Inklu­sion als Credo

Dem Alltag entfliehen

Körper­li­che Akti­vi­tä­ten sind für Menschen mit Behin­de­rung eine Befrei­ung und gut für die Moral. Mit inklu­si­ven Program­men oder mit spezi­el­len Ange­bo­ten machen gemein­nüt­zige Orga­ni­sa­tio­nen dies möglich.

«Körper­li­che Akti­vi­tä­ten, wie sie Diffé­ren­ces Solidai­res (DS) anbie­tet, ermög­li­chen mir, in die Natur zu gehen, Begeg­nun­gen mit Menschen oder Empfin­dun­gen zu erle­ben, die ich norma­ler­weise nicht habe», betont Antoine. Als Beispiel nennt er Rutschen. Antoine leidet unter Cere­bral­pa­rese. Unter dem Begriff werden Symptome zusam­men­ge­fasst, die mit einer früh­kind­li­chen Schä­di­gung des sich entwi­ckeln­den Gehirns zusam­men­hän­gen und sich unter ande­rem mit Bewe­gungs­stö­run­gen mani­fes­tie­ren. Beim Sport freut er sich, jeweils die Heraus­for­de­rung anzu­neh­men und sich selbst zu über­tref­fen. Er schwärmt: «Durch die Bewe­gungs­frei­heit, die es gibt, fühle ich mich frei.» An DS schätzt er, dass beim Sport eine sehr gute Atmo­sphäre bei den Teil­neh­men­den und den Pilo­ten und Pilo­tin­nen herrsche. 

Gut für die Gesund­heit, gut für die Moral

Laurence leidet unter Myopa­thie, einem Muskel­lei­den. «Die Möglich­keit, sich körper­lich zu betä­ti­gen und an etwas ande­res denken als an die eigene Behin­de­rung oder Krank­heit ist sehr gut für die Moral», betont auch sie und fährt fort, «man kann Dampf ablas­sen. Flie­hen. Es gibt einen Adre­na­lin­stoss, wenn man das mag 😍.» Jean-Luc, der Vater von Lucille, einem Mädchen mit einer körper­li­chen Behin­de­rung, gibt zu beden­ken, «als Poly­be­hin­derte bewegt sich Lucille meis­tens in der Thera­pie. Mit den Jahren wird das etwas mühsam. Dank der ange­pass­ten Metho­den kann sie im Freien üben. Die Dauer der Akti­vi­tät ist dann oft viel länger und ange­neh­mer als in der Physio­the­ra­pie.» Diffé­ren­ces Solidai­res habe Lucille im Gespräch mit einem Freund kennen­ge­lernt, vor rund zehn Jahren. Der Vater betont, «dank des Freun­des und DS betreibt sie seit zehn Jahren ange­passte Sport- und Outdoor­ak­ti­vi­tä­ten». Es sei ihr wich­tig, sich mit Freun­den zu tref­fen und sich zu bewe­gen. Er sagt, «das Ausüben von Sport bedeu­tet für sie, unab­hän­gi­ges Bewe­gen, ein Spiel, Geschwin­dig­keit fühlen und das Gefühl der Frei­heit». Zudem hat es seiner Meinung nach einen thera­peu­ti­schen Aspekt. Die zwei Sport­le­rin­nen und der Sport­ler nehmen das Ange­bot von Diffé­ren­ces Solidai­res in Anspruch. 

Mit Tat und Kraft

Den Verein Diffé­ren­ces Solidai­res gibt es seit mehr als zwölf Jahren. «Damals gab es wenige Möglich­kei­ten für Fami­lien mit behin­der­ten Ange­hö­ri­gen, sich an Sport- und Frei­zeit­ak­ti­vi­tä­ten zu betei­li­gen», erzählt Alain Bigey, Fund­rai­sing-Verant­wort­li­cher bei DS. Gestar­tet ist der Verein mit einem Projekt im Skisport. Eine der ersten Akti­vi­tä­ten war das Trai­ning von Eltern behin­der­ter Kinder oder weite­ren Inter­es­sier­ten. Denn bis dahin war die Ausbil­dung ledig­lich einer Minder­heit vorbe­hal­ten. Dann stell­ten wir den Fami­lien die entspre­chende Ausrüs­tung zur Verfü­gung. Alain Bigey betont, «wir wollen, dass die Ausübung sport­li­cher Akti­vi­tä­ten für alle Fami­lien möglich wird. Heute profi­tie­ren jähr­lich mehr als 500 Menschen von unse­ren Akti­vi­tä­ten.» Den Verant­wort­li­chen des Vereins ist es ein Anlie­gen, mobil zu sein, um die Bedürf­nisse der Begüns­tig­ten dort zu erfül­len, wo sie sind. So unter­stüt­zen sie Fami­lien und Einzel­per­so­nen in der Orga­ni­sa­tion ihrer Aktivitäten.

Aus den gewohn­ten Tages­struk­tu­ren ausbrechen

Den Behin­der­ten-Sport Club Zürich gibt es seit über 60 Jahren. Dem Verein ist es ein Anlie­gen, ein möglichst attrak­ti­ves, viel­fäl­ti­ges und profes­sio­nell betreu­tes Ange­bot zu gestal­ten. «Mit unse­rem brei­ten und abwechs­lungs­rei­chen Ange­bot an unter­schied­li­chen Wochen­ta­gen und mit regel­mäs­si­gen Sport­an­läs­sen und ‑wett­kämp­fen möch­ten wir die Selbst­stän­dig­keit unse­rer Mitglie­der fördern», sagt Alain Thüring, Tech­ni­scher Leiter, von Behin­der­ten-Sport Club Zürich. Mit dem Ange­bot des Clubs können die Sport­le­rin­nen und Sport­ler aus den gewohn­ten Tages­struk­tu­ren ausbre­chen und viele unter­schied­li­che soziale Kontakte unter­hal­ten. «Die lang­fris­tige Inklu­sion unse­rer Mitglie­der auf Sport‑, Betreu­ungs- und Vorstands­ebene ist unser höchs­tes Ziel», betont er. 

Der Zürcher Club pflegt eine enge Zusam­men­ar­beit mit PluSport, dem Dach­ver­band für Behin­der­ten­sport, der ein brei­tes Dienst­leis­tungs­an­ge­bot bietet. Gemein­sam setzen sie sich für Inklu­sion ein, betrei­ben Lobby­ing und Spon­so­ring­ak­ti­vi­tä­ten auf loka­ler und regio­na­ler Ebene. Alain Thüring betont: «Uns ist es wich­tig, die Mitglie­der­bei­träge möglichst tief zu halten.» 

Junge Menschen ansprechen

Tradi­ti­ons­ge­mäss sei die Mund-zu-Mund-Propa­ganda für die Mitglie­der­wer­bung und die Direkt­an­spra­che in den Behin­der­ten­in­sti­tu­tio­nen am erfolg­reichs­ten. Das wider­spiegle sich entspre­chend in der Alters­struk­tur der Aktiv­mit­glie­der, so Alain Thüring. «Wir wollen vermehrt moderne Kanäle wie Social Media besser nutzen, um unsere jüngere Ziel­gruppe besser zu errei­chen», gibt der Tech­ni­sche Leiter zu beden­ken. Am schwie­rigs­ten daran sei wohl, dass die poten­zi­el­len Sport­le­rin­nen und Sport­ler,  je nach Behin­de­rung, auf einer ande­ren Ebene kommu­ni­zie­ren oder Infor­ma­tio­nen wahr­neh­men. Das mache es  jeweils extrem schwie­rig, viele Perso­nen zusam­men anzu­spre­chen. Wie bei allen Menschen sei die Heraus­for­de­rung das Über­win­den des inne­ren Schwei­ne­hun­des. Es brau­che die Erkennt­nis, dass Sport und Bewe­gung Quelle für Wohl­be­fin­den, ja Inspi­ra­tion ist und sozia­len Kontakt bedeu­tet und kein notwen­di­ges Übel ist. «Als Aus- und Nach­wir­kung der Covid­pan­de­mie erle­ben wir zudem vermehrt eine Zurück­hal­tung bei den Wohn­hei­men und  Insti­tu­tio­nen, ihre Bewoh­ne­rin­nen und Bewoh­ner an extern durch­ge­führ­ten Akti­vi­tä­ten teil­neh­men zu  lassen.»

Förde­rung von Inte­gra­tion und Inklusion

Am 15. April 2014 wurde von der Schweiz die Behin­der­ten­rechts­kon­ven­tion der Verein­ten Natio­nen (UN-BRK) rati­fi­ziert. PluSport hat dazu Mass­nah­men und eine Vision entwi­ckelt. «Menschen mit Beein­träch­ti­gung sind ein gleich­wer­ti­ger und selbst­be­stimm­ter Teil unse­rer Gesell­schaft. Die Sport‑, Bewe­gungs- und Dienst­leis­tungs­an­ge­bote von PluSport fördern die Gleich­wer­tig­keit und leis­ten einen wich­ti­gen Beitrag hin zu einer inklu­si­ven Gesell­schaft.» Regula Muralt, Leite­rin Marke­ting & Mittel­be­schaf­fung von PluSport, betont: «Die Kern­kom­pe­tenz von PluSport ist, für alle Bewe­gungs- und Sport­in­ter­es­sier­ten geeig­nete Ange­bote bereit­zu­stel­len und zu entwi­ckeln, aber auch die Inte­gra­tion und Inklu­sion mit dem Regel­sport zu fördern und voran­zu­trei­ben.» Hinsicht­lich der gesell­schaft­li­chen Verän­de­rung und der Bewe­gun­gen im Schwei­zer Sport­sys­tem werden die Stim­men nach komplet­ter Öffnung, sich für Inklu­sion im Sport zu enga­gie­ren, immer lauter. Die Entwick­lung in Rich­tung Inklu­sion sei hinsicht­lich Koope­ra­ti­ons­be­stre­bun­gen und Sensi­bi­li­sie­rungs­ar­beit enorm schnell unter­wegs, so die Marke­ting­ver­ant­wort­li­che. Sie gibt zu beden­ken, dass der Bedarf an klas­si­schen, tradi­tio­nel­len Ange­bo­ten, wie Sport­clubs und Sport­camps, bestehen bleibe. PluSport sei bestrebt, beide Wege wirkungs­voll und ziel­stre­big zu verfol­gen und weiter auszubauen. 

Effek­tive  Interessenvertretung

Mit PluSport hat der Behin­der­ten­sport einen star­ken Dach­ver­band. Er sei das Kompe­tenz­zen­trum für Sport, Behin­de­rung und Inklu­sion. «Wir fördern den Zugang zu einem viel­fäl­ti­gen Sport- und Bewe­gungs­pro­gramm für alle», sagt Regula Muralt, «und wir gewähr­leis­ten eine geschlos­sene Förder­kette vom Nach­wuchs über den Brei­ten- bis hin zum Spit­zen­sport.» Der Verband stärke und unter­stütze seine über 80 Mitglie­der­clubs und sorge für einen wirkungs­vol­len Sport­be­trieb in allen Regio­nen der Schweiz. PluSport ist Mitglied bei Swiss Olym­pic und gemein­sam mit Roll­stuhl­sport Schweiz (SPV) Stif­ter des Swiss Para­lym­pic Committees. 

Nach­hol­be­darf bei der Inklu­sion im Spitzensport

Im leis­tungs­ori­en­tier­ten Behin­der­ten­sport ist PluSport Spit­zen­sport verant­wort­lich für eine naht­lose Entwick­lung. «Die Förder­kette ist von der Basis mit der Nach­wuchs­för­de­rung bis zur Elite gewähr­leis­tet», sagt Regula Muralt. «Wir unter­stüt­zen und fördern Kinder, Jugend­li­che und Erwach­sene mit Behin­de­rung im Spit­zen­sport. Unsere Athle­ten nehmen an natio­na­len und inter­na­tio­na­len Wett­kämp­fen wie den Para­lym­pics teil.» Schon heute werden, wenn immer möglich, Syner­gien mit dem Nicht­be­hin­der­ten­sport gesucht. Aller­dings hinkt die Schweiz im inter­na­tio­na­len Vergleich etwas hinter­her, weil staat­li­che Inves­ti­tio­nen im Para-Spit­zen­sport fehlen. Umso grös­ser ist die Bedeu­tung einer profes­sio­nel­len Aus- und Weiter­bil­dung für Leitende sowie Helfe­rin­nen und Helfer. Diese werden ebenso sicher­ge­stellt wie indi­vi­du­elle Programme und Projekte mit Koope­ra­ti­ons­part­nern. Regula Muralt erläu­tert: «Als Heraus­ge­ber von fach­lich und didak­tisch hoch­ste­hen­den Lehr­mit­teln sorgen wir auf allen Ebenen für eine konstante Quali­täts­si­che­rung.» Dies geschehe zusam­men mit den Part­ner­or­ga­ni­sa­tio­nen Schwei­zer Para­ple­gi­ker Verei­ni­gung SPV und Procap. Die drei Orga­ni­sa­tio­nen bilden zusam­men die Inter­es­sen­ge­mein­schaft IG Sport und Handicap.

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