Eine Zusammenarbeit verschiedener gemeinnütziger Organisationen zielt meist auf eine Verstärkung der Wirkung und eine effektivere Erreichung gemeinsamer Ziele ab. Sie bringt mehr Informationen und Wissen. Gleichzeitig erhöht sich die Komplexität. Denn verschiedenste Kulturen prägen die Organisationen, die über ebenfalls unterschiedliche Mittel und über andere Netzwerke verfügen. Die Beurteilung der passenden Zusammenarbeit kann auf verschiedenen Ebenen erfolgen. Sollten die Entscheidungskompetenzen behalten werden oder eher nicht? Wer soll das finanzielle Risiko tragen? Eine Organisation kann ein Projekt selbst ausrollen, das finanzielle Risiko tragen und die Entscheidungskompetenz behalten. Oder mehrere Organisationen geben beides ab und müssen eine neue Trägerorganisation finden. Und dazwischen gibt es unterschiedliche Ausprägungsgrade. Wesentlicher Faktor für das Gelingen bleibt der Mensch. Machtkämpfe, versteckte Wünsche oder unausgesprochene Annahmen können die Wirkung schmälern oder gar verhindern. Umgekehrt sind es gerade die gewonnenen Kontakte auf der informellen Ebene, welche die Zusammenarbeit bereichern. Dieser Mehrwert wirkt über die eigentliche Zusammenarbeit hinaus.
Allianz für ein Thema
«Es ist eine neue, interessante Art der Zusammenarbeit», sagt Sabine Maier, Geschäftsleiterin von Vivamos Mejor. 2019 gründete die NGO zusammen mit fünf weiteren Schweizer Hilfswerken die Allianz Sufosec. 2019 hatte die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit DEZA Programmbeiträge für Allianzen in Aussicht gestellt. Als Sufosec haben sich die sechs Partner erfolgreich mit einem gemeinsamen Programm dafür beworben.
Und auch für die Beiträge 2023–2024 hat das DEZA die Allianz berücksichtigt. Die Zusammenarbeit zwischen den Allianzmitgliedern ist vertrauensvoll. Dies ermöglicht den direkten, unkomplizierten Austausch zwischen den Organisationen und einen offenen Dialog. Die Allianz verfolgt ein gemeinsames Ziel: wirksame Lösungen zur Überwindung von Mangelernährung und Hunger aufzuzeigen. Durch die Förderung nachhaltiger, lokaler Ernährungssysteme. Als Allianz können die Organisationen das Thema stärker in den Fokus rücken und gleichzeitig voneinander lernen. Beispielsweise publizierte die Allianz einen gemeinsamen Bericht zur Hungersituation auf der Basis von 14’000 Haushaltsbefragungen aus 16 Ländern. Sufosec liegt keine juristische Rechtsform zugrunde. «Im Moment ist es eine sehr schlanke Organisationsstruktur», sagt Sabine Maier. Eine klare Regelung stellt jedoch sicher, dass die Allianzmitglieder trotz unterschiedlicher Grösse gleichwertig sind. Alle tragen dieselben Kosten für die gemeinsamen Allianzaktivitäten. Alle haben dasselbe Mitspracherecht. Das Modell funktioniert gut. Als herausfordernd stellen sich die unterschiedlichen Funktionsweisen der einzelnen Allianzmitglieder heraus. Die verschiedenen Perspektiven befruchten sich aber auch gegenseitig. Auf Grund von juristischen und administrativen Aspekten könnte eine Rechtsform künftig ein Thema werden. Vorerst konzentriert sich die Allianz aber auf die Weiterentwicklung des gemeinsamen Programms ab 2025.
Bewertung mit Peers
In der praktischen Zusammenarbeit setzt die Allianz auf unterschiedliche Modelle. Bei der Umsetzung des gemeinsamen Programms, beim Monitoring und beim gegenseitigen Lernen ist die Zusammenarbeit eng. So haben die Organisationen ein gemeinsames Monitoringsystem aufgebaut, inklusive einer geteilten Software. Doch auch wenn es Projekte gibt, für welche sie gemeinsames Fundraising betreiben, arbeiten sie in diesem Bereich noch wenig zusammen. Jede Organisation setzt auch Projekte eigenständig um, wenn sie zum übergeordneten Zielraster beitragen. «Gleichzeitig gibt es mehrere gemeinsame Lerngruppen, in denen wir ein Thema zusammen weiterentwickeln», sagt Sabine Maier. Das Steering Committee übernimmt die strategische Leitung, die Finance Group wiederum koordiniert die finanzielle Berichterstattung, während in der Programmgruppe die Planung, das Monitoring und die Resultate besprochen werden. Hier sieht Sabine Maier einen grossen Mehrwert der Zusammenarbeit. Die eigene Arbeit wird vergleichbar. Die einzelnen Organisationen können sich nun vertieft
mit Peers vergleichen. Und gemeinsame Umfragen führen zu einer breiteren Datengrundlage mit stärkerer Aussagekraft.
Dezentral organisiert
Die gemeinsame Wissens- und Kompetenzebene kann das eigentliche Ziel einer Zusammenarbeit sein. Fachpersonen finden ihresgleichen und lernen voneinander. So tauscht sich die Schweizerische Lebensrettungsgesellschaft SLRG als Mitgliedsorganisation des Schweizerischen Roten Kreuzes (SRK) eng mit den Partnerorganisationen aus. Die SLRG selbst wiederum steht als Dachverband in Zusammenarbeit mit den Regionen und den Sektionen. Der Dachverband ist seiner Funktion entsprechend übergeordnet.
Doch die SLRG setzt auf Selbstorganisation. «Wir sind nicht einmal auf der nationalen Geschäftsstelle hierarchisch aufgestellt», sagt Mediensprecher Christoph Merki. Ihr Organisationsmodell bezeichnet er als Heterarchie. Diese beschreibt ein dezentralisiertes Organisationsmodell, bei dem die verschiedenen Teileinheiten einer Organisation sich nicht in einem Über- oder Unterordnungsverhältnis zueinander befinden, sondern weitgehend gleichberechtigt sind.
Das gegenseitige Rollenverständnis und die wohlwollende Zusammenarbeit seien dabei wichtige Aspekte für das Funktionieren dieser Organisationsform. Die SLRG pflegt den lateralen Austausch zwischen den Sektionen und legt Wert auf den direkten Kontakt der Fachexpert:innen. Auch bei Einsätzen arbeiten die Sektionen aus verschiedenen Regionen zusammen und agieren gemeinsam. Christoph Merki betont den Vorteil der Eigenständigkeit der Sektionen. Sie können agil ihre Projekte fahren und durchführen. «Nicht alles muss aus der Zentrale gesteuert werden. Die Wege sind kürzer.» Damit die Zusammenarbeit funktioniert, ist horizontale und vertikale Kommunikation von Bedeutung. Der persönliche Kontakt erleichtert den Informationsfluss essenziell. Die Eigenständigkeit gilt auch für die finanziellen Mittel. Der Dachverband finanziert die nationalen Kampagnen und sammelt Spenden. Aber auch die Sektionen haben ihre eigenen Finanzierungsquellen. Die SLRG pflegt zudem internationale Zusammenarbeit, etwa mit der International Life Saving Federation.
Als Gegenmodell aufgestellt
Die Beurteilung von Zusammenarbeitsformen in der Philanthropie orientiert sich meist am Zweck. Gemeinsame inhaltliche Ziele sollen mehr Wirkung erzielen. Als Gegenentwurf kann eine Dachstiftung verstanden werden. Sie stärkt die Wirkung jedes Einzelnen unabhängig. Als juristische Einheit ist der Formalisierungsgrad hoch. Dies betrifft die administrativen Aufgaben der einzelnen Unterstiftungen respektive Fonds. Hier werden Synergien genutzt.
Die Fontes-Stiftung hat sich vor neun Jahren in die Berner Dachstiftung gewandelt. Stiftungsrat Guido Albisetti nennt als Auslöser, dass sie vor zehn Jahren zunehmend Anfragen von kleineren Stiftungen erhalten haben, weil deren Vermögen aufgrund der tiefen Zinsen kaum Rendite abwarfen. Die Erträge reichten knapp, um administrative Kosten zu decken. Für die Erfüllung des Stiftungszwecks blieben keine Mittel. Da zeichnete sich eine Dachstiftung als ideale Lösung ab.
Statt wie früher stets neue Stiftungen zu gründen, kann Guido Albisetti dank der Dachstiftung potenziellen Stifter:innen die Möglichkeit der Zweckerfüllung zu tiefen Administrationskosten bieten. Die gemeinsame Verwaltung der Vermögen ermöglicht es, die Kosten für kleine Vermögen tief zu halten. So können Unterstiftungen oder Fonds dennoch Mittel abwerfen und philanthropisch wirken. Ein zweiter Grund war, dass sich viele Stiftungsrät:innen nicht mit Anlagefragen auseinandersetzen wollen und dies so auslagern können. «Wir wollten eigentlich keine Dachstiftung, sondern ein Hilfsangebot schaffen», sagt Guido Albisetti. Damit es funktioniert, haben sie für die Dachstiftung den breitest möglichen gemeinnützigen Zweck definiert. Was eine grosse Unabhängigkeit der Unterstiftungen bezüglich Zweck ermöglicht. Zusammenarbeiten bleiben dafür wenig wahrscheinlich. Guido Albisetti gibt zu bedenken, dass die Dachstiftung auf die Synergien im Hintergrund spezialisiert ist, damit die Fonds und Unterstiftungen möglichst viele Ressourcen für ihren Zweck zur Verfügung haben. Das heisst umgekehrt, dass die Stifter:innen, die sich an die Dachstiftung wenden, bereits eine klare Idee vom Zweck haben, in welchem sie aktiv sein wollen.
Aufwand muss sich lohnen
Organisationen können nicht nur Seite an Seite arbeiten, sondern stehen auch in einer Konkurrenzsituation. Am anderen Ende der Intensität der Zusammenarbeit stehen Partnerschaften mit einer gemeinsamen Organisation, Ressourcenmanagement und strategischer Planung – und dazwischen gibt es zahlreiche Abstufungen. Die Komplexität nimmt eindeutig mit der Verbindlichkeit zu. Partnerschaft ist mit Kosten verbunden. Sie bedeutet Aufwand. Sie erfordert Koordination und Kommunikation. Aber es winkt auch ein Ertrag, der die Mühe wert ist. Die Partnerschaftsinitiativen der Jacobs Foundation (JF) zielen darauf ab, einen maximalen Mehrwert zu schaffen, eine Abstimmung zu erreichen und eine gemeinsame Vision für kollektives Handeln zu entwickeln.
Eine effektive Zusammenarbeit ist dann am erfolgversprechendsten, wenn die Partner über komplementäres Fachwissen verfügen: «Unser Ziel ist es, kreative Partner und Mitgestalter zu sein und die Entwicklung neuer Verbindungen, Netzwerke, Fachkenntnisse und Kapazitäten zu unterstützen. Für uns ist es wichtig, mit Partnern zusammenzuarbeiten, die sich eindeutig dazu verpflichtet haben, ihr Wissen und/oder ihre Ressourcen auf sinnvolle Weise zu teilen», sagt Donika Dimovska, Chief Knowledge Officer bei der JF.
«Unser Ziel ist es, kreative Partner und Mitgestalter zu sein und die Entwicklung neuer Verbindungen, Netzwerke, Fachkenntnisse und Kapazitäten zu unterstützen.»
Donika Dimovska, Chief Knowledge Officer bei der Jacobs Foundation
Passende Partnerschaften
Als Vordenkerin ist die JF an einer Vielzahl von Partnerschaftsinitiativen in Schwerpunktländern und weltweit beteiligt. Die Stiftung hält sich nicht an einen festen Kooperationsansatz, sondern passt ihre Zusammenarbeit an die Erfordernisse der jeweiligen Situation an. Die JF verfügt jedoch über klare Verfahren und Prozesse für die Entscheidungsfindung, die Umsetzung und die Berichterstattung, die transparent und, wenn nötig, kooperativ sein müssen. Die JF kann in einer Partnerschaft verschiedene Rollen spielen, unter anderem die eines Katalysators. In dieser regt sie andere dazu an, das System gemäss ihrer Theorie der Veränderung anzupassen. Das Ziel der Stiftung ist es, einen Mehrwert in einer Partnerschaft zu schaffen, indem sie die wichtigsten Interessengruppen aus Regierung, Privatwirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft zusammenbringt. Die JF zielt darauf ab, die Nutzung von Erkenntnissen zu mobilisieren, um das Ökosystem des Lernens in den Partnerländern zu stärken und einen Systemwandel über die eigene Reichweite hinaus anzuregen. «Der Schlüssel zum Erfolg liegt darin, sich auf gemeinsame Ziele und Anreize auszurichten und Parteien an einen Tisch zu bringen, die normalerweise nicht zusammenkommen. Wenn die Ziele und/oder Erwartungen zu unterschiedlich sind, kann es schwierig sein, eine erfolgreiche Partnerschaft aufzubauen», sagt Donika Dimovska.