Die Excellence Foundation Zurich fördert die Forschung und Lehre des Departments of Economics
an der Universität Zürich. Wie sehen Sie Ihre Rolle im Vergleich zur staatlich finanzierten
Forschung?
Katrin Polzer: Die Schweiz legt viel Wert auf Bildung und Forschung. Entsprechend erfreuen sich die hiesigen Bildungs- und Forschungsinstitutionen einer guten Grundfinanzierung durch den Staat. Warum reicht das nicht aus? Am Department of Economics sieht man in der Forschung ein enormes Informations- und Innovationspotenzial. Forscher*innen liefern Antworten auf drängende Fragen und finden neue Lösungsansätze für komplexe Probleme. Gleichzeitig intensiviert sich durch die Globalisierung der internationale Forschungswettbewerb. Trotzdem ist dem Department of Economics in den vergangenen zehn Jahren gelungen, sich zu einem international führenden Institut zu entwickeln. Es zählt seit einigen Jahren zu den Top drei Forschungsinstituten in Europa und mittlerweile zu den Top 20 weltweit. Ohne Drittmittelfinanzierung durch Spenden und Partnerschaften wäre diese Entwicklung nicht möglich gewesen. Forschung auf Spitzenniveau ist auf zusätzliche Mittel angewiesen. Der Zweck der Excellence Foundation Zurich ist es, genau hier einen Dialog zwischen Forschung, Wirtschaft und Gesellschaft zu fördern und die notwendigen Partnerschaften mit Unternehmen, Stiftungen und Privatpersonen zu pflegen.
Ohne Drittmittelfinanzierung durch Spenden und Partnerschaften wäre diese Entwicklung nicht möglich gewesen.
Katrin Polzer, Managing Director Excellence Foundation Zurich
Sie arbeiten mit Unternehmen aus der Privatwirtschaft genauso wie mit anderen Stiftungen
zusammen. Ist es schwierig, die richtigen Partner für Ihr Engagement zu begeistern?
Ökonominnen und Ökonomen beschäftigen sich heute mit viel differenzierteren Fragestellungen als
früher. Die Wirtschaftswissenschaften haben einen grundlegenden Wandel durchgemacht. Natürlich
gibt es immer noch die Forschung zu makroökonomischen Standardthemen wie Arbeitslosigkeit,
Inflation und Aussenhandel. Seit den 1980er Jahren aber haben sich die Themen und die Methoden
der Ökonomie stark verändert. Die empirische Forschung, und damit die gesellschaftliche Relevanz
der Forschung hat stark an Gewicht gewonnen. Dazu gehört auch, dass heute Ökonomen – allen
voran die Verhaltensökonomie ihre Erkenntnisse durch die experimentelle Methode generiert. In
diesem Bereich gehört auch das Department of Economics mit Professor Ernst Fehr und vielen
hervorragenden jüngeren Wissenschaftlern zu den weltweit führenden Institutionen. Heute stehen in
der Ökonomie Fragestellungen auf der Forschungsagenda, die für uns als Gesellschaft zentral sind:
Wie kann man durch Prävention in der frühkindlichen Entwicklung benachteiligten Kindern eine
bessere Zukunft ermöglichen? Wie sollen ethische Rahmenbedingungen im Umgang mit künstlicher
Intelligenz aussehen, so dass wir als Gesellschaft von der Digitalisierung bestmöglich profitieren
können? Wie können wir Fragen zur Migration oder zum Klimawandel gemeinsam lösen, ohne die
Gesellschaft zu spalten. All diese Fragen haben einen Einfluss darauf, wie sich unsere Wirtschaft und
Gesellschaft weiterentwickeln wird. Sie machen die Forschungsprojekte des Department of
Economics greifbar, weil sie uns alle angehen. Im Gespräch mit unseren Partner*innen merke ich, dass
sie für genau diese Themen brennen.
Wie wählen Sie die Schwerpunkte aus, die Sie fördern – wie stimmen Sie sich mit der Universität
ab?
Das Department of Economics hat für sich eine klare Ausrichtung erarbeitet, nämlich Antworten zu finden auf die fünf grossen globalen Herausforderungen, denen wir heute gegenüberstehen:
1. Entwicklung einer nachhaltigen Wirtschaft,
2. Bewältigung der digitalen Revolution,
3. Überwindung der Globalisierungskrise,
4. Reduktion von Armut und Ungleichheit und
5. Entwicklung effektiver Politikmassnahmen.
All diese Themen führen zunehmend zu politischen und sozialen Spannungen, die wir als demokratische Gesellschaft nicht ignorieren können. Gerade deswegen ist es notwendig, auf glaubwürdige Weise verlässliches und nachvollziehbares Wissen zu generieren, wie man diese globalen Herausforderungen bewältigen kann. Gerade die moderne Ökonomie kann hier mit ihren Methoden einen wichtigen Beitrag leisten.
Forschung soll unabhängig sein. Mit der Wahl ihrer Forschungsprojekte bestimmen Sie mit, was geforscht
wird. Sehen Sie hier einen Konflikt?
Forschung muss unabhängig sein. Das ist für die Universität Zürich, für das Department of Economics und auch für uns als Excellence Foundation Zurich die oberste Prämisse. Für eine gute Partnerschaft ist es essenziell, dass beide Parteien dieselben Erwartungen an eine Partnerschaft haben. Daher ist es unsere Aufgabe, dies mit potentiellen Partner*innen von Anfang an zu besprechen und die Freiheit der Forschung und Lehre auch vertraglich festzuhalten. Nach unserer Erfahrung sind jedoch Partner*innen, die sich im Bereich Forschung und Lehre engagieren, an unabhängigem, fundiertem und solidem Wissen interessiert. Welche Forschungsschwerpunkte und welche neuen Professuren gegründet werden sollen, bestimmt das Department of Economics selbst. Zentral ist hier die strategische Ausrichtung mit Fokus auf die oben beschriebenen fünf globalen gesellschaftlichen Herausforderungen unserer Zeit.
Nahezu alle Aspekte unseres Zusammenlebens als Gesellschaft haben in irgendeiner Form Auswirkungen auf unsere wirtschaftliche Situation.
Katrin Polzer, Managing Director Excellence Foundation Zurich
Sie fördern gezielt neue Wege der Zusammenarbeit mit der Wirtschaft. Sehen Sie dort besonderes
Potenzial, indem die Forschung mehr Austausch mit der Wirtschaft hat?
Der Zweck der Excellence Foundation Zurich ist nicht nur das klassische Fundraising, sondern auch den Dialog zwischen den Forschenden des Department of Economics, Wirtschaftsunternehmen, der Politik sowie der breiten Gesellschaft zu fördern. Allein können wir zwar neues Wissen schaffen, aber gemeinsam können wir etwas verändern. Deshalb sind wir davon überzeugt, dass Forschungsergebnisse und Lösungsansätze nicht an den Universitäten bleiben und nur unter Wissenschaftlern diskutiert werden dürfen. Die weltweit anerkannte Forschungsleistung des Departments of Economics muss auch die Basis für einen guten, wissenschaftsbasierten Dialog sein. Denn in einer zunehmend unübersichtlichen Informations- und Medienlandschaft ist heute verlässliches, nachvollziehbares und wissenschaftlich begründetes Wissen wichtiger denn je. Dass wir diesen Dialog auf wissenschaftlich höchstem Niveau hier in der Schweiz initiieren können, dass Weltklasse-Ökonomen hier an der Universität Zürich unsere Studierenden ausbilden, und diese wiederum später in der Schweizer Wirtschaft ihr Potential entfalten, darin sehen wir unsere lokale Verantwortung und den Wert einer guten Zusammenarbeit zwischen unserem Department und der Wirtschaft.
Die Excellence Foundation Zurich unterstützt das Department of Economics der Universität
Zürich und setzt auf interdisziplinäre Lösungen.
Nahezu alle Aspekte unseres Zusammenlebens als Gesellschaft haben in irgendeiner Form Auswirkungen auf unsere wirtschaftliche Situation. Wir dürfen nicht vergessen, dass die Volkswirtschaften, die sich bis heute entwickelt haben, zu den komplexesten Systemen gehören, die der Mensch geschaffen hat. Deshalb ist es so wichtig, dass Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler diese Komplexität interdisziplinär erfassen und erforschen. Ein gutes Beispiel für interdisziplinäre Forschung sind die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Bereich der Verhaltens- und Neuroökonomie am Department of Economics. Hier arbeiten Ökonomen, Psychologen, Neurobiologen und Sozialwissenschaftler Hand in Hand zusammen.
Sehen Sie die Wirtschaft als den stärksten Hebel, um auch in sozialen Herausforderungen
oder Nachhaltigkeitsthemen eine Wirkung zu erzielen?
Wir sind überzeugt, dass die Forschung des Departments of Economics von höchster Relevanz ist, um die aktuellen Herausforderungen zu lösen. Wirtschaftsunternehmen können in Veränderungsprozessen eine Vorbildfunktion einnehmen. Sie haben die Möglichkeit «voranzugehen», soziale Verantwortung zu zeigen und so die Gesellschaft mitzuprägen. Die Excellence Foundation Zurich hat sich zur Aufgabe gemacht, den Austausch zwischen dem Department of Economics und der Wirtschaft zu fördern. Indem wir die Erkenntnisse unserer Forschenden etwa in öffentlichen Veranstaltungen zugänglich und verständlich machen, kann unsere Forschung einen wichtigen Beitrag zur Veränderung leisten.
Ein grosses Thema ist aktuell das EU-Förderprogramm Horizon und der fehlende Zugang für
Schweizer Forschende. Sind Ihre Programme und die von Ihnen unterstützten Forschenden
betroffen?
Die wichtigste Komponente von Horizon sind die sogenannten ERC Grants. Das sind hochdotierte Forschungsgelder, die in der europäischen Forschungscommunity als «Champions League» bezeichnet werden. Ein Drittel unserer Professor*innen haben oder hatten bereits einen solchen ERC Grant erhalten, womit das Department of Economics an der Universität Zürich einen absoluten Spitzenrang in Europa belegt. Deshalb ist es für uns ein grosses Problem, dass die Schweizer Universitäten momentan nicht an Horizon und bei den Vergabeverfahren der ERC Grants teilnehmen können. Es ist essentiell, dass hier eine politische Lösung gefunden wird, und zwar aus mehreren Gründen: In erster Linie geht es um wichtige Forschungsgelder, die von zentraler Bedeutung sind, vor allem, wenn man sich auf Spitzenniveau bewegen möchte, so wie es das Department in den vergangenen Jahren getan hat. Ein ERC Grant ist jedoch auch eine grosse Auszeichnung für Forschende und ihre Institute. Wer einen ERC Grant erhält, gehört zu den Besten der Besten in Europa.
Wenn unsere Professor*innen an den EU-Programmen nicht mehr teilnehmen dürfen, finden wir vielleicht für die finanziellen Aspekte eine Schweizer Sonderlösung, aber wir verlieren an Wettbewerbsfähigkeit und langfristig auch Talente an EU Länder.
Katrin Polzer, Managing Director Excellence Foundation Zurich
Und wie in der Wirtschaft stehen auch Universitäten in einem ständigen Wettbewerb. Wir wollen die besten Forschenden und die besten Studierenden zu uns nach Zürich holen und dort halten – Talente, die ihr Potential am Bildungs- und Wirtschaftsstandort Schweiz entfalten. Spitzenforschende möchten nicht nur an grossen europäischen Forschungsprojekten teilnehmen, sie wollen diese Projekte initiieren und leiten. Wenn unsere Professor*innen an den EU-Programmen nicht mehr teilnehmen dürfen, finden wir vielleicht für die finanziellen Aspekte eine Schweizer Sonderlösung, aber wir verlieren an Wettbewerbsfähigkeit und langfristig auch Talente an EU Länder.
Können Sie Ihre Fördertätigkeit anpassen, um die fehlenden Horizon-Mittel teilweise zu
kompensieren?
Natürlich werden wir unserem Stiftungszweck so ambitioniert wie möglich nachkommen, um das Department of Economics bei seinen Forschungsprojekten, bei der Gründung neuer Forschungszentren, Professuren und Stipendien zu unterstützen. Die Lücke, die durch die fehlenden Horizon-Mittel entsteht, hat jedoch eine Grössenordnung, die jetzt und heute durch die Excellence Foundation Zurich nicht geschlossen werden kann. Zusammen mit dem Department bauen wir auf den Schweizer Nationalfond, um dies finanziell abzufedern. Uns geht mittelfristig, wie oben beschrieben, jedoch unsere europäische Vernetzung und Reputation verloren.
Sehen Sie Stiftungen wie die ETH Foundation oder die UZH Foundation eher als Konkurrentinnen,
etwa bei der Mittelbeschaffung, oder als Partnerinnen im Anliegen, den Forschungsstandort zu
fördern?
An der Universität Zürich hat die Excellence Foundation Zurich vor zehn Jahren im Bereich Fundraising Pionierarbeit geleistet. Dies mit einem klaren Fokus auf die Ökonomie. Die später gegründete UZH Foundation und die ETH Foundation sind in Bezug auf ihre disziplinäre Ausrichtung breiter aufgestellt. Mit der UZH Foundation arbeiten wir eng zusammen. Wir teilen dieselbe Ambition, die Forschung und Lehre an der Universität Zürich in so vielen Disziplinen wie möglich voranzutreiben und unsere gesellschaftliche Verantwortung als Forschungs- und Bildungsinstitution wahrzunehmen.