Daniela Dürr, ehrenamtliche Stiftungsrätin bei der Stiftung Gertrud Kurz, Fachverantwortliche Marketing, Kommunikation und Fundraising bei Jungwacht Blauring Schweiz, Bild: Markus Forte

Gertrud Kurz Stif­tung: Zuhö­ren statt zuschauen

Daniela Dürr engagiert sich als ehrenamtliche Stiftungsrätin bei der Stiftung Gertrud Kurz. Die Stiftung setzt sich für geflüchtete Menschen ein. Sie unterstützen kleinere innovative Projekte – insbesondere wenn sie nicht nur für, sondern auch von Menschen mit Migrationshintergrund realisiert werden.

Gertrud Kurz enga­gierte sich im zwei­ten Welt­krieg und bis zu ihrem Tod für geflüch­tete Menschen. Heute sind 110 Millio­nen Menschen auf der Flucht. Was kann die Schweiz von ihrem Enga­ge­ment lernen?

Zuhö­ren statt zuschauen! Nebst­dem, dass struk­tu­relle Diskri­mi­nie­run­gen abge­baut werden müssen, braucht es Menschen, die Anlauf­stel­len für Geflüch­tete bieten. Gertrud Kurz sei Sozi­al­ar­bei­te­rin, Rechts­be­ra­te­rin und Seel­sor­ge­rin zugleich gewe­sen, meinte einst Profes­sor Martin Jung – und dies alles ohne je eine Ausbil­dung auf diesen Gebie­ten gemacht zu haben. Gertrud Kurz hat mit viel Beharr­lich­keit und gros­ser Empa­thie gehan­delt – mit Erfolg. Es ging ihr dabei nicht um die Mora­li­sie­rung, sondern sie appel­lierte an die Menschlichkeit.

Im Geiste von Gertrud Kurz fördert die Stif­tung heute inno­va­tive Projekte. Was zeich­net diese Projekte aus?

Uns über­zeu­gen nicht hohe Projekt­bud­gets, sondern lokale, bedürf­nis­ori­en­tierte und unbü­ro­kra­ti­sche Projekte. Die Stif­tung Gertrud Kurz konzen­triert ihre Beiträge auf Akti­vi­tä­ten, die weder von der öffent­li­chen Hand noch kaum von den führen­den Hilfs­wer­ken finan­ziert werden. Pro Projekt spre­chen wir meis­tens zwischen 500 bis 2000 Fran­ken, die lokal einge­setzt werden. Unsere finan­zi­el­len Mittel sind beschränkt, doch bringt dieser Ansatz lokale Wirkung.

Am liebs­ten fördern wir Projekte, die nicht für, sondern mit oder sogar VON Menschen mit Migra­ti­ons­hin­ter­grund gestal­tet werden. 

Daniela Dürr, ehren­amt­li­che Stif­tungs­rä­tin bei der Stif­tung Gertrud Kurz

Wer enga­giert sich in diesen Projekten?

Unsere Gesuch­stel­len­den sind divers und meis­tens (wie wir im Stif­tungs­rat) frei­wil­lig enga­giert. Am liebs­ten fördern wir Projekte, die nicht für, sondern mit oder sogar VON Menschen mit Migra­ti­ons­hin­ter­grund gestal­tet werden. Wer in die Schweiz flüch­ten musste, wird durch syste­ma­ti­sche Entmäch­ti­gungs- und Abhän­gig­keits­struk­tu­ren einge­schränkt. Je mehr Hand­lungs­fä­hig­kei­ten durch inno­va­tive Projekte zurück­ge­won­nen werden kann, desto besser.

Wo sehen Sie heute den gröss­ten Handlungsbedarf?

Krieg, Flucht, mensch­li­ches Leid – sind zurzeit präsen­ter denn je. Gleich­zei­tig dürfen wir nicht verges­sen: Eine Flucht prägt die betrof­fe­nen Menschen ein Leben lang. Wer flüch­ten muss, hat einige Hürden zu bewäl­ti­gen: Sprach­bar­rie­ren, Deklas­sie­rung, Kontroll­ver­lust, Fremd­be­stimmt­sein bis hin zu Identitätskrisen.

Die Sicher­heits­lage in Europa und der Welt hat sich in den vergan­ge­nen Jahren stark verän­dert. Spüren Sie eine Verän­de­rung bei den einge­reich­ten Projekt­ein­trä­gen? Hat sich der Fokus gewandelt?

Migra­tion und Inte­gra­tion sind Dauer­the­men. Tenden­zen können wir kaum fest­stel­len. Es freut uns zu sehen, dass neuer­dings mehr Projekte in länd­li­chen Gebie­ten umge­setzt werden, wo es tenden­zi­ell weni­ger Inte­gra­ti­ons­an­ge­bote als in den Städ­ten gibt.

Weshalb enga­gie­ren Sie sich in der Gertrud Kurz Stiftung?

«Lasst uns niemals unbe­tei­ligte Zuschau­ende sein.» Dieses Zitat von Gertrud Kurz bringt es auf den Punkt. Auch für mich gilt: Erkenne deinen Hand­lungs­spiel­raum und versu­che, etwas zu bewe­gen – auch wenn es nur im klei­nen Rahmen ist. Seit ich im Alter von 27 in den Stif­tungs­rat aufge­nom­men wurde profi­tiere ich von meinem Enga­ge­ment fach­lich wie auch persönlich.

Es freut uns zu sehen, dass neuer­dings mehr Projekte in länd­li­chen Gebie­ten umge­setzt werden, wo es tenden­zi­ell weni­ger Inte­gra­ti­ons­an­ge­bote als in den Städ­ten gibt.

Daniela Dürr

Sieben jüngere Frauen enga­gie­ren sich im Stif­tungs­rat. Ist diese Zusam­men­set­zung bewusst so gewählt?

Wir arbei­ten in unse­rer Zusam­men­set­zung einfach unglaub­lich gut und gern zusam­men. Dass gemäss dem Schwei­zer Stif­tungs­re­port 2023 nur 30,4 der Stif­tungs­rats­mit­glie­der weib­lich sind und wir zurzeit 100 Prozent errei­chen, macht uns bestimmt etwas stolz. Dabei hoffen wir vor allem, dass dies auch andere Stif­tungs­räte inspi­riert. Viel gewinn­brin­gen­der sind für mich die Diver­si­tät, was unsere Lebens­um­stände und Ausbil­dun­gen betrifft: Unsere Fach­per­so­nen im Stif­tungs­rat kennen sich bestens mit Inte­gra­ti­ons­the­men aus. Bei uns kann die Diver­si­tät unab­hän­gig vom Geschlecht wahr­ge­nom­men werden. Wir ergän­zen uns. Dieser Mehr­wert zählt.

Was macht gemein­nüt­zige Stif­tungs­ar­beit für junge Menschen attraktiv?

Der Stif­tungs­zweck steht für uns alle an erster Stelle. Der hohe Wirkungs­grad der Stif­tung und das Vertrauen unse­rer Spender*innen moti­viert. Wir leben ein gesun­des Erwar­tungs­ma­nage­ment und sehen die Stif­tung als unser persön­li­ches Lern­feld. Wir probie­ren aus und schät­zen die klei­nen Erfolge: So haben wir es im 2022 geschafft, dass Gertrud Kurz von der Schwei­ze­ri­schen Post mit einer Sonder­brief­marke geehrt wurde. (Als zweite Frau über­haupt, übrigens.)

StiftungSchweiz engagiert sich für eine Philanthropie, die mit möglichst wenig Aufwand viel bewirkt, für alle sichtbar und erlebbar ist und Freude bereitet.

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