro­na­fall­zah­len verdop­peln sich prak­tisch wöchent­lich. Mit der dunk­len Jahres­zeit und der Empfeh­lung der Behör­den, Kontakte wo möglich zu vermei­den, macht sich Einsam­keit breit. Und mit der Einsam­keit werden nicht selten die Ängste gross und grös­ser. Es ist die Angst vor dem Verlust der wirt­schaft­li­chen Eigen­stän­dig­keit, vor dem Coro­na­vi­rus, oder davor, alles zu verlie­ren. Mit dem Projekt ensa, Erste Hilfe für psychi­sche Gesund­heit, nehmen sich die Beis­heim Stif­tung (Förder­stif­tung) und Pro Mente Sana (Förderpartner/Projektträger) dem Thema an. 

Es lag in der Luft

Im Herbst 2017 kontak­tierte ein Jour­na­list Roger Staub, den Geschäfts­lei­ter von Pro Mente Sana, und fragte ihn, was er von Mental Health First Aid (MHFA) halte. Prak­tisch zeit­gleich wurde Patri­zia Rezzoli, Geschäfts­füh­re­rin der Beis­heim Stif­tung, das Projekt über MHFA Kanada zuge­tra­gen. Beide waren sofort über­zeugt: Genau dieses Ange­bot braucht es. «Psychi­sche Probleme sind in unse­rer Gesell­schaft nach wie vor tabu», betont Roger Staub. «In einer Leis­tungs­ge­sell­schaft spricht man nicht darüber, dass es einem zu viel ist, dass man einfach nicht mehr mag, nicht mehr kann und eigent­lich Hilfe nötig hätte.» Zu gross sei die Angst vor Diskri­mi­nie­rung und drohen­dem Jobverlust. 

Gegen das Tabu angehen

Zwar kennen alle die Situa­tion, dass eine Arbeits­kol­le­gin, ein Freund, ein Fami­li­en­mit­glied  verstummt oder sich zurück­zieht. Doch was tun? Die Schwei­zer Gesell­schaft bietet Rettungs­schwim­me­rin­nen- und Nothel­fer­kurse, nicht aber Hilfs­an­ge­bote bei psychi­scher Erkran­kung. Weil psychi­sche Probleme immer noch tabu sind, wisse man oft nicht, wie Betrof­fene anspre­chen, gibt Patri­zia Rezzoli zu beden­ken. «Tut man nichts, verschlim­mern sich die Symptome» führt Roger Staub weiter aus. «Betrof­fene suchen erst Hilfe, wenn es gar nicht mehr geht. Dann ist die Thera­pie schwie­rig, teuer und sie dauert.» Die meis­ten versu­chen am Arbeits­platz ihr Problem zu verste­cken. Deshalb versu­chen die beiden Stif­tun­gen mit der Schwei­zer Lizenz  für das MHFA-Programm dazu beit­zu­ra­gen, diese Lücke zu füllen. Roger Staub ist über­zeugt, «Erste Hilfe leis­ten können, ist für unser Zusam­men­le­ben wich­tig. Eine Gesell­schaft aus Erst­hel­fe­rin­nen und Erst­hel­fern wäre eine bessere Welt – für uns alle.» Noch ist es nicht so weit. Noch spürt die Stif­tung dieses Tabu: «Ohne die tatkräf­tige Unter­stüt­zung der Beis­heim Stif­tung als Projekt­part­ne­rin – hätten wir dieses Projekt nie stem­men können», wirft Roger Staub ein. «Von Beginn an kämp­fen wir, weil prak­tisch niemand für unsere Klien­tel spen­den will – noch nicht.»

Das Projekt gemein­sam stemmen

«Nach einem gemein­sa­men Besuch vor Ort bei MHFA Holland, mach­ten wir uns an die Arbeit», erzählt Patri­zia Rezzoli. «Wir brauch­ten einen Namen, den man auf Deutsch und Fran­zö­sisch genauso wie auf Italie­nisch und Englisch gut ausspre­chen kann. Denn MHFA war als engli­sche Abkür­zung in der Schweiz nicht geeig­net. Es sollte ein Wort sein, das keine falschen Asso­zia­tio­nen weckt», betont Roger  Staub. «So  kamen  wir  auf  ensa.» Und Patri­zia Rezzoli: «Das Wort stammt aus der Spra­che der austra­li­schen Urein­woh­ner und heisst Antwort. Das Logo, die
stili­sierte Blume, zeigt die Heil­pflanze Arnika.» 2019 star­tete die Pilotphase. 

Erste-Hilfe-Kurs etablie­ren

Seit Anfang 2020 rollt Pro Mente Sana die Kurse aus und multi­pli­ziert sie schweiz­weit. «Wir setzen das Projekt opera­tiv um», sagt Roger Staub. «Die Beis­heim Stif­tung als starke und enga­gierte Part­ne­rin im Rücken unter­stützt uns nicht nur finan­zi­ell, sondern auch bei der Erstel­lung von Busi­ness­plä­nen, recht­li­chen Themen und bei der Kommu­ni­ka­tion.» Beide brin­gen so ihr spezi­fi­sches Wissen ein. Bereits 150 Instrukt­orin­nen und Instruk­to­ren hat Pro Mente Sana ausge­bil­det. Diese bieten ensa-Kurse für Laien an und führen sie durch. Erst­hel­fe­rin­nen und Erst­hel­fer können alle werden, die sich dafür inter­es­sie­ren. Etwa 1500 Perso­nen haben den Kurs schon besucht. Während des Lock­downs konn­ten keine physi­schen Kurse mehr statt­fin­den.  «Pro Mente Sana hat innert kürzes­ter Zeit eine Online-Version des Erst­hel­fer­kur­ses entwi­ckelt und ange­bo­ten», erzählt Patri­zia Rezzoli. «Das ensa-Webi­nar ist keine «abge­speckte» Version des Face-to-Face-ensa-Kurses.» Deshalb werden in Zukunft die Präsenz­kurse und Webi­nare als zwei gleich­wer­tige Ange­bote weiter­ge­führt.
Roger Staub fügt an: «Unser nächs­tes Ziel ist: Ein Prozent der Schwei­zer Bevöl­ke­rung kann ROGER: ROGER steht für Reagie­ren, offen und unvor­ein­ge­nom­men zuhö­ren und kommu­ni­zie­ren, ganz­heit­lich unter­stüt­zen und infor­mie­ren, ermu­ti­gen zu profes­sio­nel­ler Hilfe und Ressour­cen akti­vie­ren. «Wir reden von Erst­hel­fer­kur­sen, weil ROGER in der Regel nicht bei Notfäl­len ange­wen­det wird. ROGER kommt zum Einsatz bei nahe­ste­hen­den Menschen, bei denen man wahr­nimmt, dass sich ihr psychi­scher Zustand über die Zeit verschlech­tert hat», sagt der Pro Mente Sana Geschäftsleiter. 

Die ensa Ausbil­dung von Pro Mente Sana für Erste-Hilfe-Instrukt­orin­nen und ‑instruk­to­ren ist Anfang 2020 gestartet.

Persön­li­che Empfehlungen

Das Ange­bot funk­tio­niert. Das Feed­back der ausge­bil­de­ten Erst­hel­fe­rin­nen und Erst­hel­fer ist sehr gut und neue Teil­neh­mende kommen sehr oft dank persön­li­cher Empfeh­lung. Patri­zia Rezzoli hat den Kurs selber absol­viert und berich­tet begeis­tert, «der Kurs hilft, das Thema und die Facet­ten psychi­scher Probleme zu verste­hen, auf Perso­nen zuzu­ge­hen, das Thema korrekt anzu­spre­chen und auf Hilfeleistungen/Netzwerke zu verweisen.» 


Erfah­ren Sie mehr über die Schwei­ze­ri­sche Stif­tung Pro Mente Sana und die Prof. Otto Beis­heim Stif­tung auf stiftungschweiz.ch

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