Kippbild: Zeichnung «Meine Frau und meine Schwiegermutter», 1915, von William Ely Hill (1887–1962), englischer Cartoonist.

Schon beim Stif­ten an die nächste Gene­ra­tion denken

Auch in der Philanthropie gibt es ein Generationenproblem. Kinder haben oft andere Ideen als ihre Eltern. Stiftungen können hier Probleme schaffen: Auf die Eltern zugeschnitten, stehen sie quer in der Landschaft, wenn die Kinder an der Reihe sind. Was tun?

Die Kultur­ge­schichte lehrt, vom Ende her zu denken. «Alles, was ist, endet», singt Erda in Wagners «Rhein­gold», und schon Mephisto in Goethes «Faust» meinte: «Alles, was entsteht, ist wert, dass es zugrunde geht.» Dies gilt auch im Stif­tungs­we­sen. Wenn Stif­ter eine Stif­tung errich­ten, soll­ten sie an ihr eige­nes Ende denken. Man kann zwar nicht Stif­tun­gen, aber immer­hin die Kontrolle über sie «verer­ben», indem man vorsieht, dass Kinder in den Stif­tungs­rat einzie­hen, wenn die Eltern ausschei­den. Oder man kann ihnen Vermö­gen verer­ben, das bewusst nicht in eine Stif­tung einge­bracht wurde, um es den Kindern zu ermög­li­chen, mit ihm eigene Stif­tun­gen zu speisen.

Phan­tom­schmerz

Nicht selten leiden Nach­kom­men gegen­über von Eltern errich­te­ten Stif­tun­gen an einem persis­ten­ten Phan­tom­schmerz. Sie betrach­ten das Stif­tungs­ver­mö­gen als ihnen entzo­gen und ziehen daraus dann den recht­lich unrich­ti­gen, aber psycho­lo­gisch nicht ganz unver­ständ­li­chen Schluss, es handle sich eigent­lich um ihr eige­nes Vermö­gen, weshalb sie mehr als jeder andere legi­ti­miert seien, darüber zu verfü­gen. Dieser Schmerz kann wesent­lich gelin­dert werden, indem man den Kindern nicht einfach die eigene Stif­tung in die Hände legt, sondern eine solche mit einem Zweck, den sie selbst bestim­men können. Selten ist den Kindern haar­ge­nau dasselbe ein Anlie­gen wie ihren Eltern. Hinzu kommt in objek­ti­ver Sicht, dass sich die gesell­schaft­li­chen Bedürf­nis­la­gen laufend ändern. Nun verlangt das Stif­tungs­recht, dass der Stif­tungs­zweck grund­sätz­lich ein für alle Mal in der Stif­tungs­ur­kunde fest­ge­legt wird. Dies macht klugen Stifter:innen zur Aufgabe, schon bei der Grün­dung an das Ende des Zwecks oder sogar das Ende der Stif­tung zu denken, um ihren Nachfolger:innen einen objek­tiv und subjek­tiv erwünsch­ten phil­an­thro­pi­schen Neuan­fang zu ermög­li­chen. Dazu bieten sich insbe­son­dere folgende Möglich­kei­ten an:

Aufhe­bung der Stif­tung: Die Exis­tenz der Stif­tung wird auf die eigene Lebens- bzw. Wirkungs­zeit beschränkt, durch eine Stif­tung auf Zeit, eine Verbrauchs­stif­tung oder eine Stif­tung, die ohne weitere laufende Alimen­tie­rung wegen Vermö­gens­lo­sig­keit aufge­ho­ben werden muss. Die nächste Gene­ra­tion errich­tet dann ihrer­seits neue Stif­tun­gen mit selbst fest­ge­setz­ten Zwecken.

Zweck­än­de­rung: Der Stif­ter oder die Stif­te­rin behält sich eine Zweck­än­de­rung nach Art. 86a ZGB vor. Eine solche Zweck­än­de­rung kann dann aber nur vom Stif­ter oder der Stif­te­rin selbst, nicht von den Nach­kom­men initi­iert werden. Er oder sie muss die Zweck­än­de­rung demnach in Abspra­che mit den Nach­kom­men vornehmen.

Weiter Zweck: Der Stif­ter oder die Stif­te­rin kann eine Stif­tung mit weitem Zweck errich­ten und inner­halb dieses Zwecks Förder­schwer­punkte nach eige­nem Gusto verfol­gen. Nachfolger:innen können dann ihrer­seits eigene Förder­schwer­punkte festlegen.

Jedem Kind seine eigene Stif­tung: Denk­bar ist es auch, dass der Stif­ter oder die Stif­te­rin schon zu Lebzei­ten für jedes Kind eine eigene Stif­tung errich­tet oder jedes Kind eine eigene Stif­tung mit selbst gewähl­tem Zweck errich­ten lässt. Dies kann auch letzt­wil­lig gesche­hen, indem die Nach­kom­men als Erbschaft oder Vermächt­nis Vermö­gen zuge­wie­sen erhal­ten unter der Auflage, damit eine Stif­tung zu errichten.

Unselbst­stän­dige Stif­tung: Bei unselbst­stän­di­gen Stif­tun­gen unter dem Dach einer Dach­stif­tung kann der Zweck leich­ter als bei selbst­stän­di­gen Stif­tun­gen geän­dert werden. Der Stif­ter oder die Stif­te­rin kann einer Dach­stif­tung Vermö­gen zuwen­den mit der Auflage einer späte­ren Ausgrün­dung. Nach dem Tod oder aufgrund seines oder ihres Wunsches zu Lebzei­ten soll mit dem Vermö­gen eine selbst­stän­dige Stif­tung errich­tet werden, wobei diese Stif­tung nicht notwen­di­ger­weise densel­ben Zweck haben muss, den der ursprüng­li­che Fonds hatte. Denk­bar ist auch, statt der Grün­dung einer selbst­stän­di­gen Stif­tung die Etablie­rung neuer Fonds mit verän­der­ten Zwecken.

Fazit

Stif­tun­gen nicht nur auf die Bedürf­nisse späte­rer Gene­ra­tio­nen von Destinatär:innen, sondern auch auf die Wünsche, Ideen und Ideale der Nach­kom­men mass­zu­schnei­dern, ist eine beson­dere Form der Nach­lass­pla­nung, die schon beim Stif­ten ihren Platz hat. Die besten Lösun­gen finden sich auch hier im gene­ra­ti­ons­über­grei­fen­den Gespräch. Und wenn bisher von Kindern und Nach­kom­men gespro­chen wurde, so sind diese Begriffe nicht allein im fami­liä­ren Rahmen zu verste­hen, sondern in einen gesamt­ge­sell­schaft­li­chen Kontext zu stel­len: Stifter:innen soll­ten über sich hinaus und an die nächs­ten Gene­ra­tio­nen denken, unab­hän­gig davon, ob es sich um die persön­li­chen Kinder handelt. Für junge Stifter:innen beweg­li­chen Geis­tes gilt dies noch auf spezi­elle Weise, denn sie könn­ten sich als die nächste Gene­ra­tion gleich selbst erweisen. 

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