Die Zahl der Menschen, die in der Schweiz Sozialhilfe beziehen, geht laut Bundesamt für Statistik zwar zurück. Die Caritas Schweiz sieht darin jedoch keinen Grund zur Entwarnung. Denn einerseits sei die Schwelle für den Bezug von Sozialhilfe sehr tief angesetzt. Andererseits steigen die Preise derzeit wie seit 1990-er-Jahren nicht mehr. Die allgemeine Teuerung sowie steigende Krankenkassenprämien und Mieten bringen immer mehr Haushalte mit tiefem Einkommen, besonders Familien, in existenzielle Not.
Giftiger Mix an Mehrkosten
«Ein Fünftel der Haushalte am unteren Ende der Einkommensskala geben fast ihr ganzes Geld für Wohnen, Essen, Gesundheit und Mobilität aus – Fixkosten, bei denen man kaum sparen kann», stellt Aline Masé, Leiterin Fachstelle Sozialpolitik bei Caritas Schweiz, fest. Ihr Bericht zur sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung der letzten beiden Jahre bildet den Auftakt des soeben erschienenen Sozialalmanachs 2024 des Schweizer Hilfswerks. Inflation, Prämienexplosion und steigende Mieten seien ein «giftiger Mix für alle, die sich in einer schwierigen finanziellen Situation befinden», führt Aline Masé weiter aus. Daran ändere auch die positive Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt wenig: Viele Löhne seien schlicht zu tief, und die unteren und mittleren Einkommen hielten mit den steigenden Lebenshaltungskosten nicht mit. Die Folge seien «Working Poor», Menschen also, die trotz Arbeit zu wenig verdienen, um ihren Lebensunterhalt bestreiten zu können.
Giftiger Mix für alle, die sich in einer schwierigen finanziellen Situation befinden.
Aline Masé, Leiterin Fachstelle Sozialpolitik bei Caritas Schweiz
Die Reaktion der Politik auf die Teuerung bezeichnet Caritas Schweiz als verhalten: Das Parlament habe sich weder auf einen vollen Teuerungsausgleich bei AHV- und IV-Renten sowie Ergänzungsleistungen noch auf eine ausserordentliche Erhöhung der individuellen Prämienverbilligung (IPV) festlegen können. Einige Kantone hätten zwar ihre Budgets für die IPV erhöht. Das reiche aber bei weitem nicht aus, um die Teuerung und steigenden Prämien auszugleichen.
Ökologische Wende und Armutsbekämpfung
Der Sozialalmanach der Caritas Schweiz nimmt jährlich die soziale und wirtschaftliche Entwicklung in der Schweiz unter die Lupe. Der aktuelle Bericht widmet sich dem Thema «Sozialökologische Wende und Armut». Die 20 Fachbeiträge befassen sich mit dem Zusammenhang von materieller Existenzsicherung, funktionierendem Zusammenleben und Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen. Sie geben Antworten darauf, wie diese Herausforderungen zusammen angegangen werden können.