Manuela Stier, Bild ZVG, Hintergrund mit KI ergänzt.

KMSK: Seit zehn Jahren im Einsatz für Kinder mit selte­nen Krankheiten

Vor zehn Jahren hat Manuela Stier den Förderverein für Kinder mit seltenen Krankheiten KMSK gegründet. Seither engagiert sie sich dafür, dass das Thema nicht nur am heutigen internationalen Tag der Seltenen Krankheiten die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit geniesst.

Sie feiern das Zehn-Jahre-Jubi­läum. Was gab den Ausschlag zur Grün­dung des Förder­ver­eins KMSK?

Als ich eine Fami­lie kennen­lernte, deren Kind eine seltene Krank­heit hatte, begann ich mich vermehrt mit diesem Thema ausein­an­der­zu­set­zen. Bestürzt musste ich fest­stel­len, dass es dafür weder eine Lobby in Bern noch genü­gend Sensi­bi­li­sie­rung in der Öffent­lich­keit gab – obwohl rund 350’000 Kinder und Jugend­li­che in der Schweiz betrof­fen sind! Mir fiel auf, dass anläss­lich des Inter­na­tio­na­len Tages der selte­nen Erkran­kun­gen, die Thema­tik mediale Aufmerk­sam­keit erhielt, aber kurz danach abebbte. Um jedoch eine nach­hal­tige Wirkung erzie­len zu können, bedarf es einer konstan­ten Sensi­bi­li­sie­rung und Infor­ma­tion der brei­ten Öffent­lich­keit und der Poli­tik. Nach weite­ren Gesprä­chen mit betrof­fe­nen Fami­lien, entschied ich, den Förder­ver­ein ins Leben zu rufen, der die Probleme konkret anspricht, bewegt und die Fami­lien nach aussen vertritt. 

Um eine nach­hal­tige Wirkung erzie­len zu können, bedarf es einer konstan­ten Sensi­bi­li­sie­rung und Infor­ma­tion der brei­ten Öffent­lich­keit und der Politik.

Manuela Stier, Grün­de­rin Förder­ver­ein für Kinder mit selte­nen Krank­hei­ten KMSK

Wir beglei­ten Fami­lien bis zum Ende des 17. Lebens­jah­res des betrof­fe­nen Kindes. Als ich den gemein­nüt­zi­gen Förder­ver­ein für Kinder mit selte­nen Krank­hei­ten am 20. Februar 2014 grün­dete, hätte ich mir nicht im Traum vorstel­len können, dass es uns gelin­gen würde, in dieser Zeit so viel zu bewe­gen! Durch unsere Arbeit konn­ten wir die Sensi­bi­li­sie­rung der brei­ten Öffent­lich­keit und der Poli­tik mass­geb­lich voran­trei­ben. Die schweiz­weit rund 350’000 Kinder und Jugend­li­che, die von einer selte­nen Krank­heit betrof­fen sind, haben durch unsere Mass­nah­men endlich ein Gesicht und ein Sprach­rohr erhalten.

Wie hat sich die Wahr­neh­mung für das Thema in diesem Jahr­zehnt verän­dert? Am 29. Februar ist der inter­na­tio­nale Tag der selte­nen Krank­hei­ten. Wie sensi­bel ist die Poli­tik für das Thema?

Alle Projekte, die wir ange­hen, werden auf die Bedürf­nisse der betrof­fe­nen Fami­lien ausge­rich­tet und müssen eine nach­hal­tige Wirkung erzie­len. Von Beginn an verfol­gen wir eine klare Stra­te­gie – Fami­lien finan­zi­ell unter­stüt­zen, Fami­lien verbin­den und den Wissens­trans­fer fördern. Die konti­nu­ier­li­che Weiter­ent­wick­lung dieser drei Fokus­the­men ist nur dank dem engen Austausch mit unse­ren KMSK Fami­lien und Fach­per­so­nen möglich. Projekte, wie die sechs KMSK Wissens­bü­cher Seltene Krank­hei­ten, die digi­tale KMSK Wissens­platt­form Seltene Krank­hei­ten und das jähr­li­che KMSK Wissens-Forum Seltene Krank­hei­ten sind aus konkre­ten Bedürf­nis­sen betrof­fe­ner Fami­lien entstanden. 

Ziel ist es, dass möglichst viele Perso­nen einen persön­li­chen oder beruf­li­chen Nutzen daraus ziehen können. Konse­quent trei­ben wir seit der Grün­dung des Förder­ver­eins am 20. Februar 2014 den nach­hal­tig wirken­den Wissens­trans­fer zum Thema Seltene Krank­hei­ten schweiz­weit voran. Um diesen bestän­di­gen Effekt erzie­len zu können, bedarf es einer konstan­ten Sensi­bi­li­sie­rung der brei­ten Öffent­lich­keit und der Poli­tik. Mit unse­ren Sensi­bi­li­sie­rungs­kam­pa­gnen errei­chen wir an hunder­ten von Touch­points ein Millio­nen­pu­bli­kum in der ganzen Schweiz. Dank der erreich­ten Themen­füh­rer­schaft im Bereich Kinder mit selte­nen Krank­hei­ten und der erfolg­rei­chen Posi­tio­nie­rung in der Fach­welt, rich­tet sich die Aufmerk­sam­keit nicht nur am Inter­na­tio­na­len Tag der selte­nen Krank­hei­ten auf die Thema­tik, sondern wirkt das ganze Jahr.

Was waren die gröss­ten Erfolge des KMSK?

Seit 2014 durf­ten wir betrof­fene Fami­lien mit rund drei Millio­nen Fran­ken für Spezi­al­the­ra­pien, Mobi­li­tät, Hilfs­mit­tel und Unter­stüt­zungs­leis­tun­gen unter­stüt­zen und über 10‘000 kleine und grosse Gäste an unse­ren kosten­lo­sen KMSK Fami­lien-Events begrüs­sen. Zudem zählen mitt­ler­weile 830 Fami­lien zu unse­rem natio­na­len Netz­werk. Gemein­sam konn­ten wir sowohl gesell­schaft­lich als auch poli­tisch ein tiefe­res Verständ­nis für das Thema schaf­fen. Die erste digi­tale KMSK Wissens­platt­form Seltene Krank­hei­ten bietet wich­tige Infor­ma­tio­nen in deutsch, fran­zö­sisch, italie­nisch und englisch. Sie ist Anlauf­stel­len für betrof­fene Fami­lien, Fach­per­so­nen und Poli­tik­schaf­fende in einer über­sicht­li­chen Darstel­lung. Zudem konn­ten wir errei­chen, dass Genetiker:innen unsere KMSK Wissens­bü­cher Seltene Krank­hei­ten nach einer Diagnose den betrof­fe­nen Fami­lien abge­ben. Somit haben diese eine direkte Anlauf­stelle und eine Gemein­schaft, die sie auf ihrem schwie­ri­gen neuen Lebens­weg begleitet.

Ohne die Unter­stüt­zung von lang­jäh­ri­gen Partner:innen wäre es uns nicht möglich, unsere Ziel­set­zung, schweiz­weit zu infor­mie­ren und zu sensi­bi­li­sie­ren, zu errei­chen. Ihre Beiträge sind von entschei­den­der Bedeu­tung für den Erfolg unse­rer Themen­füh­rer­schaft für seltene Krankheiten.

Mein Dank gilt aber natür­lich auch dem Vorstand des Förder­ver­eins für Kinder mit selte­nen Krank­hei­ten, der mich tatkräf­tig unter­stützt. Der Förder­ver­ein ist wie eine Stif­tung aufge­stellt, wobei ich als Geschäfts­füh­re­rin nicht Teil des Vorstan­des bin. Dadurch wird unsere Neutra­li­tät gewahrt.

Auch Ihr Maga­zin ist soeben erschie­nen. Ist es eine spezi­elle Jubiläumsausgabe?

In unse­rem neuen KMSK Maga­zin SELFCARE Seltene Krank­hei­ten, erste Ausgabe März 2024, ermög­li­chen wir der Leser­schaft einen tiefe­ren Einblick in unsere tägli­che Arbeit. Es ist ein neues Instru­ment, um unsere Dialog­grup­pen anzu­spre­chen und ihnen zu zeigen, was unsere 830 KMSK Fami­lien bewegt. Zudem wollen wir erleb­bar machen, wie betrof­fene Fami­lien, Ärzt:innen, Mitar­bei­te­rin­nen und Gönner:innen die Arbeit des Förder­ver­eins für Kinder mit selte­nen Krank­hei­ten wahr­neh­men und unter­stüt­zen. Das Maga­zin zeigt das breite und viel­fäl­tige Enga­ge­ment des Fördervereins.

Wissen mindert Ängste, sensi­bi­li­siert und befä­higt Eltern, selbst­be­wusst und auf Augen­höhe mit Fach­leu­ten zu kommunizieren. 

Manuela Stier

Vor einem Jahr hatte eine neue Verord­nung der Inva­li­den­ver­si­che­rung IV dazu geführt, dass die IV gewisse Leis­tun­gen für Kinder mit Geburts­ge­bre­chen nicht mehr über­nahm. Wie ist die Situa­tion heute?

Die Verord­nungs­än­de­rung führte dazu, dass nur noch auf der MiGeL, Mittel- und Gegen­stän­de­liste, gelis­tete Behand­lungs­ge­räte vergü­tet werden. Nach poli­ti­schem Enga­ge­ment wurde die Versor­gungs­lü­cke thema­ti­siert. Die IV kündigte vorüber­ge­hend die Vergü­tung von Zusatz­kos­ten an. Ein Runder Tisch mit Stake­hol­dern wurde gestar­tet, und vorerst gibt es keine Über­ar­bei­tung der MiGeL, sondern eine Rück­kehr zur bishe­ri­gen prag­ma­ti­schen Vergütungslösung.

Für die nächs­ten zehn Jahre: Wo sehen Sie den drin­gends­ten Handlungsbedarf?

Nach wie vor müssen betrof­fene Fami­lien nach­hal­tig entlas­tet und nicht zusätz­lich belas­tet werden! Die Fami­lien sollen sich auf ihrem Lebens­weg ernst genom­men fühlen und nicht allein gelas­sen oder belä­chelt werden. Der Förder­ver­ein wird auch in Zukunft eine wich­tige Anlauf­stelle für betrof­fene und neube­trof­fene Fami­lien sein. Er wird sich mit aller Kraft für deren Anlie­gen einset­zen. Sie sollen sich auch zukünf­tig auf uns verlas­sen und uns vertrauen können. Mit unse­ren Kommu­ni­ka­ti­ons­mass­nah­men werden wir weiter­hin die breite Öffent­lich­keit zum Thema Seltene Krank­hei­ten sensi­bi­li­sie­ren und den Wissens­trans­fer zwischen Fami­lien und Fach­per­so­nen vermehrt forcie­ren. Wissen mindert Ängste, sensi­bi­li­siert und befä­higt Eltern, selbst­be­wusst und auf Augen­höhe mit Fach­leu­ten zu kommu­ni­zie­ren. Der Fokus beim Wissens­trans­fer wird auch verstärkt auf Auszu­bil­dende gelegt.


Das KMSK Maga­zin SELFCARE Seltene Krankheiten.
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