Partizipation bedeutet, Mitarbeitende aktiv in Entscheidungsprozesse einzubeziehen. Sei es in Teamsitzungen, bei Umfragen, der Teilhabe an Projekten oder mit themenspezifischen Workshops, Ziel ist – neben Mehrperspektivität und Innovationsförderung –, die Mitarbeitenden von blossen Ausführenden zu Beteiligten zu machen. Partizipative Prozesse gehen mit Organisationsentwicklung einher. Das Diskutieren von unternehmensrelevanten Themen bedeutet Veränderung. Solche Prozesse dienen der Bewusstseinsbildung. Durch zielgerichtetes Erforschen eines Themas richtet sich die Aufmerksamkeit darauf. Und was unter Beobachtung steht, verändert sich. In Zeiten von Holocracy und Soziokratie, von flachen Hierarchien und Agilität, von Scrum, Kanban und Lean Management kann das Prinzip der Partizipation keine Rocket Science mehr sein – könnte man meinen.
Effektive Arbeitsprozesse
Während in der Theorie oft alles klar zu sein scheint, ist es in der Praxis ein gemeinsames Herausfinden, welches die passendste Form für die eigene Organisation ist. Hierarchische Organisationen arbeiten daran, ihre Mitarbeitenden zu mehr Unternehmertum und Selbstverantwortung zu motivieren. Flacher organisierte Unternehmungen sind dagegen oft damit beschäftigt, klare Verantwortlichkeiten und Entscheidungsprozesse zu definieren. Beide verfolgen dasselbe Ziel: effektive und nachhaltige Arbeitsprozesse zu etablieren, die das Unternehmen vorwärtsbringen. Bei der traditionell geführten Organisation geht es bei der Einführung von Partizipation um die Entwicklung eines neuen Designs. Die Mitarbeitenden sollen verstehen, wofür es notwendig ist, dass sich alle einbringen. Diese Änderung des Verhaltens bedingt eine gleichzeitige Anpassung der Führung, der Lernkultur und vielleicht der bestehenden Strukturen. Dies gelingt bei ehrlichem Interesse der Leitung an neuen Ideen. Innovation ist möglich, wenn Partizipation keine Alibiübung ist, bei der vorgefasste Meinungen bestätigt werden sollen. Gelingt es, zielgerichtet und zugleich ergebnisoffen in den Prozess einzusteigen, können Massnahmen mit enormer Kraft erarbeitet und die gesamte Organisation in Bewegung gesetzt werden.
Das Risiko der eigenen Überforderung
In stark werteorientierten Organisationen, wie NGOs, Stiftungen oder im Sozialunternehmertum, sind die Mitarbeitenden meist intrinsisch motiviert. Sie bringen sich aktiv ein. Sie brennen für die Sache – bis sie ausbrennen. Für die gemeinsame Mission geben sie alles oder mehr. Sie packen an, diskutieren mit – bis niemand mehr weiss, wer eigentlich wofür und was in der Verantwortung steht. So werden Entscheidungen immer wieder vertagt, um möglichst alle an Bord zu haben. Wird trotzdem entschieden, kann der Entscheid von einer einzelnen Person wieder ins Wanken gebracht werden. Das Ergebnis: Der Prozess ist blockiert und die Organisation nicht mehr entscheidungsfähig. Hochmotivierte Mitarbeitende werden zunehmend frustrierter, anfänglich Gleichgesinnte werden zu Kontrahenten. So entstehen nicht selten informelle Machtstrukturen, in denen wenige entscheiden.
Klare Rollen definieren
Eine grosse Herausforderung ist die Rollenklärung. Wie werden Entscheidungen getroffen und wie wird festgelegt, wer für was Verantwortung trägt? Wie fliesst Mehrperspektivität in die Entscheidungsfindung ein, auch wenn nicht alle gleicher Meinung sind? Möglich ist beispielsweise das Konsentprinzip, bei dem der abschliessende Entscheid von der Fachperson gefällt wird. Zusammenarbeit basiert auf Vertrauen. Das ist bei allen Organisationen gleich. Darum lohnt es sich, bevor man in einen Prozess einsteigt, Regeln für die Zusammenarbeit aufzustellen. Denn, dass es zu Meinungsverschiedenheiten kommt, gehört dazu. Man könnte sagen, genau darum geht es. Man möchte verschiedene Perspektiven mit einbeziehen. Und hierfür braucht es verbindliche Regeln.
Erstens ist ein klares Ziel grundlegend. Davon können klare Aufgabenstellungen und Rollen mit der damit verbundenen Erwartungshaltung abgeleitet werden. Denn daran orientieren sich alle Beteiligten. Zweitens lässt eine konstruktive Fehlerkultur kritische Äusserungen zu. Die Beteiligten sollten das Vertrauen haben, sich sorgenfrei, offen und ohne unangenehme Folgen äussern zu dürfen. Und drittens ist eine sorgfältige, zeitnahe und transparente Planung der Kommunikation eines Kernteams unabdingbar. Sind Entscheide für andere im Projekt nicht nachvollziehbar, weil sie bei der Kommunikation vergessen gingen, entstehen grosse Unsicherheiten und ein riesiges Frustrationspotenzial. Wer möchte, dass alle Beteiligten mitdenken und eigeninitiativ handeln, sollte dafür sorgen, dass sowohl die Verantwortungen und Kompetenzen als auch die Entscheidungsprozesse klar und transparent sind und dies auch immer wieder überprüft wird. Am besten mit einem partizipativen Prozess.