«Das rasante Tempo, mit dem KI-Lösungen entwickelt und auf den Markt gebracht werden, zeigt, dass es nicht nur ratsam ist, sich jetzt auf eine KI-Lernreise zu begeben, sondern, dass es von grundlegender Bedeutung ist, ein Grundwissen aufzubauen, mit dem man in der Lage ist, mit den ständigen Fortschritten Schritt zu halten, anstatt überwältigt zu werden», sagt Lucia Gomez, AI Expertin am Center for Philanthropy der Universität Geneva. Spätestens seit Chat-GPT Schulaufsätze oder Bewerbungen, Liebesbriefe und vieles mehr schreibt, ist Künstliche Intelligenz KI als Alltagsanwendung Realität. «KI-Lösungen sind seit einigen Jahren für eine breitere Öffentlichkeit und seit kurzem für jedermann zugänglich», sagt sie. Dabei werden oft die Gefahren von manipulierter Wirklichkeit hervorgehoben. Doch KI bietet auch viele Chancen. In jedem Fall müssen sich die Gesellschaft und ihre Akteur:innen mit KI auseinandersetzen. Das gilt auch für den dritten Sektor. Relevante Anwendungsmöglichkeiten sind vorhanden. «Nonprofits erhoffen sich, dass die KI sie bei der Suche von relevanten Geldgeber:innen – die ihre eigene Vision und Mission unterstützen – helfen, und die KI Aufwand optimieren kann, durch die Automatisierung bei der Erstellung und Einreichung von Fortschrittsberichten», sagt Harry Witzthum, Leiter digitale Transformation bei Caritas Schweiz. Ausserdem könne KI die gegenseitige Transparenz erhöhen.
Lernen und Anwenden
Als Vertreter von Caritas Schweiz verfügt Harry Witzthum über eine praktische Nonprofit-Perspektive. Diese bringt er in die «AI in Everyday Philanthropy» Learning Journey ein. Mit der Initiative will StiftungSchweiz eine faktenbasierte Auseinandersetzung ermöglichen. Sie will eine fundierte Diskussion rund um Künstliche Intelligenz KI (Artificial Intelligence AI) und Philanthropie eröffnen. Um das Angebot möglichst praxisnah zu gestalten und von unterschiedlichen Seiten zu beleuchten, wirken eine Vielzahl an Akteur:innen aus Praxis und Forschung mit. Lucia Gomez von der Universität Geneva begleitet das Projekt aus wissenschaftlicher Sicht. Sie ist überzeugt, dass sich KI aufgrund ihrer beispiellosen Effizienz gerade bei datenintensiven Aufgaben durchsetzen wird.
Eine Frage des Druckes und der Transparenz
Als Grund, dass Förderstiftungen diese Technologie noch zu wenig nutzen, sieht Siddhartha Jha, AI and Digital Innovation Lead, Fondation Botnar, den fehlenden Druck. Marktorientierte Ökosysteme reagierten schneller auf solche Veränderungen, sagt er. Dennoch ist er überzeugt, dass sich auch Förderer dieser Möglichkeiten bedienen sollten. «Letztlich geht es jedoch um die Wirkung, und die Geldgeberinnen und Geldgeber haben die Pflicht, die Möglichkeiten zur Maximierung der sozialen Wirkung ihrer Fördermittel auf verantwortungsvolle Weise auszuloten», sagt er, «dies bedeutet, dass Technologie, Daten und Künstliche Intelligenz eingesetzt werden müssen, um die Wirkung zu verstärken, wo immer dies möglich ist.» Harry Witzthum erachtet es durchaus als positiv, wenn Förderer KI zur Vorsortierung von Gesuchen nutzen, wenn Ziele und Kriterien transparent publiziert werden. «Denn die Publikation der präzisen Kriterien kann NPO’s dabei helfen, mit dem eigenen Einsatz von KI noch bessere Gesuche zu verfassen und so Projekte an die Bedürfnisse der Funders anzupassen», sagt er. Dieser Meinung ist auch Siddhartha Jha. NPOs sollten den Einsatz von KI deklarieren. Er sieht die Möglichkeit, dass Förderer und Förderinnen die Nutzung von KI aktiv stärken. «Förderer können sogar die Option anbieten, den Einsatz von KI zu unterstützen, indem sie den Antragsteller:innen Lizenzen zur Verfügung stellen», sagt sie.
Von Skepsis zu Akzeptanz
Auf dem Weg, KI zu kennen und zu nutzen, bietet die Initiative «AI in Everyday Philanthropy» mit der Learning Journey in fünf Werkstätten eine anwendungsorientierte Weiterbildung. Stefan Schöbi, CEO StiftungSchweiz sorgt dafür, dass den Teilnehmenden der Journey weder Ideen noch Schnauf ausgehen. Vor allem soll das Angebot auch skeptischen Vertreter:innen einen Zugang zum Thema bieten. «Es gibt klassische Muster, wie Technologie adoptiert wird», sagt er. «Meist führt der Weg von Skepsis über Widerstand zur Exploration und schliesslich zu Akzeptanz. Wir stehen am Anfang – aufhalten können wir die KI jedoch nicht. Statt einfach zuzusehen, wie wir schrittweise immer mehr KI nutzen, können wir deren Einsatz bewusst und vor allem aktiv gestalten, statt später halbe oder schlechte Lösungen übernehmen zu müssen.»
Prototypen für StiftungSchweiz
Wie das in der AI Learning Journey funktionieren wird, erklärt Fabio Duó. Die einzelnen Technologien wie ChatGPT und Webcrawler würden wie Legosteine miteinander verbunden. Der IT Experte und Inhaber der Freihandlabor GmbH entwickelt die Prototypen für StiftungSchweiz und legt die technische Basis. Das macht Sinn, ist Claudia Dutli, Leiterin Verlag The Philanthropist, überzeugt. Sie übersetzt die technischen Details in verständliche Sprache für online und Podcast.«Transparenz schafft Vertrauen und genau das ist die Absicht hinter der Learning Journey», sagt sie. «Mit den Prototypen schauen wir KI quasi bei der Arbeit zu: sozusagen mit offener Motorhaube.»
Mit Alltags-Computer-Kenntnissen dabei
Alltags-Computer-Kenntnisse reichen aus, um bei der Learning Journey zu profitieren. «Was wirklich zählt, ist eine grosse Neugier und der Wunsch, gemeinsam mit anderen Teilnehmenden in die Welt der künstlichen Intelligenz eintauchen zu wollen und Neues auszuprobieren», sagt Claudia Dutli. Und Fabio Duó fügt an: «Die Teilnehmer:innen lernen die einzelnen Module spielerisch kennen, kombinieren sie kreativ und entwickeln auf diese Weise massgeschneiderte Prototypen für eine spezifische Anwendung in der Philanthropie.» KI soll als etwas Greifbares und direkt Anwendbares erlebt werden. Gleichzeitig sollen echte Lösungen für die Philanthropie entstehen. Den Zeitpunkt, um dies jetzt zu tun, erachtet Stefan Schöbi als perfekt. «Die Technologie ist reif für einen breiten Einsatz, aber spezifische Lösungen für die Philanthropie sind noch nicht im Angebot und können damit von uns entwickelt werden.» Siddhartha Jha sieht auch bereits mögliche Veränderungen, die KI bewirken wird. Es gelte das Momentum zu nutzen, um Förderanträge gemeinsam neu zu überdenken. Siddhartha Jha sieht die Gelegenheit, «sich auf das Wesentliche zu konzentrieren, ohne unnötige Belastungen für Antragsteller:innen, Gutachter:innen und Geldgeber:innen zu schaffen.»
Was KI kann und was sie soll
Während der Journey soll nicht nur das Potenzial der neuen Technologie erlebt werden. Neue Möglichkeiten stellen auch ethische Fragen. Diese sollen diskutiert werden. «Der Austausch in einer kleinen Gruppe und die Begleitung durch ein interdisziplinäres Expert:innen-Team über einen längeren Zeitraum sollen genau diese Diskussion in einem vertraulichen Rahmen ermöglichen», sagt Niniane Paeffgen vom Büro für Wagemut. Als Expertin für digitale Ethik baut sie eine Brücke zu den SwissFoundations-Mitgliedern. Sie ist überzeugt, dass sich eine vertiefte Auseinandersetzung mit KI aus Sicht von Stiftungen lohnt. Interne Abläufe lassen sich effizienter gestalten. Stiftungen können Informationen besser nutzen. Das im Journey erlernte Wissen und gemachte Erfahrungen würden eine Mitgestaltung erlauben. «Letztendlich geht es darum, KI als Mittel zum Zweck zu nutzen, um noch mehr Wirkung im Sinne der Förderprojekte zu erzielen», sagt Niniane Paeffgen.
Während die 15 Plätze des A‑Track bereits vergeben sind, ist die Anmeldung für den zeitversetzten B‑Track weiterhin möglich. Die Teilnehmenden dieser Gruppe erhalten Aufzeichnungen und können die Vorbereitung nach ihrem eigenen Zeitplan absolvieren. Die Diskussionsrunde findet in einem Online-Meeting statt.