Portrait von Nationalrat Niklaus Nik Gugger, EVP-ZH, am Rand der Herbstsession der Eidgenoessischen Raete, am Dienstag, 21. September 2021 im Bundeshaus in Bern. (KEYSTONE/Alessandro della Valle)

Lücke schlies­sen an der Schnitt­stelle zwischen Kapi­ta­lis­mus und Gemeinnützigkeit

Heute behandelt der Ständerat die Motion von Nik Gugger für die Förderung von sozialem Unternehmertum. Er sieht in der Schweiz Aufholbedarf bei diesem Thema und sagt, dass das soziale Unternehmertum die Vorteile des Kapitalismus mit der Gemeinnützigkeit vereine.

Mit Ihrer Motion (21.3891) wollen Sie errei­chen, dass der Bundes­rat die gesetz­li­chen Rahmen­be­din­gun­gen anpasst, um sozia­les Unter­neh­mer­tum zu fördern. Der Natio­nal­rat hat die Motion ange­nom­men. Wie beur­tei­len Sie die Chan­cen im Ständerat?

Ich glaube daran, dass auch der Stän­de­rat argu­men­ta­tiv von der Motion über­zeugt werden kann. Die Motion ist ein wich­ti­ger Bestand­teil der Stra­te­gie Nach­hal­tige Entwick­lung 2030, die Unter­neh­men fördert, die nicht nur auf Profit­ma­xi­mie­rung aus sind. Wir brau­chen mehr von solchen Unter­neh­men in der Schweiz, falls wir es mit der ökolo­gi­schen, sozia­len und ökono­mi­schen Nach­hal­tig­keit ernst meinen.

Weshalb enga­gie­ren Sie sich für dieses Thema?

Für mich ist es wich­tig, dass wir in einem Land mitein­an­der leben, wo Wörter wie «nach­hal­tig», «sozial»  oder «wirt­schaft­lich» nicht nur Begriffe für den Wahl­kampf sind. Wir müssen verstärkt über diese Begriffe als Teile einer Gesamt­stra­te­gie denken. Zum einen müssen wir unsere Gesell­schaft und Wirt­schaft so orga­ni­sie­ren, dass sie sozial gerecht und ökolo­gisch nach­hal­tig sind. Zum ande­ren brau­chen wir weiter­hin eine leis­tungs­starke Wirt­schaft, die uns hilft, solche Ziele zu errei­chen. Ich sehe daher die unter­neh­me­ri­sche Krea­ti­vi­tät nicht als Nach­teil, sondern als erheb­li­chen Vorteil. Ein sozia­les Unter­neh­men bildet so für mich einen wich­ti­gen Bestand­teil einer echten sozi­al­ver­träg­li­chen Markt­wirt­schaft, die dafür sorgt, dass es den Menschen, den Unter­neh­men und auch der Umwelt gut geht.

Ein sozia­les Unter­neh­men bildet so für mich einen wich­ti­gen Bestand­teil einer echten sozi­al­ver­träg­li­chen Marktwirtschaft.

Natio­nal­rat Nik Gugger

Weshalb muss das soziale Unter­neh­mer­tum geför­dert werden? Wo sehen Sie Nachholbedarf?

Wir brau­chen zunächst einen klaren Über­blick darüber, wie weit wir im Rück­stau bei diesem Thema liegen. Daher verfolgt die Motion auch die Einfüh­rung zu statis­ti­schen Erhe­bun­gen über soziale Unter­neh­men. Darüber hinaus sehen wir bis anhin kaum Anreize der öffent­li­chen Hand, diese Unter­neh­men zu unter­stüt­zen. Die in der Motion vorge­schla­gene Unter­stüt­zung umfasst dabei nicht nur der erleich­terte Zugang zu Finan­zie­rungs­mög­lich­kei­ten, sondern auch ganz prak­tisch Bera­tungs­stel­len für Unter­neh­men, die sich in diesem Bereich verstärkt enga­gie­ren möchten.

Liegt es nicht gerade in der unter­neh­me­ri­schen Frei­heit zu bestim­men, welche Ziele das Unter­neh­men verfol­gen soll?

Die unter­neh­me­ri­sche Frei­heit wird bei einer Annahme dieser Motion nicht einge­schränkt und es gibt auch keine neuen Verbote für private Unter­neh­men. Viel­mehr werden Anreize geschaf­fen, dass Unter­neh­men sich stär­ker für ökolo­gi­sche, soziale und kultu­relle Zwecke enga­gie­ren. Zu einer gesun­den sozia­len Markt­wirt­schaft gehört es, dass der Staat die rich­ti­gen Rahmen­be­din­gun­gen setzt, in welchem sich dann die Privat­wirt­schaft bewe­gen kann. Diese Motion verfolgt genau dieses Prinzip.

Damit sozia­les Unter­neh­mer­tum geför­dert werden kann, muss es defi­niert werden. Wie sollen diese Unter­neh­men bestimmt werden?

Die allge­meine Defi­ni­tion ist, dass soziale Unter­neh­men solche Unter­neh­men sind, die neben ihrem Gewinn auch an das ökolo­gi­sche, gesell­schaft­li­che und kultu­relle Wohl der Menschen denken. Falls diese Krite­rien in einer unter­neh­me­ri­schen Tätig­keit gege­ben sind, dann handelt es sich um ein sozia­les Unter­neh­men, welches durch die vorlie­gende Motion geför­dert werden kann.

Wer würde die Kosten für eine Zerti­fi­zie­rung übernehmen?

Bei diesem Punkt gibt es verschie­dene effi­zi­ente Möglich­kei­ten, auf die die Motion nicht im Detail einge­hen kann. Aller­dings sehe ich die nach­hal­tigste Lösung für eine Zerti­fi­zie­rung bei einer Kosten­be­tei­li­gung aller Parteien. Es ist aber wich­tig zu beto­nen, dass diese Motion die Förde­rung von sozia­len Unter­neh­men verfolgt und nicht die Ersti­ckung dieser mit zusätz­li­chen Kosten. Daher plädiere ich für eine ange­mes­sene Betei­li­gung des Bundes und der Kantone an den Kosten.

Sehen Sie kein Risiko, dass der Aufwand für klei­nere Unter­neh­men kaum zu stem­men ist?

Nein, die Motion bezweckt viel­mehr die Möglich­kei­ten zur Förde­rung von insbe­son­dere klei­nen Unter­neh­men. Für Unter­neh­men, die ihr Wirken an den oben genann­ten Prin­zi­pen ausrich­ten wollen, gibt es sicher­lich einen Aufwand, aber dieser wird gleich­wohl durch die Vorteile über­trof­fen. Darüber hinaus ist nicht zu verges­sen, dass der unter­neh­me­ri­sche Geist sehr adap­tiv ist und es oftmals vermag, krea­tive und opti­male Lösun­gen für das eigene Unter­neh­men zu finden.

Bei gemein­nüt­zi­gen Orga­ni­sa­tio­nen fehlt es oftmals an einem stark ausge­präg­ten unter­neh­me­ri­schen Geist. Bei Privat­un­ter­neh­men hinge­gen fehlt es oft an einer sozia­len Orientierung. 

Nik Gugger

Lassen sich diese Anlie­gen nicht über bishe­rige Rechts­for­men, bspw. durch die Wahl der Rechts­form einer gemein­nüt­zi­gen Stif­tung abdecken?

Aufgrund des Rück­staus im euro­päi­schen Vergleich können wir klar erken­nen, dass die aktu­el­len Rahmen­be­din­gun­gen nicht ausrei­chen. Bei gemein­nüt­zi­gen Orga­ni­sa­tio­nen fehlt es oftmals an einem stark ausge­präg­ten unter­neh­me­ri­schen Geist. Bei Privat­un­ter­neh­men hinge­gen fehlt es oft an einer sozia­len Orien­tie­rung. Für eine nach­hal­tige Zukunft in der Schweiz braucht es einen Mittel­weg zwischen Kapi­ta­lis­mus und Gemein­nüt­zig­keit, der die Vorteile von beiden Syste­men vereint. Ein sozia­les Unter­neh­men befin­det sich genau an dieser Schnittstelle.

Bei der Förde­rung von sozia­lem Unter­neh­mer­tum: Wo steht die Schweiz im inter­na­tio­na­len Vergleich?

In der Schweiz sind wir in einem klaren Hinter­tref­fen bei diesem Thema. Schaut man insbe­son­dere in das euro­päi­sche Ausland, stellt man fest, dass die Schweiz sich in diesem Bereich in den letz­ten Jahren viel zu wenig bewegt hat. Diese Motion bietet eine Chance, diesen Rück­stau aufzu­ho­len und soziale Unter­neh­men nach­hal­tig zu fördern.

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