The Philanthropist: Vor 50 Jahren hat der Club of Rome die viel diskuÂtierte Schrift «die GrenÂzen des WachsÂtums» publiÂziert. Was hat sich seitÂher verändert?
Carlos AlvaÂrez Pereira: Zum JubiÂläum haben wir das Buch «Limits and beyond» herausÂgeÂgeÂben. Die PubliÂkaÂtion behanÂdelt den riesiÂgen Impact von «die GrenÂzen des WachsÂtums» vor 50 Jahren. Sie blickt aber auch in die Zukunft. Und sie stellt die Frage, was sich nicht veränÂdert hat? Wir haben den Sinn von VeränÂdeÂrung nicht gelernt. Oder anders gesagt, was wir schon seit 50 Jahren wissen, aber nicht geänÂdert haben?
Was motiÂviert Sie heute noch?
Mamphela Ramphele: Die SehnÂsucht und der Glaube, dass das Leben besser sein kann und soll. Und dass die Menschen die FähigÂkeit haben, auch das zu lernen, was sie nicht lernen wollen.
Was heisst das?
MR: Es ist bequem, nicht zu lernen. Denn sonst müssÂten wir handeln aufgrund dessen, was wir gelernt haben. Wir haben Angst vor den KonseÂquenÂzen, vor den AktioÂnen, die wir ergreiÂfen müssten.
Das klingt wenig hoffnungsvoll.
MR: Ich glaube, der Fakt, dass die Menschen WiderÂstand gegen den Wandel leisÂten, ist das letzte HinderÂnis vor dem DurchÂbruch. Die Menschen sind kein hoffÂnungsÂloÂser Fall. Die junge GeneÂraÂtion von heute wird nicht damit zufrieÂden sein, dass es noch zehn Jahre dauert, bis etwas passiert. Sie wollen den Wandel im Jetzt.
Es ist bequem, nicht zu lernen. Denn sonst müssÂten wir handeln aufgrund dessen, was wir gelernt haben.
Mamphela Ramphele, Co-PräsiÂdenÂtin Club of Rome.
Das bestärkt sie, weiterzumachen?
MR: Das Wissen, dass Wandel möglich ist, ist schon hier. Es zeigt sich überÂall in kleiÂnen Funken. Menschen, die kommuÂniÂzieÂren, zeigen, wo Erfolge passieÂren, und sie inspiÂrieÂren andere Menschen. Wir dürfen nicht nur GefahÂren und Krisen sehen. Der Club of Rome sollte noch verstärkt als KataÂlyÂsaÂtor wirken, um einen umfasÂsenÂdeÂren und tiefÂgreiÂfenÂdeÂren Wandel zu fördern.
Wo steht der Club of Rome heute?
CAP: 2018 haben wir eine neue StraÂteÂgie erarÂbeiÂtet. Wir haben uns überÂlegt, was wir die nächsÂten 50 Jahre erreiÂchen wollen. Was können wir besser machen, wie bekomÂmen wir mehr Einfluss und wie werden wir wieder releÂvanÂter? Und uns war klar, was wir nicht wollen: Dass wir riskieÂren, ein Wiener KaffeeÂhaus zu werden.
Das heisst?
CAP: Wir dürfen nicht wie in einem Wiener KaffeeÂhaus dasitÂzen, warten bis jemand vorbeiÂkommt, um einfach gute DiskusÂsioÂnen haben. DesweÂgen wollen wir proakÂtiÂver werden und verstärkt mit andeÂren OrgaÂniÂsaÂtioÂnen zusamÂmenÂarÂbeiÂten. Hierzu haben wir die neue StraÂteÂgie defiÂniert, die verschieÂdene DimenÂsioÂnen integriert.
Wie sieht die neue StraÂteÂgie aus?
CAP: Wir haben unsere AktiÂviÂtäÂten in themaÂtiÂsche BereiÂche geglieÂdert, die wir als Hubs bezeichÂnen und die von der DringÂlichÂkeit des AuftauÂchens aus den zahlÂreiÂchen planeÂtaÂriÂschen NotlaÂgen der MenschÂheit angeÂtrieÂben werden. Die fünf Hubs sind: PlaneÂtary EmerÂgency; Reframing EconoÂmics; RethinÂking Finance; EmerÂging New CiviÂlizaÂtiÂons InitiaÂtive und Youth LeaderÂship and InterÂgeÂneÂraÂtioÂnal DialoÂgues. Der themaÂtiÂsche Ansatz erleichÂtert uns die MobiÂliÂsieÂrung, da sich vor allem bestehende MitglieÂder für ein bestimmÂtes Thema, bspw. FinanÂzen, engaÂgieÂren können. So können wir einfaÂcher mit andeÂren OrgaÂniÂsaÂtioÂnen KoopeÂraÂtioÂnen eingeÂhen und für Themen gezielt AgenÂden erarÂbeiÂten. Und wir wollen mehr aus unseÂrer Präsenz in der Schweiz machen.
Der Club auf Rome ist in der Schweiz?
CAP: Seit 2008 ist unser Sitz in Winterthur.
MR: In der Schweiz gibt es viele OpporÂtuÂniÂtäÂten, weil sie neutral ist. AusserÂdem sind in Genf viele interÂnaÂtioÂnale OrgaÂniÂsaÂtioÂnen vertreÂten. Und schliessÂlich erleÂben wir global eine Krise der GoverÂnance. Die Schweiz offeÂriert ein Modell der partiÂziÂpaÂtiÂven DemoÂkraÂtie als Beispiel.
WeltÂweit aktiv aus der Schweiz heraus.
MR: Es ist wichÂtig, überÂall vor Ort zu sein, um die angeÂmesÂseÂnen Lehren zu ziehen – das hat uns die PandeÂmie gezeigt. Die ganze Welt war betrofÂfen, aber der Impact war von Ort zu Ort unterschiedlich.
Unsere MassÂnahÂmen liefern nicht die ResulÂtate, die wir erwarten.
Carlos AlvaÂrez Pereira, VizeÂpräÂsiÂdent Club of Rome.
Was heisst das für den Club of Rome?
MR: Als Club of Rome ist es wichÂtig, was wir aus der PandeÂmie gelernt haben. Das VersaÂgen der Länder mit hohem EinkomÂmen, ImpfÂstoffe zu teilen, statt sie zu horten und verfalÂlen zu lassen, zeigt, wie drinÂgend es ist, neu zu lernen, wie man in einer vernetzÂten und voneinÂanÂder abhänÂgiÂgen Welt Mensch sein kann. Die VielÂfalt der ErfahÂrunÂgen birgt auch eine große WeisÂheit, aus der wir lernen können.
CAP: Wir müssen diese WeisÂheit nutzen. Es ist Zeit, aufzuÂhöÂren, so zu tun, als ob wir glauÂben würden, dass unsere MassÂnahÂmen funkÂtioÂnieÂren, dass eine Agenda 2030 reicht. Unser Planet ist kaputt. Wir begeÂhen SelbstÂmord. Unsere MassÂnahÂmen liefern nicht die ResulÂtate, die wir erwarÂten. Das Problem ist, die MassÂnahÂmen sind von derselÂben Denke geschafÂfen, welche die ganzen Probleme erst erschafÂfen haben. Die LösungsÂanÂsätze basieÂren auf derselÂben koloÂniaÂlisÂtiÂschen DenkÂweise, die vom KommanÂdieÂren und KontrolÂlieÂren der Natur ausgeht und die Menschen zum KonsuÂmieÂren antreibt. Und es ist der Versuch, dieses KonsuÂmieÂren zu retten.
Was sollte man stattÂdesÂsen tun?
CAP: Es ist die Mission des Club of Rome zu hinterÂfraÂgen, wo sind wir und weshalb funkÂtioÂniert es nicht? Wie hängt dies mit unseÂrer Kultur und GeisÂtesÂhalÂtung zusamÂmen und was können wir tun. Und jetzt können wir diese Fragen auf die Schweiz herunterbrechen.
Was bedeuÂtet dies für die Schweiz?
CAP: Auf den ersten Blick ist die Schweiz das ParaÂdies auf Erden, schöne Natur, WohlÂstand, pünktÂliÂche Züge.
Aber …
CAP: … wenn wir etwas tiefer graben erkenÂnen wir, dass das Modell gebrechÂliÂcher ist, weil sich die Welt so schnell veränÂdert und es so viele SpanÂnunÂgen gibt. Das erste Mal, dass mich der KlimaÂwanÂdel übriÂgens emotioÂnal berührt hat, war, als mich ein Kollege fragte: Du weisst, dass die GletÂscher in der Schweiz schmelzen?
Aber welche DenkÂweise braucht es denn?
CAP: Bei der EnerÂgieÂwende gibt es die Haltung, wir müssen von fossiÂlen EnerÂgieÂträÂgern auf erneuÂerÂbare umstelÂlen. Der Rest ist okay. Unsere LebensÂweise funkÂtioÂniert. Das ist die domiÂnieÂrende Ansicht. Wir brauÂchen nur techÂniÂsche LösunÂgen und ökonoÂmiÂsche Anreize.
Das funkÂtioÂniert aus Ihrer Sicht nicht?
CAP: Diese Ansicht missÂachÂtet, dass wir auf einem PlaneÂten mit endliÂchen RessourÂcen leben. Wenn wir immer mehr konsuÂmieÂren wollen, sind wir verdammt. Also müssen wir die Frage ändern.
Wie heisst die Frage?
CAP: Wir müssen fragen, was war zuerst? Was prägt den menschÂliÂchen WohlÂstand, unser WohlÂbeÂfinÂden? Sind wir hier, um EnerÂgie zu konsuÂmieÂren? Wir müssen den Raum der Frage ändern. Und die Antwort kennen wir seit EwigÂkeiÂten. Was unseÂren WohlÂstand und unser WohlÂbeÂfinÂden ausmacht ist die QualiÂtät unseÂrer BezieÂhunÂgen zu andeÂren Menschen, das Leben und die Zeit, und wie wir mit den verganÂgeÂnen und zukünfÂtiÂgen GeneÂraÂtioÂnen umgehen.
Die VielÂfalt der ErfahÂrunÂgen birgt eine große Weisheit.
Mamphela Ramphele, Co-PräsiÂdenÂtin Club of Rome.
MR: Wir müssen unsere Messung von WohlÂstand und EntwickÂlung hinterÂfraÂgen. Ist die Schweiz höher entwiÂckelt als Südafrika? Auf welcher Basis urteiÂlen wir? Wie defiÂnieÂren wir, was ein gutes Leben ist? Als ich bei der WeltÂbank war verfolgÂten wir das Ziel, Afrika zu elekÂtriÂfiÂzieÂren. Wenn man nachts über Afrika flog, war alles dunkel. Wenn man in Europa erreichte, war alles Licht. Aber es waren leerÂsteÂhende BüroÂgeÂbäude, beleuchÂtet in der Nacht – eine EnerÂgieÂverÂschwenÂdung. Es ging nur darum, Grösse zu zeigen, indem man EnerÂgie-RessourÂcen verbrennt und die LichÂter brenÂnen lässt. Diese MentaÂliÂtät brachte der KoloÂniaÂlisÂmus nach Afrika. Und wir verfolÂgen sie trotz EnerÂgieÂknappÂheit. Wir sollÂten zum StartÂpunkt zurückÂkehÂren – worauf es im Leben ankommt, ist das Leben selbst und die QualiÂtät unseÂrer Beziehungen.
Wie erreiÂchen wir das?
CAP: Die schlimmsÂten Ketten sind unsere GedanÂken – vor allem wenn sie golden sind. Wir leben in priviÂleÂgierÂten SituaÂtioÂnen. Wir haben uns gemütÂlich instalÂliert. Wenn wir überÂleÂgen, wir müssen weniÂger konsuÂmieÂren, interÂpreÂtieÂren wir das als Verlust. Aber wir müssen es als Gewinn versteÂhen, wenn wir uns von mateÂriÂelÂlen Dingen befreien. Der Club of Rome will als KataÂlyÂsaÂtor wirken. Er will zeigen, was bereits passiert und dass es schon Menschen gibt, die sich von ihren geisÂtiÂgen Ketten befreien.
MR: Wir müssen uns insbeÂsonÂdere vom Begriff Best PracÂtice lösen. Best PracÂtice für wen? Und der philÂanÂthroÂpiÂsche Sektor sollte selbst die Frage stelÂlen, wie können wir als Teil der MenschÂheit uns in lebensÂbeÂdrohÂliÂchen SituaÂtioÂnen engaÂgieÂren, um die Zukunft unseÂrer eigeÂnen Kinder zu sichern und die QualiÂtät des Lebens verbessern.