Was gab den Anstoss zu dieser Studie?
Die Auslandarbeit des Schweizerischen Roten Kreuzes (SRK) transformiert sich hin zur Stärkung der nationalen Rotkreuz – und Rothalbmondgesellschaften. Unsere Partner werden zukünftig noch stärker befähigt, die Geschicke ihrer Organisation selbst zu bestimmen, sei es auf der Ebene der Governance, im Management und der Freiwilligenarbeit, aber auch in der Mittelbeschaffung in ihrem eigenen Land. Das SRK baut deshalb dafür seine Beratungsleistungen aus. Weiterhin werden wir in konkreten Handlungsfeldern mit den nationalen Schwestergesellschaften Projekte und Programme fördern. Um abzuschätzen, ob dieser Wandel hin zur Programmarbeit von Förderorganisationen mitgetragen wird, haben wir diese Studie lanciert.
Welche Vorteile bietet ein Programmansatz?
Ein Programmansatz bietet allen Beteiligten Planungssicherheit. Er erlaubt es, die Arbeit langfristig auszurichten und auf nachhaltige Entwicklungen und Veränderungen hinzuwirken. Unter einem Programm werden verschiedene Projekte gebündelt. So können komplexe Entwicklungsziele ganzheitlich bearbeitet sowie verschiedene Aspekte integriert werden. Gleichzeitig werden Ressourcen wie technische Unterstützung oder Finanzen effektiver eingesetzt. Verändern sich während der Programmlaufzeit einzelne Umstände, kann mit dem Programmansatz flexibel auf die neuen Herausforderungen reagiert und es können nötige Anpassungen vorgenommen werden. Ein ganzheitlicher Ansatz verbessert die Zusammenarbeit vor Ort und trägt dazu bei, die Wirksamkeit der eingesetzten Mittel zu erhöhen.
So können komplexe Entwicklungsziele ganzheitlich bearbeitet sowie verschiedene Aspekte integriert werden.
Dorothea Bergler, Leiterin Partner und Institutionnelles Engagement SRK
Sind Förderorganisationen bereit dafür? Ist der Programmansatz für sie anspruchsvoller?
«Die» Förderorganisation gibt es nicht. Stiftungen sind vielfältig und divers. Stiftungen, die einem Programmansatz gegenüber offen waren, waren oftmals auch dem Projektansatz gegenüber offen. Welcher Ansatz generell bevorzugt wird, darüber gibt die Studie keine Aussage. Das Studiendesign erlaubt es nur zu sagen, ob eine Akzeptanz vorhanden ist. 42 Prozent der befragten Stiftungen können sich einen Programmansatz vorstellen.
Gleichzeitig bewerten vier von fünf Stiftungen den Programmansatz positiv oder neutral. Berücksichtigt man jedoch die Grösse der bisher gesprochenen Förderungen zeigt sich, dass Stiftungen mit kleineren Beträgen den Projektansatz bevorzugen. Das ist nachvollziehbar, da diese oft begrenzte Ressourcen haben und es leichter ist, Projekte auf ihre konkrete Wirkung hin zu prüfen. Über die Hälfte der Stiftungen, die mit mehr als 50’000 Franken fördern, sind einem Programmansatz gegenüber offen. Sie bemerken, dass eine blosse Förderung der Projekte ohne flankierende Massnahmen nicht nachhaltig ist, so wurde genannt, «trägt dem Wunsch eines systemischen Ansatzes Rechnung, unterstützt langfristig die Selbsthilfe». Da im Programmansatz verschiedene Projekte gebündelt werden, ist auch die Wirkungsmessung komplexer. Dies erfordert auch bei den Förderorganisationen mehr Ressourcen. Dies könnte ein Grund sein, weshalb gemäss unserer Studie kleinere Stiftungen den Projektansatz bevorzugen.
Braucht dieser Ansatz mehr Transparenz und Vertrauen?
Ja, dieser Ansatz benötigt Vertrauen. Rund die Hälfte der Stiftungen sieht bei Organisationen vor Ort ein Bedürfnis nach Unterstützung durch eine schweizerische Organisation. Zwingende Voraussetzungen bei der Förderung sind gemäss unserer Studie Wirkung (64 Prozent), Sachbericht und Finanzbericht mit den diversen Ausgabenposten (58 Prozent) und eine selbst in der Region operativ tätige Organisation sowie Nachhaltigkeit mit je 45 Prozent.
Je kürzer die Laufzeit einer Förderung, desto schwieriger sind die Vorteile des Programmansatzes zu verwirklichen.
Dorothea Bergler
Was ist Förderstiftungen wichtig bei Unterstützungen für Projekte oder Programme im Ausland?
Förderstiftungen möchten aussagekräftige Gesuche mit Budgets und Aussagen zur angestrebten Wirkung. Schon bei der Projekteingabe werden überwiegend sehr genaue Unterlagen erwartet. Wir sehen in der Studie ein Spannungsfeld: Einerseits besteht der explizite Wunsch nach Stärkung von lokalen Organisationen, andererseits gibt es bei den Anforderungen an die Berichterstattung ein hohes Bedürfnis nach Kontrolle über die eingesetzten Mittel. Um ein Beispiel zu geben: Ein Sachbericht ohne Finanzbericht mit Detailaussagen ist für 27 Prozent der befragten Stiftungen bereits ein Ausschlusskriterium für die Förderung.
Die Studie zeigt, dass die Dauer einer Unterstützung meist auf weniger als drei Jahre beschränkt ist. Was bedeutet dies für einen Programmansatz?
Der Programmansatz des SRK ist auf vier Jahre ausgerichtet und folgt dem Kalender der Botschaft zur Strategie der internationalen Zusammenarbeit des Bundes. Je kürzer die Laufzeit einer Förderung, desto schwieriger sind die Vorteile des Programmansatzes zu verwirklichen. Vor allem einer der grossen Vorteile des Ansatzes, nämlich die grössere Flexibilität beim Einsatz der Mittel über die gesamte Programmlaufzeit, kommt dann nicht mehr gleichermassen zum Tragen.
Für das Fundraising heisst dies, dass die Mittel für die Förderung über vier Jahre mehrmals neu akquiriert werden – das bindet enorme Ressourcen und erschwert es im Feld auf unvorhergesehene Herausforderungen oder Entwicklungen reagieren zu können.
Drei Viertel der Förderorganisationen erwarten spätestens nach drei Jahren eine nachweisbare Wirkung. Ist dies für unterstützte Programme eine Herausforderung?
Man muss sich bewusst sein: Programme, die eine Verhaltensänderung bewirken und eine langfristige Entwicklung entfalten sollen, verlaufen meistens nicht linear. Bevor eine Programmperiode abgeschlossen ist, sind deshalb auch abschliessende Aussagen zur Wirkung wenig realistisch. Wir beim SRK monitoren aber kontinuierlich und können die Förderorganisationen laufend über Zwischenbewertungen informieren. Das hilft beiden Seiten: Die Förderorganisation kann den Fortschritt überwachen und die Organisation das Programm, wenn nötig anpassen.
Die Neuausrichtung ändert auch die Kultur der Zusammenarbeit, sowohl bei uns intern wie auch mit unseren Partnern.
Dorothea Bergler
Die Studie zeigt, dass in der Vergangenheit das SRK die Organisation war, die am häufigsten Gelder erhalten hat. Nun wird es von Ärzten ohne Grenzen abgelöst. Gleichzeitig wollen die befragten Förderorganisationen dem IKRK deutlich öfter Mittel zur Verfügung stellen. Gibt die Studie dem SRK auch Input zu Verbesserungspotenzial?
Wir sind sehr dankbar für die Rückmeldungen der Stiftungen. Die Neuausrichtung ändert auch die Kultur der Zusammenarbeit, sowohl bei uns intern wie auch mit unseren Partnern. Die zunehmende Komplexität, gerade auch im Programmansatz, benötigt bessere Erklärungen, mehr Wirkungsnachweise und einen intensiveren Austausch – auch mit Stiftungen. Wir optimieren derzeit unsere Prozesse, um diesen Bedürfnissen noch besser gerecht zu werden. Wir unterziehen auch unsere Gesuche einer kritischen Analyse und suchen künftig noch stärker den Dialog mit Stiftungen. Immer mit dem Ziel, ein valabler Partner zur gemeinsamen Umsetzung ihrer Stiftungszwecke zu bleiben.
Das SRK war wegen interner Streitigkeiten in den Medien. Hindert dies aktuell des SRK daran, den Programmansatz zu forcieren?
Die interne Krise vom vergangenen Jahr hat die institutionelle Ebene betroffen. Die operative Arbeit und die Neuausrichtung der internationalen Zusammenarbeit waren davon nicht betroffen. Im Gegenteil: Die Vorbereitungsarbeiten für die Neuausrichtung konnten letztes Jahr planmässig abgeschlossen werden. Das SRK ist mit Prof. Thomas Zeltner als Präsident seit Juni 2023 und Nora Kronig Romero als neuer Direktorin ab Mai 2024 sehr gut für den Wandel in der internationalen Zusammenarbeit aufgestellt.
Die Studie kann angefordert werden bei Dorothea Bergler.