Die Kulturgeschichte lehrt, vom Ende her zu denken. «Alles, was ist, endet», singt Erda in Wagners «Rheingold», und schon Mephisto in Goethes «Faust» meinte: «Alles, was entsteht, ist wert, dass es zugrunde geht.» Dies gilt auch im Stiftungswesen. Wenn Stifter eine Stiftung errichten, sollten sie an ihr eigenes Ende denken. Man kann zwar nicht Stiftungen, aber immerhin die Kontrolle über sie «vererben», indem man vorsieht, dass Kinder in den Stiftungsrat einziehen, wenn die Eltern ausscheiden. Oder man kann ihnen Vermögen vererben, das bewusst nicht in eine Stiftung eingebracht wurde, um es den Kindern zu ermöglichen, mit ihm eigene Stiftungen zu speisen.
Phantomschmerz
Nicht selten leiden Nachkommen gegenüber von Eltern errichteten Stiftungen an einem persistenten Phantomschmerz. Sie betrachten das Stiftungsvermögen als ihnen entzogen und ziehen daraus dann den rechtlich unrichtigen, aber psychologisch nicht ganz unverständlichen Schluss, es handle sich eigentlich um ihr eigenes Vermögen, weshalb sie mehr als jeder andere legitimiert seien, darüber zu verfügen. Dieser Schmerz kann wesentlich gelindert werden, indem man den Kindern nicht einfach die eigene Stiftung in die Hände legt, sondern eine solche mit einem Zweck, den sie selbst bestimmen können. Selten ist den Kindern haargenau dasselbe ein Anliegen wie ihren Eltern. Hinzu kommt in objektiver Sicht, dass sich die gesellschaftlichen Bedürfnislagen laufend ändern. Nun verlangt das Stiftungsrecht, dass der Stiftungszweck grundsätzlich ein für alle Mal in der Stiftungsurkunde festgelegt wird. Dies macht klugen Stifter:innen zur Aufgabe, schon bei der Gründung an das Ende des Zwecks oder sogar das Ende der Stiftung zu denken, um ihren Nachfolger:innen einen objektiv und subjektiv erwünschten philanthropischen Neuanfang zu ermöglichen. Dazu bieten sich insbesondere folgende Möglichkeiten an:
Aufhebung der Stiftung: Die Existenz der Stiftung wird auf die eigene Lebens- bzw. Wirkungszeit beschränkt, durch eine Stiftung auf Zeit, eine Verbrauchsstiftung oder eine Stiftung, die ohne weitere laufende Alimentierung wegen Vermögenslosigkeit aufgehoben werden muss. Die nächste Generation errichtet dann ihrerseits neue Stiftungen mit selbst festgesetzten Zwecken.
Zweckänderung: Der Stifter oder die Stifterin behält sich eine Zweckänderung nach Art. 86a ZGB vor. Eine solche Zweckänderung kann dann aber nur vom Stifter oder der Stifterin selbst, nicht von den Nachkommen initiiert werden. Er oder sie muss die Zweckänderung demnach in Absprache mit den Nachkommen vornehmen.
Weiter Zweck: Der Stifter oder die Stifterin kann eine Stiftung mit weitem Zweck errichten und innerhalb dieses Zwecks Förderschwerpunkte nach eigenem Gusto verfolgen. Nachfolger:innen können dann ihrerseits eigene Förderschwerpunkte festlegen.
Jedem Kind seine eigene Stiftung: Denkbar ist es auch, dass der Stifter oder die Stifterin schon zu Lebzeiten für jedes Kind eine eigene Stiftung errichtet oder jedes Kind eine eigene Stiftung mit selbst gewähltem Zweck errichten lässt. Dies kann auch letztwillig geschehen, indem die Nachkommen als Erbschaft oder Vermächtnis Vermögen zugewiesen erhalten unter der Auflage, damit eine Stiftung zu errichten.
Unselbstständige Stiftung: Bei unselbstständigen Stiftungen unter dem Dach einer Dachstiftung kann der Zweck leichter als bei selbstständigen Stiftungen geändert werden. Der Stifter oder die Stifterin kann einer Dachstiftung Vermögen zuwenden mit der Auflage einer späteren Ausgründung. Nach dem Tod oder aufgrund seines oder ihres Wunsches zu Lebzeiten soll mit dem Vermögen eine selbstständige Stiftung errichtet werden, wobei diese Stiftung nicht notwendigerweise denselben Zweck haben muss, den der ursprüngliche Fonds hatte. Denkbar ist auch, statt der Gründung einer selbstständigen Stiftung die Etablierung neuer Fonds mit veränderten Zwecken.
Fazit
Stiftungen nicht nur auf die Bedürfnisse späterer Generationen von Destinatär:innen, sondern auch auf die Wünsche, Ideen und Ideale der Nachkommen masszuschneidern, ist eine besondere Form der Nachlassplanung, die schon beim Stiften ihren Platz hat. Die besten Lösungen finden sich auch hier im generationsübergreifenden Gespräch. Und wenn bisher von Kindern und Nachkommen gesprochen wurde, so sind diese Begriffe nicht allein im familiären Rahmen zu verstehen, sondern in einen gesamtgesellschaftlichen Kontext zu stellen: Stifter:innen sollten über sich hinaus und an die nächsten Generationen denken, unabhängig davon, ob es sich um die persönlichen Kinder handelt. Für junge Stifter:innen beweglichen Geistes gilt dies noch auf spezielle Weise, denn sie könnten sich als die nächste Generation gleich selbst erweisen.