Pandemie und Ukrainekrieg, Trockenheit und Energieversorgungsunsicherheit: Die weltweiten Krisen fordern aktuell auch Anleger und Anlegerinnen. Dies trifft auch die Stiftungen. Der Swiss Philanthropy Performance Index zeigt per Ende Oktober einen kumulierten Verlust von 13 Prozent für 2022. Der Index bildet die durchschnittliche Entwicklung eines breiten Querschnitts von Stiftungsvermögen ab, welche die Zürcher Kantonalbank verwaltet.
Verbindlichkeiten
Auch der Benchmark Report von SwissFoundations gibt Auskunft über die Anlagen von Stiftungen. Er untersucht jedes Jahr das Anlageverhalten von Förderstiftungen. Der aktuelle Report für 2021 verzeichnet eine Rendite von 11,5 Prozent. Damit schnitten Stiftungen besser ab als Pensionskassen mit 8 Prozent. Auch im Fünfjahresvergleich zeigen Stiftungsanlagen die bessere Performance. Maximilian Martin, Vorstandsmitglied von SwissFoundations, begleitet den Benchmark Report. Er weist darauf hin, dass der Vergleich nicht ganz fair sei. «Pensionskassen und Stiftungen haben nicht dasselbe Ziel», sagt er. «Bei Pensionskassen besteht eine Anspruchsgruppe mit einem kodifizierten Anspruch.» Auch Luzius Neubert, Partner bei PPCmetrics, die den Report erstellt, sieht diese unterschiedlichen Verbindlichkeiten. «Wenn eine Pensionskasse Verluste erleidet und in Unterdeckung gerät, muss sie saniert werden», sagt er. «Stiftungen haben meist keine Verbindlichkeiten. Sie sind grundsätzlich flexibel in den Ausgaben.» So haben gemäss Report drei Viertel der Stiftungen kein Zielkapital festgelegt, das sie erhalten müssen oder wollen. Dennoch kann es vorkommen, dass Stiftungen Anlagen bei fallenden Kursen mit Verlust veräussern. «Stiftungen wollen in einer Krise oft mehr ausgeben, weil sie gerade in diesen Zeiten ihre Destinatäre unterstützen wollen», erklärt Luzius Neubert. «Dies schmälert allerdings ihre Risikofähigkeit.»
Risikofähigkeit
Auch die Risikobereitschaft des Stiftungsrates kann die Anlageentscheide einschränken. «Viele Stiftungen wären zu mehr Risiko fähig», sagt Luzius Neubert. Aber wenn der Stiftungsrat in einer Krise nervös wird und aussteigen will, wird es schwierig. Deswegen empfiehlt er, krisenerfahrene Stiftungsrätinnen und ‑räte zu engagieren, eine langfristige Anlagestrategie festzulegen und Regeln zum Kapitalerhalt oder ‑verzehr zu definieren. Maximilian
Martin erachtet eine professionelle Verwaltung, die der langfristigen Ausrichtung von Stiftungskapital Rechnung trägt, ebenfalls als notwendig. Er sieht eine Verpflichtung der Stiftungen, besonders verantwortungsvoll mit den Geldern umzugehen. «Das philanthropische Kapital ist trotz der Grosszügigkeit der Philanthropen im Verhältnis zu den Bedürfnissen der Gesellschaft stets ein knappes Gut. Wir müssen es also gut bewirtschaften.»
Diversifikation
Gerade im schwierigen Jahr 2022 rücken die Anlagestrategien in den Fokus. Hansjörg Schmidt, Leiter Stiftungen, Key Clients, Zürcher Kantonalbank, stellt dennoch fest: «Generell ist eine Anpassung der Strategie nicht angezeigt, denn an den langfristigen Zusammenhängen und am langfristigen Ausblick für die Finanzmärkte hat sich nichts Fundamentales geändert.» Und auch wenn aktuell Diversifikationsvorteile deutlich geringer ausfallen, sieht er in einer Diversifikation über mehrere Anlageklassen und über viele Einzeltitel die erste und am wenigsten umstrittene Massnahme jeder Portfoliozusammensetzung. In diesem Jahr hat die Diversifikation allerdings aufgrund der speziellen Umstände wenig gewirkt. 2022 ist geprägt von zwei grossen geopolitischen Verwerfungen: dem Krieg in der Ukraine und der unerwartet hohen Inflation. «Beides hat negative Auswirkungen auf alle Anlageklassen, weshalb es auch keine Anlagestrategie gab, die einen Schutz vor einer Minusperformance geboten hat», sagt Hansjörg Schmidt. Einzig das Segment der Rohstoffe und Aktien des Energiesektors haben dieses Jahr speziell positiv performt. «Allerdings sind dies Märkte, in welche viele Stiftungen wenig bis gar nicht investiert sind», sagt Hansjörg Schmidt, «denn die meisten nachhaltigen Anlagestrategien schliessen diese Segmente von Anfang an aus.»
«Stiftungen haben meist keine Verbindlichkeiten. Sie sind grundsätzlich flexibel in den Ausgaben.»
Lucius Neubert,
Partner bei PPCmetrics
Nachhaltigkeit
84 Prozent der Stiftungen berücksichtigen gemäss Benchmark Report Nachhaltigkeit bei ihren Anlagen. «Das hat deutlich zugenommen», sagt Luzius Neubert. 2016 lag der Anteil erst bei zwei Dritteln. Maximilian Martin stellt einen markanten Anstieg des Interesses bei den SwissFoundations Mitgliedern fest. «Heute ist es Top of Mind. Wer es noch nicht macht, will es machen.» Wobei die Stiftungen Nachhaltigkeit unterschiedlich interpretieren. «Es gibt Stiftungen, die sich genau am Stiftungszweck orientieren und teilweise auch Impact Investing betreiben», sagt Luzius Neubert. «Andere wollen generell ökologisch und sozial investieren und achten weniger auf die Wirkung oder den Stiftungszweck.» Insgesamt ist das Thema aber unbestritten, auch weil verschiedene Studien belegen, dass nachhaltige Strategien das langfristige Renditepotenzial nicht schmälern. Umgekehrt ist offen, ob die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien die Anlagen sicherer machen würden. Maximilian Martin hält gleichwohl fest: «Informationen über Risiken zu ignorieren ist in der Regel langfristig teurer.» Auf ein Risiko bei einer nachhaltigen Anlagestrategie weist Luzius Neubert gerade für Stiftungen hin. «Wenn das Ausschlussverfahren gewählt wird und jede Stiftungsrätin und jeder Stiftungsrat sagt, welche Branchen oder Unternehmen nicht im Portfolio erwünscht sind, dann kann im Extremfall ein wenig diversifiziertes Portfolio resultieren.» Diese Gefahr lässt sich eliminieren, indem Anlageexpertinnen und ‑experten einbezogen werden, welche die Auswirkungen einer geringen Diversifikation aufzeigen können