Monique Bär ist Gründerin der arcas Foundation. Die Stiftung unterstützt Projekte im Bereich Integration, Bewegung und Chancengerechtigkeit. Als Geldgeberin setzt sie auf Dialogfähigkeit und Kooperationen, die sie unter Stiftungen anstossen will.
«Selbstbewusstsein und Integration haben auch eine körperliche Komponente. Es tut extrem gut, sich mit dem eigenen Körper auseinanderzusetzen», sagt Monique Bär, Mäzenin und Stiftungspräsidentin der arcas Foundation. Bei ihren Engagements stehen immer – damals wie heute – Integration, Bewegung und Chancengerechtigkeit im Zentrum. So war ihr allererstes philanthropisches Engagement beim Kinderzirkus Robinson in Zürich, bei dem sie auch selbst mitgearbeitet hat. Sie war zehn Jahre lang Präsidentin. Bewegung, soziale Integration und Sport sind die Elemente, mit welchen im Kinderzirkus Robinson den jungen Künstlerinnen und Künstlern Schlüsselkompetenzen fürs Leben vermittelt werden. «Mit den Auftrittsmöglichkeiten und der Bühnenpräsenz können die Kinder eine neue Art von Selbstbewusstsein entwickeln», erzählt Monique Bär. SPORTEGRATION, ein aktuelles Migrationsprojekt, teile dieselben Schwerpunkte: Selbstbewusstsein entwickeln und das integrierende Moment. Überall auf der Welt wird Fussball gespielt, geboxt und gelaufen. Dazu brauche es keine Sprache, man könne es einfach gemeinsam tun, stellt Monique Bär fest. Und Annina Largo, Geschäftsführerin, Initiatorin und selber Trainerin bei SPORTEGRATION, bringt es so auf den Punkt: «Sporttrainings sind der ideale Ort, um miteinander in Kontakt zu kommen.» Den gemeinnützigen Verein SPORTEGRATION hat sie im Sommer 2016 angeschoben. Damals war die Flüchtlingskrise in aller Munde. «Nach langem Überlegen, wie ich einen Beitrag leisten könnte, kam ich auf das Naheliegendste für mich: Sportstunden geben, weil ich das schon lange machte – Fitboxen in Fitnesszentren», erzählt Annina Largo. Schnell zeigte sich, dass bei den Geflüchteten das Bedürfnis, sich zu bewegen, riesig war. Annina Largos Idee, das Training einmal die Woche durchzuführen, war rasch überholt. Bereits das erste Training in einem von Freunden gratis zur Verfügung gestellten Raum, im alten Silo Löwenbräu (Silosilo) in Zürich, war voll. Der Verein ist schnell gewachsen mit mehr Trainings, mehr Teilnehmenden und mit dem Einbezug von Freiwilligen.
Keine Unterschiede
Indem SPORTEGRATION mit den Trainings eine niederschwellige Plattform fürs gegenseitige Kennenlernen schafft, kommen Geflüchtete und Einheimische miteinander in Kontakt. «Es kommt nicht darauf an, welche Sprache jemand spricht, aus welchem Land jemand kommt oder in welchen finanziellen Verhältnissen jemand lebt – alle sind willkommen», betont die Geschäftsführerin, «wo keine Hürden bestehen, eine positive Atmosphäre herrscht und zwischen Einheimischen und Geflüchteten nicht unterschieden wird, kommen Menschen am besten und am einfachsten zusammen.»
Eine tolle Zeit und viel zu lachen gibt es, wenn eine ganze Gruppe aus dem Verein an einer Sportveranstaltung wie dem Zürich Marathon teilnimmt. «Dabei geht es weniger darum, dass unsere Teilnehmenden unter den Schnellsten oder in den vorderen Rängen zu finden sind, als um das gemeinsame Erlebnis.»
Monique Bär, Gründerin der arcas Foundation, zusammen mit Annina Largo, Initiatorin von SPORTEGRATION: Ein bescheidener Antrag machte den Anfang des gemeinsamen Weges.
Patenschaftsprogramm
Ergänzend zur Haupttätigkeit, den Sporttrainings, startete SPORTEGRATION schon früh, quasi «nebenher», mit schulischen Kursen und einem Patenschaftsprogramm. Diese Angebote, Computerkurse etwa, seien aufgrund der dringenden Bedürfnisse der Teilnehmenden entstanden. Kommuniziert mit den Teilnehmenden wird pragmatisch und unkompliziert über WhatsApp-Kanäle, Infomails, Social Media oder vor Ort an Mittagstischen und Veranstaltungen. Es werden so hunderte von Geflüchteten erreicht. Auf die Frage, ob sich der Krieg in der Ukraine auf SPORTEGRATION auswirken wird, antwortet Annina Largo mit ja und nein. Ja, weil die Nachfrage nach Sportangeboten noch schneller steigen werde als angenommen. «Entsprechend viel Arbeit kommt auf uns zu, weil wir unser Bestes geben wollen, um möglichst viele Geflüchtete zu erreichen. Nein, weil es für den Verein irrelevant ist, woher Geflüchtete kommen, und die Arbeit inhaltlich dieselbe ist wie eh und je.
Im laufenden Jahr will der Verein aufgrund der grossen Nachfrage das Angebot im Kanton Zürich stärken und weiter ausbauen. Auch das Pilotprojekt in Bern will SPORTEGRATION sorgfältig vorantreiben. «Mittelfristig gehen wir davon aus, dass wir die Fühler in weitere Kantone ausstrecken», sagt sie. «Unser Motto ist: Together we are better. Deshalb hoffen wir, dass wir wieder mehr Zeit für Sensibilisierungsarbeit finden, um die Menschen auf die Situation und die Schwierigkeiten Geflüchteter hier in der Schweiz aufmerksam zu machen, um Vorurteile abzubauen.»
Das Menschliche zählt
«Wichtig ist, dass man sich findet, dass es menschlich passt», sagt Monique Bär. Der Start des gemeinsamen Weges mit SPORTEGRATION war unspektakulär. Ein bescheidener Antrag stand am Ursprung. Doch er hatte es in sich und er passte zu den arcas-Foundations-Themen Integration und Chancengerechtigkeit. «Wir haben sofort gemerkt: Das ist eine sehr feine Sache», sagt sie. Ihr macht Eindruck, wie SPORTEGRATION vorgeht: möglichst einfach, keine Hürden, so dass sich viele angesprochen fühlen. Monique Bär ist gerne nahe am Projekt. Sie schätzt den Austausch mit dem Projektteam, grenzt sich aber hier klar ab. «Ich entscheide und arbeite nicht mit, das wäre meiner Meinung nach klar übergriffig», sagt sie. Ihr Beitrag bei SPORTEGRATION ist das Vernetzen, wo immer sie kann. Sie bezeichnet sich als Teamplayerin, gerne tausche sie eine Idee aus oder teile Erfahrungen. Das gelte auch bei der Arbeit im Stiftungsrat. «Mir sind Sparringspartner und ‑partnerinnen extrem wichtig», wirft sie ein. Dazu gehöre auch Widerspruch. Sie sagt: «Ich kann meine Meinung viel besser reflektieren, wenn ich sie im Team diskutieren kann und nicht alleine entscheiden muss. Es macht auch viel mehr Spass, gemeinsam unterwegs zu sein.»
Längerfristiges Engagement
«Wir wollen nachhaltige Partner sein.» Und als solche unterstützt die arcas Foundation sehr bewusst die Organisationen als Ganzes und nicht einzelne Projekte. «Stiftungen unterstützen gerne neue Projekte», sagt sie. Doch das könne dazu führen, dass Projektträger immer wieder neue Projekte «erfinden» würden, um den Betrieb aufrechterhalten zu können. «Wir sind deshalb schon länger dazu übergegangen, Organisationen direkt zu unterstützen. Was mit den Mitteln geschieht, entscheidet die Organisation. Das erfordert gegenseitiges Vertrauen.» Dies ermögliche es besser, starke Strukturen und eine nachhaltig funktionierende Organisation aufzubauen. Um sich diese partnerschaftliche Zusammenarbeit leisten zu können, hat sich die Stiftung auf wenige Projekte fokussiert. Fünf grössere Projekte werden zurzeit gefördert. Anträge nimmt die Stiftung keine mehr entgegen. «Wir scouten nur noch. Wir haben die Nase im Wind und ein gutes Netzwerk», sagt sie. Ausserdem sei das Antragsmanagement sehr aufwändig, wenn man es respektvoll betreiben wolle. Und um sich auf die inhaltliche Stiftungsarbeit zu fokussieren, ist arcas foundation heute eine «unselbstständige Stiftung» unter dem Dach der Fondation des Fondateurs.
Form aus Gegebenem herausholen
Ausgleich findet Monique Bär bei ihrer Kunst. Dazu zieht sie sich in ihr «Hemetli» in Urnäsch zurück. «Ob bei schönem oder schlechtem Wetter, hier kann ich herumstauben», sagt sie. Dann arbeitet sie an ihren Skulpturen. «Ich bin ein haptischer Mensch». Ihre Passion ist es, aus etwas Gegebenem eine Form herauszuholen. Sie arbeitet mit Holz und Stein. Holz empfindet sie als lebendiger. Stein ist dagegen einfacher zu bearbeiten, und er eigne sich besser, um Dampf abzulassen, ein idealer Ausgleich. Bei ihrer Arbeit in der Stiftung setzt sie auf Dialogfähigkeit und Kooperationen, die sie unter Stiftungen anstossen will. «Ich fände es absolut notwendig», sagt sie, «wenn wir uns bei den anstehenden Herausforderungen alle dort, wo es Sinn macht, zusammentun könnten, um gemeinsam etwas zu bewirken. Die Zeit der Alleingänge ist vorbei.» So ist rund um die Diskussionen zu 50 Jahre Frauenstimmrecht die Initiative Geschlechtergerechter entstanden. Der gemeinnützige Verein, dessen aktuelle Präsidentin Monique Bär ist, nimmt sich dem stockenden Geschlechterdiskurs in der Schweiz an. «Die Debatte ist stark polarisiert, doch wir brauchen dringend alltagstaugliche Lösungen in verschiedensten Bereichen», betont sie, «wir müssen lernen, anders miteinander zu reden. Es braucht offenere Debatten, an denen sich mehr Menschen und auch die Männer besser beteiligen, nun bringen wir das auf den Weg. Wir wollen die Leute zusammenbringen.» Geschlechtergerechter ist eine Initiative, bei der alle eingeladen sind mitzutun. So gibt es auf der dazugehörigen Webplattform geschlechtergerechter.ch etwas zur Geschlechtergeschichte, es finden sich aktuelle Studien, Artikel zu brisanten Themen, Blogbeiträge und es gibt Raum für Debatten.
«Was mit den Mitteln geschieht, entscheidet die Organisation.»
Monique Bär
«Es kommt nicht
darauf an, welche
Sprache jemand spricht.»
Annina Largo
Der Vielfalt gerecht werden
Gleichzeitig brauche es aber auch Rücksicht auf die Bedürfnisse und Funktionsweisen der verschiedenen Stiftungen. Jede funktioniert anders. Und auch wenn man von jedem Projekt gewisse Kennzahlen erwarten dürfe, sei nicht für jede Stiftung ein Businessplan sinnvoll. «Gerade Projekte wie Geschlechtergerechter, im sozialen Bereich, werden immer auf ein Funding angewiesen sein», sagt sie. Deswegen fügt Monique Bär auch an: «Was mir Sorgen bereitet, ist die Impact-Manie. Ich bin absolut der Überzeugung, wenn wir etwas anpacken, dann hat dies immer einen Impact. Aus gescheiterten Projekten kann man viel lernen. Sie haben auch eine Wirkung.» In der Fokussierung auf den messbaren Impact sieht Monique Bär etwas Risikoaverses. Sie erachtet es als hinderlich, wenn schon vor dem Start eines Projekts klar sein soll, was am Ende herauskommt. Stiftungen können Risiken eingehen. Das ist ein Vorteil. Sie können schneller reagieren als der Staat. Stiftungen können etwas ausprobieren, und scheitern. Und manchmal, sagt Monique Bär, reiche auch einfach gesunder Menschenverstand und ein gutes Bauchgefühl. Dann genügten ein bescheidener, klarer Antrag und die Erkenntnis, dass es menschlich passt, um ein grossartiges Projekt zu realisieren.