
«Bist du im Team «Kaffee» oder «Mate»?» fragt youngÂCaÂriÂtas auf ihrem InstaÂgram-Kanal. Wer die nächste GeneÂraÂtion für FreiÂwilÂliÂgenÂarÂbeit für seine Projekte begeisÂtern will, muss sich auf ihren KanäÂlen beweÂgen. «Für uns ist es deshalb so wertÂvoll, dass wir auf Social Media gut präsent sind», sagt ​​Nora Engler, ProjektÂverÂantÂwortÂliÂche youngÂCaÂriÂtas. In den NGOs trefÂfen tradiÂtioÂnelle VorstelÂlunÂgen zur KommuÂniÂkaÂtion auf die GeneÂraÂtion, die in 15-SekunÂden-Tiktok-Videos kommuÂniÂziert. Das mag oberÂflächÂlich klinÂgen – oder als effiÂziÂent gelten. Auf jeden Fall muss, wer mit jungen Menschen kommuÂniÂzieÂren will, sich auf ihre Kanäle einlasÂsen. HerausÂforÂdernd kann es werden, wenn bestehende StrukÂtuÂren und ErfolgsÂreÂzepte in Frage gestellt werden. Es kann aber auch eine Chance sein. Eine OrgaÂniÂsaÂtion mit grosÂser TradiÂtion ist die Pfadi. Erst im verganÂgeÂnen Jahr trafen sich 30’000 Pfadis im BundesÂlaÂger. 500 ehrenÂamtÂliÂche Organisator:innen und 5000 Helfer:innen (Rover) machÂten dies möglich. Der GrünÂder der 1907 ins Leben geruÂfeÂnen Pfadi-OrgaÂniÂsaÂtion hatte einst das Motto geschrieÂben: «Jeden Tag eine gute Tat.» Dass die OrgaÂniÂsaÂtion auch nach über 100 Jahren die nächste GeneÂraÂtion abhoÂlen kann, hat sie nicht zuletzt einem Vorteil zu verdanÂken: Pfadfinder:innen werden früh eingeÂbunÂden und erhalÂten die MöglichÂkeit, VerantÂworÂtung zu überÂnehÂmen. Der ÜberÂgang von der Lagerteilnehmer:in zur Leiter:in ist fliesÂsend. Aber es besteht noch PotenÂzial bei der jungen GeneÂraÂtion. Gemäss dem FreiÂwilÂliÂgen-MoniÂtor Schweiz von 2020 engaÂgieÂren sich 33 Prozent der 15–29-Jährigen freiÂwilÂlig in einer OrgaÂniÂsaÂtion. Zehn Prozent davon bekleiÂden ein EhrenÂamt. Beides sind im Vergleich zu den andeÂren AltersÂgrupÂpen die tiefsÂten Werte. Der HöchstÂwert für ehrenÂamtÂliÂche TätigÂkeit erreiÂchen die 45–59-Jährigen. Er liegt bei 20 Prozent. Beim freiÂwilÂliÂgen EngaÂgeÂment insgeÂsamt erzielt die AltersÂgruppe 60–74 mit einem Anteil von 45 Prozent den Spitzenwert.
DigiÂtale Freiwilligen-Plattform
Die jüngere GeneÂraÂtion sucht aber auch MöglichÂkeiÂten, sich ausserÂhalb der bestehenÂden StrukÂtuÂren zu engaÂgieÂren. Und sie ist bereit, viel Zeit zu invesÂtieÂren. Cyrill Hermann hat extra ein Jahr Schule wiederÂholt, um sich gegen die KlimaÂkrise zu engaÂgieÂren. «Es ist eine enorme Arbeit, die wir freiÂwilÂlig und gratis leisÂten», sagt er. Die MöglichÂkeiÂten, sich in einer bestehenÂden NGO zu engaÂgieÂren, haben ihn nicht überÂzeugt. Ganz anders die KlimaÂstreik-BeweÂgung. Diese hat er auf Demos kennenÂgeÂlernt. Die einfaÂche ZugängÂlichÂkeit und die KommuÂniÂkaÂtion über Social Media haben ihn überÂzeugt: Er konnte einfach an die nächste VersammÂlung gehen und sich engaÂgieÂren. Diesen niederÂschwelÂliÂgen Zugang wollen auch Sabrina TrachsÂler und ChrisÂtian ScheÂfer vom Verein HelferÂherz mit der PlattÂform Karma Lama schafÂfen. Die Online-PlattÂform will die MöglichÂkeit für freiÂwilÂlige EngaÂgeÂments weiterÂentÂwiÂckeln und sichtÂbaÂrer machen. Seit Anfang SeptemÂber läuft der Pilot erst einmal in der Region Zürich. Sie wollen kein fertiÂges Produkt hinstelÂlen. Der partiÂziÂpaÂtive Ansatz ist ihnen wichÂtig. «Seit drei Jahren spieÂgeln wir unsere Idee mit FreiÂwilÂliÂgen, Expert:innen und NPOs und entwiÂckeln die Idee in WorkÂshops weiter», sagt ChrisÂtian ScheÂfer. Und Sabrina TrachsÂler fügt an: «FeedÂbacks sammeln ist für uns zentral. So können wir die PlattÂform an die effekÂtiÂven BedürfÂnisse anpasÂsen.» Mittels CrowdÂfunÂding haben sie die ErstÂverÂsion für einen PiloÂten in Zürich finanÂziert. Für die UmsetÂzung und SkalieÂrung werden sie aber weitere Mittel brauchen.
FlexiÂbel schnuppern
Damit der Match funkÂtioÂniert, müssen sich allerÂdings auch die OrgaÂniÂsaÂtioÂnen beweÂgen, die MöglichÂkeiÂten für FreiÂwilÂliÂgenÂarÂbeit an die BedürfÂnisse und ErwarÂtunÂgen der jungen GeneÂraÂtion anpasÂsen. «Junge PersoÂnen wollen sich nicht gleich für drei Monate jeden MittÂwochÂnachÂmitÂtag verpflichÂten», sagt Sabrina TrachsÂler. «Sie wollen ausproÂbieÂren und schnupÂpern. Sie wollen sich sponÂtan für ein EngaÂgeÂment entscheiÂden.» DesweÂgen arbeiÂten sie mit den NPOs zusamÂmen. GemeinÂsam mit den NPOs entwiÂckeln sie AngeÂbote für die PlattÂform, die zur ZielÂgruppe passen. Damit es bei CariÂtas gelingt, hat die HilfsÂorÂgaÂniÂsaÂtion mit youngÂCaÂriÂtas einen eigeÂnen Bereich mit einer breiÂten Palette an ProjekÂten geschafÂfen. Diese bieten verschieÂdene Stufen der PartiÂziÂpaÂtion. Die JugendÂliÂchen können ihr EngaÂgeÂment flexiÂbel gestalÂten. «Ein EngaÂgeÂment bei youngÂCaÂriÂtas passt in die ZeitÂpläne von jungen Menschen gut rein und jede:r kann sich
ihr/sein ideaÂles EngaÂgeÂment aussuÂchen», sagt Nora Engler, ProjektÂverÂantÂwort-
liche youngÂCaÂriÂtas. GleichÂzeiÂtig bietet die HilfsÂorÂgaÂniÂsaÂtion WeiterÂentÂwickÂlungsÂmögÂlichÂkeiÂten, WorkÂshops und verschieÂdene inforÂmaÂtive Anlässe an. Junge Menschen können neue KompeÂtenÂzen erlerÂnen und wichÂtige ErfahÂrunÂgen sammeln. youngÂCaÂriÂtas legt sehr grosÂsen Wert auf CommuÂnity-BuilÂding und Vernetzung.
Ein ErfahÂrungsÂgeÂwinn
Ganz ohne GegenÂleisÂtung bleibt die freiÂwilÂlige Arbeit nicht. Das zeigt das PfadiÂhemd von Thibault Béguin, PfadiÂleiÂter in der AbteiÂlung DuranÂdal, Val-de-Ruz. Es steckt voller ErinÂneÂrung. Auf seinem Hemd aufgeÂnäht sind die verschieÂdensÂten Badges, die an verganÂgene Lager und Events erinÂnern, und mit UnterÂschrifÂten sind BegegÂnunÂgen festÂgeÂhalÂten. Sie erzähÂlen die GeschichÂten von ErlebÂnisÂsen, die bleiben.


Nora Engler, youngÂCaÂriÂtas:
HerzensÂthema
«Wir bieten eine breite Palette an MitwirÂkungsÂmögÂlichÂkeiÂten an. So findet möglichst jede:r etwas. Dabei versuÂchen wir, Hürden zum EngaÂgeÂment so niedÂrig wie möglich zu halten. Junge Menschen engaÂgieÂren sich aus den unterÂschiedÂlichsÂten GrünÂden bei youngÂCaÂriÂtas: Sie wollen ihren HoriÂzont erweiÂtern oder sich für eine gerechÂtere GesellÂschaft engaÂgieÂren. Auch neue Menschen verschieÂdensÂter HinterÂgründe kennenÂzuÂlerÂnen, gemeinÂsam etwas aufzuÂbauen und voneinÂanÂder zu lernen, sind häufig genannte MotiÂvaÂtion. TeilÂweise spielt hinein, dass junge Menschen ihre KompeÂtenÂzen weiterÂentÂwiÂckeln möchÂten. Und schliessÂlich möchÂten sie sich oft für ein eigeÂnes HerzensÂthema einsetzen.»

ChrisÂtian ScheÂfer, HelferÂherz: dringÂliÂchere Motive
«Jüngere haben andere Motive. Sie wollen etwas selbst erfahÂren. Sie wollen Neues lernen, neue Menschen kennenÂlerÂnen. Die älteÂren FreiÂwilÂliÂgen wollen ihre FähigÂkeiÂten anwenÂden und weiterÂgeÂben. Und die JüngeÂren wollen mitbeÂstimÂmen und mitgeÂstalÂten. Sie wollen nach ihrer Meinung gefragt werden. Dabei spielt das Gefühl vom MiteinÂanÂderÂsein eine wichÂtige Rolle und vielÂleicht nehmen sie einen Freund oder eine KolleÂgin mit.»

Sabrina TrachsÂler, HelferÂherz: unterÂschiedÂliÂche Erwartungen
«Es braucht etwas, das für die jüngere GeneÂraÂtion stimmt und digiÂtal gut funkÂtioÂniert. Es braucht eine attrakÂtive, digiÂtale PlattÂform zur einfaÂchen VermittÂlung von FreiÂwilÂliÂgenÂarÂbeit. Aber nicht nur. Auch die OrgaÂniÂsaÂtioÂnen müssen den Wandel mitgeÂhen. Jüngere wollen einfaÂchere, flexiÂblere Einsätze, SchnupÂpern und die Aufgabe zuerst kennenÂlerÂnen und sich nicht direkt langÂfrisÂtig verpflichÂten. Wir wollen unsere PartÂnerÂorÂgaÂniÂsaÂtioÂnen schuÂlen. Wir unterÂstütÂzen sie dabei, wie sie die AngeÂbote für die PlattÂform am besten ausrichÂten, damit sie knackiÂger sind als heute.»

Thibault Béguin, scout: la prochaine génération
«Quand je suis devenu scout à douze ans, j’ai pu partiÂciÂper à des camps et me faire des amis et des amies. Plus tard, nous avons nous-mêmes pris nos responsaÂbiÂliÂtés et orgaÂnisé les camps. Le scouÂtisme, c’est du temps libre, des amitiés et du travail bénéÂvole. L’investissement bénéÂvole est énorme. Cela demande du temps et de l’énergie. Nous le faisons pour la prochaine généÂraÂtion. Nous voulons donner en retour ce que nous avons nous-mêmes reçu: les expéÂriÂenÂces que nous avons pu faire grâce à la généÂraÂtion précédente.»

Cyrill Hermann, KlimaÂstreik: weil niemand sonst es macht
«Das unterÂscheiÂdet die GeneÂraÂtioÂnen: In unseÂrer GeneÂraÂtion gibt es ein enorÂmes KrisenÂbeÂwusstÂsein. BusiÂness as usual geht nicht mehr. Wir verfolÂgen keine grosÂsen Ideen. Unsere FordeÂrung ist eigentÂlich das MiniÂmum: Wir wollen erreiÂchen, dass wir und unsere Kinder leben können und die Menschen, welche jetzt schon unter der KlimaÂkrise leiden, GerechÂtigÂkeit bekomÂmen. Wir machen das, weil es niemand anders macht und nicht weil es cool ist oder wir keine andeÂren Ideen hätten, was wir mit unseÂrer Jugend machen könnÂten. Die KlimaÂkrise ist seit über 45 Jahren wissenÂschaftÂlich bewieÂsen. Ich lebe seit 18 Jahren. Weil sich aber niemand darum gekümÂmert hat, muss sich unsere GeneÂraÂtion nun einsetÂzen. Dieses EngaÂgeÂment hätte ich mir schon von der letzÂten GeneÂraÂtion gewünscht, dennoch ist es noch nicht zu spät und wir fordern alle GeneÂraÂtioÂnen auf, sich dort einzuÂsetÂzen, wo sie können. Und ich hoffe, dass sich die nächste nicht auch mit einer exisÂtenÂziÂelÂlen Krise auseinÂanÂderÂsetÂzen muss. Der nächste KlimaÂstreik findet am 15. SeptemÂber weltÂweit in allen StädÂten statt und am 30. SeptemÂber rufen wir zur natioÂnaÂlen KlimaÂdemo in Bern auf.»

Nora Engler, youngÂCaÂriÂtas: gesellÂschaftÂlich relevant
«Bei youngÂCaÂriÂtas kommen Leute verschieÂdensÂter HinterÂgründe zusamÂmen und in der gemeinÂsaÂmen AuseinÂanÂderÂsetÂzung mit wichÂtiÂgen gesellÂschaftÂliÂchen Themen lernen wir viel voneinÂanÂder. Es ist bereiÂchernd und motiÂvieÂrend, mit so vielen jungen Menschen zusamÂmenÂzuÂarÂbeiÂten, die mit HerzÂblut dabei sind. Ich selbst leisÂtete während meines StudiÂums FreiÂwilÂliÂgenÂarÂbeit und hatte immer Freude daran, mich gemeinÂsam mit andeÂren Menschen für wichÂtige Themen einzusetzen.»

Cyrill Hermann, KlimaÂstreik: etwas bewegen
«Die KlimaÂstreik-BeweÂgung ist leicht zugängÂlich. Und ich kann etwas beweÂgen. TradiÂtioÂnelle NGOs kennen HierÂarÂchien und haben einen langÂsaÂmen AppaÂrat. Wir haben diese ErfahÂrung gemacht, wenn wir mit ihnen zusamÂmenÂarÂbeiÂten. Und sie sind inhaltÂlich zu KomproÂmisÂsen bereit. Das sehen wir kritisch, da es mit unseÂrer Zukunft und der reinen Physik, die dessen ausseÂhen bestimmt, keinen KomproÂmiss gibt. Wenn wir eine lebensÂwerte Zukunft für alle wollen, brauÂchen wir KlimaÂgeÂrechÂtigÂkeit und Netto-NuLL bis 2030.»
