Nach 15 Jahren verlässt Beate Eckhardt SwissFoundations. Die Geschäftsführerin des grössten Schweizer Verbandes für gemeinnützige Förderstiftungen
blickt auf die wichtigsten Projekte zurück und spricht über ihre Zukunft.
Ende Juni tritt Beate Eckhardt als Geschäftsführerin von SwissFoundations zurück. Ausgerüstet mit einem grossen Rucksack an beruflicher Erfahrung ist sie vor gut 15 Jahren in das Abenteuer SwissFoundations gestartet. Die Macherin ist von Haus aus Germanistin sowie Sozialwirtschaftshistorikerin und hält einen Executive Master in Communications Management der Universität Lugano. Sie hatte eben in Winterthur als selbständige Beraterin die vierte internationale Schule im Kanton Zürich auf den Weg gebracht – eine gemeinnützige AG und eine Stiftung –, als sich die Gelegenheit für das Teilzeitmandat als Geschäftsführerin von SwissFoundations ergab. Einen Monat nach dem Start kam im Februar ihr drittes Kind zur Welt.
Sie befinden sich am Ende Ihrer Amtszeit. Ist an einen geregelten Abschluss überhaupt zu denken oder waren Ihre vergangenen Wochen vom Coronavirus dominiert?
Die letzten Wochen waren tatsächlich turbulent und hochspannend.
Statt in Basel das Schweizer Stiftungssymposium 2020 durchzuführen – notabene der grösste Branchentreff des Schweizer Stiftungssektors –, mussten wir uns rasch und sehr flexibel auf die Covid-19-Pandemie und die daraus entstehenden Herausforderungen für die Gesellschaft und unsere
Mitglieder einstellen. In wenigen Wochen haben wir Handlungs- und Solidaritätsempfehlungen für gemeinnützige Förderstiftungen publiziert,
eine Covid-19-Landingpage (www.swissfoundations.ch/covid-19) lanciert, Orientierungshilfen zu den staatlichen Notfalltöpfen und verschiedenen Governance-Fragen herausgegeben und für unsere Mitglieder über 17 Zoom-Webinare zu Themen wie Förderung, Stiftungsarbeit, Finanzen, Recht und Kulturförderung im Speziellen organisiert. Normalität sieht anders aus. Wir haben unendlich
viel gelernt – im Team und gemeinsam mit unseren Mitgliedern, die rasch, unbürokratisch und sehr kooperativ auf die Krise reagiert haben. Das hat mich tief beeindruckt.
Wie haben Sie SwissFoundations (SF) und die Stiftungswelt vor rund 15 Jahren angetroffen?
Die Organisation war klein, gerade mal vier Jahre alt und zählte etwa 15 Mitglieder. Ein ideales und spannendes Mandat mit grossem Potenzial. Ein Umfeld, das entwickelt werden konnte. Das reizte mich. Der Stiftungssektor war damals noch wenig entwickelt. Man hatte in der Öffentlichkeit noch kaum eine Vorstellung, was dieser Sektor bedeutet.
Da waren Sie als Generalistin mit profunden strategischen Kommunikationskenntnissen und dem Wissen, wie eine Stiftung funktioniert, genau richtig.
Vielleicht. Das Profil hat sich in den letzten Jahren allerdings stark verändert. Künftig wird sicher vermehrt sektorübergreifend agiert werden. Dies wird gerade auch von SwissFoundations eine noch stärkere inhaltliche Themenführerschaft und Leadership verlangen. Kooperationen und intersektorielle Zusammenarbeit werden zwei der grossen Themen der Zukunft sein. Das spüren wir bereits heute bei der Zusammenarbeit mit der öffentlichen Hand.
Sie arbeiten mit der öffentlichen Hand zusammen?
Von SwissFoundations aus versuchen wir aktiv den Kontakt zu Bundes- und kantonalen Stellen herzustellen, wie übrigens auch zu den thematisch gegliederten parlamentarischen Gruppen. In den Kantonen arbeiten wir vor allem mit den Steuer- und Aufsichtsbehörden zusammen, auf der Bundesebene bestehen gute Kontakte zum Bundesamt für Kultur (BAK)sowie der Direktion für Entwicklungszusammenarbeit DEZA. Wenn ich beobachte, was da passiert, bin ich sehr zuversichtlich, dass es künftig vermehrt zu befruchtenden komplementären Kooperationen kommen wird. Wir dürfen nicht vergessen, der Staat ist finanziell gesehen in den allermeisten Themengebieten übermächtig. Stiftungen können dafür als Experimentierlabor der Gesellschaft funktionieren. Der Staat kann gewissermassen Rosinen picken, weil er beobachten kann, was funktioniert und was nicht. Betrachten wir die Geschichte, stellen wir fest, dass zum Beispiel im Bildungsbereich die allermeisten Innovationen aus Privatinitiativen entstanden sind. Genau das ist die grosse Chance.
Wie ist SwissFoundations in diese Rolle gekommen?
Eine der ganz grossen Stärken von SwissFoundations ist ihr klares Profil. Der Fokus auf die Förderstiftungen hat sich bewährt. Wir haben uns nie verzettelt. Wir können uns auf die wichtige Frage konzentrieren, wie privates Vermögen gesellschaftlich am besten und wirkungsvollsten eingesetzt werden kann. Dazu gehören viele unterschiedliche Aspekte, von den gesetzlichen und regulatorischen Rahmenbedingungen über Governance-Themen bis hin zur Vermögensbewirtschaftung und Förderarbeit. Wir konnten für unsere Mitglieder einen Kontext und einen Vertrauensraum schaffen, der heute wertgeschätzt wird. Gleichzeitig wirken wir mit unseren klaren Haltungen, Stellungnahmen und unserer Kommunikationsarbeit weit in die Öffentlichkeit und Politik hinein.
Wann kommt ein nächster Schritt, bspw. die Kooperation mit der Privatwirtschaft?
Ich glaube, das wird der nächste sektorübergreifende Schritt sein. Ein Blick in die Unternehmenswelt zeigt, dass sich heute viele Firmen fragen, welche Verantwortung sie an einem Standort tragen, wie sie ein Good Citizen sein können. Es gibt Stiftungen, die Unternehmensanteile halten, oder Unternehmen, die Corporate Foundations gründen. Der Kreis Staat, Wirtschaft und Stiftungen wird sich schliessen.
Und welche Rolle werden die Stiftungen hier spielen?
Die Stiftungen sind auf diesen nächsten Schritt gut vorbereitet. Sie sammeln Erfahrungen und mit jedem neuen Projekt werden sie kooperationserfahrener und ‑freudiger. Wir sehen bei SwissFoundations, dass sehr viel mehr Kooperationen eingegangen werden. Neu beobachten wir Kooperationen mit gemeinsamer Themensetzung, die weitaus mehr sind als Co-Finanzierungen. Gerade in den letzten Monaten sind so bspw. zwei neue Initiativen im Bereich Alter entstanden.
Gibt es ein weiteres Beispiel?
Eines der ersten Beispiele war die Gründung des Center for Philanthropy Studies (CEPS). Es war eine der allerersten kooperativen Initiativen mit gemeinsamer Themensetzung in der Schweiz. Sechs Stiftungen – Ernst Göhner Stiftung, Sophie und Karl Binding Stiftung, Avina Stiftung, Christoph Merian Stiftung, Gebert Rüf Stiftung, GGG Basel – haben die Finanzierung übernommen und SwissFoundations die Koordination. Die Stiftungen haben sich zusammengeschlossen und gesagt: Jawohl, wir wollen uns in der Schweiz ein kleines, universitäres, international bestens vernetztes und interdisziplinär ausgerichtetes Forschungszentrum leisten. Zu meiner grossen Freude wird heute geforscht und erfolgreich ausgebildet.
Ein wichtiger Meilenstein in der Geschichte von SwissFoundations?
Ja, zweifelsohne. Denn schon damals waren Idee und Prozess ein innovatives Vorgehen. SwissFoundations hat vier Universitäten eingeladen, an einer Ausschreibung mit unabhängiger Jury teilzunehmen. Angeschrieben wurden nicht einzelne Professoren, sondern die Rektorate. Zur Verfügung standen 2,5 Millionen Franken. Den Zuschlag erhalten hat die Universität Basel, mit Georg von Schnurbein als Konzeptentwickler. Seither hat sich viel getan. Stiftungen wollen etwas bewegen und einen gesellschaftlichen Mehrwert schaffen. Die Arbeit des CEPS hat massgeblich zu dieser Entwicklung beigetragen. Die Frage nach der Gesamtwirkung einzelner Stiftungen hat zur Professionalisierung des Sektors geführt. Das CEPS hat sich damit eine internationale Ausstrahlung erarbeitet und die Zusammenarbeit über die Grenzen hinweg etabliert. Heute gehört das CEPS zu den renommiertesten europäischen Wissenschaftszentren in den Bereichen Philanthropie und Stiftungen.
SwissFoundations sieht sich demnach stark in der Rolle einer Enablerin?
Genau. Wenn wir der Meinung waren, dass es eine Entwicklung braucht, hatten wir nie das Gefühl, wir müssten alles innerhalb des Verbandes halten. Das ist auch eine unserer Stärken. Wir haben von Anfang an auf «smart cooperations» gesetzt: mitgründen und ausgliedern. Andere Beispiele sind das SwissFoundations Legal Council oder das Senior-Expert-
Beratungsnetzwerk. Das Legal Council unterstützt SwissFoundations bspw. bei Vernehmlassungen und das Beratungsnetzwerk steht Neustifterinnen und ‑stiftern sowie unseren Mitgliedern mit einem monatlichen Helpdesk für juristische und strategische Fragen zur Verfügung.
Wie ist SF auf der europäischen Ebene vernetzt?
Wir sind Mitgründerin des Donors and Foundations Networks in Europe (DAFNE). Dieses Netzwerk besteht aus 30 nationalen Stiftungs- und Geberverbänden und vertritt über 10’000 gemeinnützige Stiftungen in ganz Europa. Das Netzwerk ist gleichzeitig Inspiration und Frühwarnsystem. Hier haben wir viel investiert und es zahlt sich in der aktuellen Krise aus. Wir konnten uns schnell mit anderen Stiftungsverbänden kurzschliessen und gemeinsam voneinander lernen. Besonders wichtig ist für uns aber vor allem die politische Advocacy- und Lobbyingarbeit, die wir gemeinsam mit DAFNE und dem European Foundation Center (EFC) auf EU-Ebene sowie bei der OECD betreiben. Neben DAFNE sind wir Kooperationspartner des EFC sowie der European Venture Philanthropy Association EVPA und Mitglied beim weltweiten Verbandsnetzwerk Wings.
Mit dem Swiss Foundation Code hat SF einen richtungsweisenden Leitfaden verfasst.
SF ist die Herausgeberin und Trägerin des Codes. Geschrieben haben wir ihn aber nicht. Von Anfang an gab es eine klare Aufgabenteilung. Auch hier hat sich die partizipative Arbeitsweise von SF ausbezahlt. Für die erste Ausgabe konnten drei Experten aus Wissenschaft, Praxis und Recht für die Entwicklung dieses ersten europäischen Governance-Codes für Förderstiftungen überzeugt werden. Thomas Sprecher und Philipp Egger waren die eigentlichen Väter. Georg von Schnurbein ist später dazugestossen.
Was leistet der Code?
Er gibt Hilfestellungen und formuliert Best Practices: Was muss man berücksichtigen, wenn man eine Stiftung gründet und führt? Gegliedert ist der Code in drei Prinzipien und 29 Empfehlungen. Bei der dritten Ausgabe 2015 wurde insbesondere der Punkt zu den Kapitalanlagen kontrovers diskutiert. Es gab legitime Vertreterinnen und Vertreter des Standpunkts, dass es Aufgabe einer Stiftung sei, mit ihren Anlagen möglichst viel Ertrag zu generieren, um den Stiftungszweck langfristig umzusetzen, unabhängig davon, wie sich die Vermögensanlage ausgestaltet. Im Code wird jedoch die Haltung vertreten, dass eine Stiftung eine Wirkungseinheit ist und sowohl mit ihrer Vermögensanlage als auch mit ihrer Förderung wirkt bzw. wirken kann – und zwar sowohl positiv als auch negativ. Heute ist diese Diskussion mehr oder weniger durch. Es hat sich die im Code vertretene Meinung durchgesetzt, dass Anlegen und Zweck zwei Seiten derselben Medaille sind und sich nicht gegenseitig in ihrer Wirkung aushebeln dürfen.
Braucht es keine Einigkeit?
Unterschiedliche Meinungen bei den Mitgliedern müssen wir aushalten. Wir wollten weder eine Zertifizierungsstelle noch eine Stiftungspolizei werden. Deshalb enthält der Code Empfehlungen. Und deshalb kann er so gehaltvoll sein. Ein Set für alle relevanten Fragen mit Fleisch am Knochen und nicht ein One-size-fits-all.
Wie steht es mit den kollaborativen Ansätzen? War SF von Anfang an hierarchisch flach aufgestellt oder hat sich mit dem Wandel der Arbeitswelt auch SF verändert?
Wir können uns nicht auf die Fahne schreiben, «early movers» von einer Design-Thinking-Organisation zu sein. Aber wir haben stets kluge Opportunitäten genutzt. Wir haben einfach gemacht. Ich musste nicht bis zum letzten Komma alles festgeschrieben haben, bevor ich mit etwas startete. Einen zusätzlichen Schub haben wir bei SF mit unseren digital erfahrenen, jüngeren Teammitgliedern erhalten. Von deren Kompetenzen und Elan hat die Organisation unglaublich profitiert.
Auf wessen Initiative ist SwissFoundations eigentlich entstanden?
SwissFoundations ist aus der damaligen Arbeitsgemeinschaft für gemeinnützige Stiftungen entstanden, die sich später in proFonds umbenannt hat. Einige Geschäftsführer von Förderstiftungen haben sich zusammengeschlossen, um ihre Erfahrungen auszutauschen. Ihnen war klar, sie brauchten Peers für den fachlichen Austausch. Man muss bedenken, zum damaligen Zeitpunkt gab es noch keine klaren Vorstellungen, wie man eine Stiftung bestmöglich führt und wie man wirkungsvoll fördert. Es standen viele Fragen im Raum. Etwa «nach welchen Managementgrundsätzen soll ich meine Stiftung führen?» Infrage kamen KMU‑, Management-Richtlinien oder Corporate-Ansätze. Es entstand das Bedürfnis nach einem Vertrauensraum, in welchem sich Vertreter gemeinnütziger Förderstiftungen über spezifische Themen wie Förderstrategien und ‑arbeit, Vermögensbewirtschaftung, Good Governance etc. unterhalten konnten.
Der Verband ist nun 15 Jahre alt, gewissermassen in der Pubertät …
… (lacht.) in der wilden Phase.
Die wilde Phase?
Ich glaube, der sind wir langsam entwachsen. Vor fünf Jahren hat SF einen regelrechten Wachstumsschub erlebt. Die Pluralität hat zugenommen und ebenso das Know-how. Unsere Mitgliedschaft ist heute sehr divers. Wir vertreten kleine und sehr grosse Stiftungen: Neben klassischen Förderstiftungen sind auch operative Stiftungen oder Corporate Foundations Mitglieder. Unsere Mitglieder und assoziierten Partner fördern mittlerweile jährlich mit mehr als einer Milliarde Franken. Das gibt uns eine unglaubliche Power.
Der Verband ist heute stabil aufgestellt und etabliert. Und wohin entwickelt sich die Stiftungswelt?
Ich glaube, die Frage nach der Legitimation wird den Sektor weiterhin beschäftigen. Hier wird es entscheidend sein, wie sichtbar gemeinnützige Förderstiftungen sind und als wie zugänglich und nachvollziehbar sie wahrgenommen werden. Die Regulierung wird ein weiteres grosses Thema bleiben und sein. Für Förderstiftungen wird die Regulierungsdichte zunehmen. Dabei will gar niemand die Gemeinnützigkeit schädigen. Aber wir leben in einer Zeit, in der Kontrolle gefordert wird, wo Geld ist. Und Schweizer Förderstiftungen haben Geld. Es braucht vertrauensbildende Massnahmen auf nationaler, aber auch auf europäischer Ebene. Auch als Schweiz sind wir darauf angewiesen, auf europäischer Ebene weiter Verständnis für gemeinnütziges und stifterisches Wirken zu schaffen. Letztes Jahr hat SF für diese Arbeiten einen European Advocacy Fonds geschaffen, über den unsere Mitglieder die europäische Lobbyarbeit unterstützen können.
Und wohin führt Sie Ihr Weg?
Mein Abenteuer geht weiter. Ich freue mich sehr, zurück zu meinen selbständigen Wurzeln zu gehen und ein Unternehmen zu gründen.
Ein Unternehmen welcher Art?
Ich werde meine strategischen Mandate als Verwaltungsrätin der Zürcher Schauspielhaus AG sowie als Vorstandsmitglied bei der Schweizerischen Gemeinnützigen Gesellschaft (SGG) weiterführen und in der Beratung tätig sein. Corporate Philanthropy finde ich ausgesprochen spannend. Die Stiftungswelt ist ein wunderbares Netzwerk mit inspirierenden Projekten.
Ein direkter Übergang?
Das werden wir sehen. Aus meiner geplanten zweimonatigen Reise durch den Westbalkan wird jedenfalls nichts. Als Pragmatikerin habe ich mich vorerst für eine kürzere Auszeit in den Bergen entschieden.