Bild: Elisa Bortoluzzi, zVg

Gemein­sam zum erfolg­rei­chen Projekt

Im letzten Quartal des vergangenen Jahres erschien das Buch «Großzügigkeit im Dialog – Der Leitfaden für die Zusammenarbeit mit Mäzenen und Philanthropen» von Elisa Bortoluzzi und Chiara Tinonin. Das Buch gibt einen Einblick in einen ganz spezifischen Bereich der Philanthropie, in die Welt der Mäzen:innen und Major Donors. Wir haben mit Elisa Bortoluzzi ein Gespräch geführt.

An wen genau rich­tet sich das Buch?

An alle Perso­nen, die Inter­esse an der Phil­an­thro­pie haben und beispiels­weise im Nonpro­fit Bereich arbei­ten, an Kultur­schaf­fende und Künstler:nnen, Philanthropie-Spezialist:innen, Kommu­ni­ka­ti­ons­fach­leute, Marketingexpert:innen, aber auch an Studie­rende und Perso­nen aus dem öffent­li­chen Bereich. Denn die öffent­li­chen Insti­tu­tio­nen arbei­ten laufend mit Philanthrop:innen zusammen.

Wie ist es aufgebaut?

Es handelt sich um das erste opera­tive Hand­buch für die Zusam­men­ar­beit mit Mäzen:innen und Philanthrop:innen in deut­scher Spra­che. Es ist in zehn Kapi­tel unter­teilt und enthält einen abschlies­sen­den Anhang, der sich mit den Entwick­lungs­trends im Bereich der Phil­an­thro­pie befasst. Die Inhalte der einzel­nen Kapi­tel sind mit Check­lis­ten ergänzt, die die Anwen­dung der verschie­de­nen metho­di­schen Krite­rien für die prak­ti­sche Arbeit ermög­li­chen. Es ist ein leicht zu lesen­des Buch, das sich nicht nur an Fach­leute rich­tet, sondern an alle, die die faszi­nie­rende Welt der Phil­an­thro­pie entde­cken möchten.

Auf was muss ich bei Gesu­chen achten?

Auf formale Krite­rien. Kurze, präzise, grif­fige und prägnante Spra­che spre­chen an. Die Gestal­tung soll über­sicht­lich, anspre­chend und klar struk­tu­riert sein. Die Länge des Textes ist abhän­gig von der Komple­xi­tät des Projek­tes. Von der Struk­tur her sollte ein Gesuch über­sicht­li­che Infor­ma­tio­nen zu den Antragsteller:innen, deren Orga­ni­sa­tion und zum Projekt geben. Ziele und Ziel­grup­pen sind mit den Allein­stel­lungs­merk­ma­len hervor­zu­he­ben. Zum guten Antrag gehö­ren auch ein über­sicht­li­ches Budget, ein Finan­zie­rungs­plan und Hinweise zur Wirkungs­kon­trolle nach Abschluss des Projektes.

Welche Fähig­kei­ten sollte ein guter Gesuch­stel­ler – eine gute Gesuch­stel­le­rin haben?

Gute Gesuchsteller:innen sind Realist:innen: Sie sind dank­bar und diskret, indem sie öffent­li­che oder private Momente nutzen, um die Dank­bar­keit gegen­über den Förderer:innen auszu­drü­cken – auch nach Been­di­gung eines Projek­tes. Sie haben realis­ti­sche Vorstel­lun­gen über die Dauer einer Unter­stüt­zung und akzep­tie­ren, dass Förder:innen nicht auf unbe­stimmte Zeit gebun­den sein können und wollen. Deshalb sind gute Gesuchsteller:innen nicht abhän­gig von einer Förder­quelle. Sie blei­ben offen, konstruk­tiv und dankbar.

Wo sind die Herausforderungen?

Verein­ba­run­gen mit Mäzen:innen erfor­dern oft Geduld und einen langen Atem. Wer Gelder sucht, muss Resi­li­enz zeigen. Dabei spielt die gute Kommu­ni­ka­tion eine wich­tige Rolle. Verän­de­run­gen eines Projek­tes, Präzi­sie­run­gen oder Verfei­ne­run­gen müssen disku­tiert und mitge­teilt werden. Poten­ti­elle Mäzen:innen müssen auf diesem Weg beglei­tet werden. Gute Gesuchsteller:innen sind Visionär:innen und Storytel­ler, die in der Lage sind, Förder:innen stets wieder aufs Neue zu über­zeu­gen und zu begeistern. 

Sie erwäh­nen die Finan­zie­rungs­stra­te­gie des «Moves Manage­ment». Was müssen wir uns darun­ter vorstellen?

Wir haben in unse­rem Buch das «Moves Manage­ment» ausführ­lich beschrie­ben und mit Check­lis­ten für verschie­dene Projekte ergänzt. «Moves Manage­ment» beschreibt den ideal­ty­pi­schen Prozess, wie man in sieben Schrit­ten einen Mäzen oder eine Mäze­nin für sein Projekt findet: Die poten­ti­el­len Förder:innen iden­ti­fi­zie­ren; Förder:innen nach Möglich­kei­ten und Rahmen­be­din­gun­gen bewer­ten; die Liste prio­ri­sie­ren; eine indi­vi­dua­li­sierte Stra­te­gie planen und vorbe­rei­ten; die poten­ti­el­len Philanthrop:innen moti­vie­ren und einbe­zie­hen; das Spen­den­ge­such stel­len; die Spende verdan­ken und den Spen­der über die Verwen­dung der Mittel informieren.

Welches sind die finan­zi­el­len Dimen­sio­nen des Mäze­na­ten­tums weltweit?

Welt­weit machen heute gemäss Weal­thX, eine der welt­weit führen­den Phil­an­thro­pie Daten­ban­ken, Spen­den von Philanthrop:innen 36 Prozent des welt­wei­ten Spen­den­auf­kom­mens aus (Wealth_X_UHNW_Philanthropy_2022). In den kommen­den Jahren werden rund 450 Milli­ar­däre ihren Erben 2100 Milli­ar­den Dollar über­las­sen. Das ist die grösste Vermö­gens­über­tra­gung, die je statt­ge­fun­den hat. Wobei Europa die grösste Anzahl Multi-Gene­ra­tio­nen-Milli­ar­dä­ren hat. Das sind Fami­lien, die ihren Reich­tum im Laufe der Zeit geschaf­fen und erhal­ten haben.

Und in der Schweiz?

Für die Schweiz wissen wir, dass Förder­stif­tun­gen, gemäss Stif­tungs­re­port, etwa zwei Milli­ar­den Fran­ken pro Jahr ausschüt­ten: Das ist doppelt so viel, wie die Mittel, die im Schwei­zer Spon­so­ring-Markt flies­sen. Zu diesen Ausschüt­tun­gen kommen die Spen­den der Mäzen:innen. Dazu gibt es keine präzi­sen Zahlen. Wir wissen jedoch, dass diese sehr gross­zü­gig sind und oftmals grosse Beträge spen­den. Man denke nur an die Spende von 100 Millio­nen Fran­ken von Hans Jörg Wyss an die Univer­si­tät Bern. Die Höhe des priva­ten Spen­den­vo­lu­mens der Schwei­zer Bevöl­ke­rung wurde 2020 auf mehr als zwei Milli­ar­den Fran­ken geschätzt (Spen­den­re­port Schweiz, 2021).

Vielen wohl­ha­ben­den Menschen sieht man den Reich­tum nicht an. Wie findet man eine Mäze­nin oder einen Major Donor?

Es ist eine syste­ma­ti­sche Arbeit. Zuerst gilt es, das eigene Netz­werk und das Netz­werk der eige­nen Orga­ni­sa­tion zu evalu­ie­ren: Bestehen direkt oder indi­rekt Kontakte zu Persön­lich­kei­ten, die sich im Umfeld der Mäzen:innen bewe­gen (bspw. Family Offi­cer, Vermögensverwalter:innen, Rechts­an­wälte, Phil­an­thro­pie Berater:innen der Banken). Es gibt Daten­ban­ken, wie Weal­thX, die auf solche Suchen spezia­li­siert sind. Eine wich­tige Quelle ist die Konkur­renz mit verwand­ten Projek­ten. Mäzen:innen unter­stüt­zen gerne ähnli­che Insti­tu­tio­nen. Oder ich empfehle die Lektüre von einschlä­gi­gen Medien wie das «Mana­ger Maga­zin» oder die «Bilanz der 300 Reichs­ten». Auch Tages- und Fach­presse helfen zu erfah­ren, welche Projekte von Mäzen:innen unter­stützt werden.

Sind Mäzen:innen und Philanthrop:innen unter­ein­an­der organisiert?

Ja, sie orga­ni­sie­ren sich heute auf unter­schied­lichste Art und Weise. Die Wiege des phil­an­thro­pi­schen Verbands­we­sens ist die USA. Dazu gehö­ren «The Giving Pledge» oder das «Inter­na­tio­nal Network of Women’s Funds» (INWF). Zwei­te­res wurde im Jahr 2000 als Netz­werk von Stif­tun­gen gegrün­det, das die Frau­en­för­de­rung zum Ziel hat. Seine Funk­tion «Capa­city Buil­ding» sowie die Bünde­lung wirt­schaft­li­cher Möglich­kei­ten sind die Inten­tio­nen der betei­lig­ten Stif­tun­gen. Längst ist die Idee der phil­an­thro­pi­schen Netz­werke in Europa ange­kom­men. Im Jahr 2001 haben sich in Deutsch­land neun Phil­an­thro­pin­nen zusam­men­ge­schlos­sen und die Gemein­schafts­stif­tung «filia.die frau­en­stif­tung» gegrün­det. Eine gute Dekade später waren es bereits 58 Stif­te­rin­nen und zahl­rei­che weitere Spen­de­rin­nen, die bereit sind, Frau­en­in­itia­ti­ven in aller Welt zu unterstützen.

Gibt es auch Initia­ti­ven von euro­päi­schen oder schwei­ze­ri­schen Philanthrop:innen?

Es entste­hen laufend neue Initia­ti­ven: So hat beispiels­weise Mari­anne Engel­horn das Netz­werk «Millionaires for Huma­nity» gegrün­det, zusam­men mit gleich­ge­sinn­ten inter­na­tio­na­len jungen Milliardär:innen. Ihr Enga­ge­ment geht über das Phil­an­thro­pi­sche hinaus: Sie setzen sich für eine Vermö­gens­steuer ein. Mit den Steu­er­ein­nah­men soll der Staat die Folgen der COVID-19-Pande­mie lindern, Armut bekämp­fen und die UN-Ziele für nach­hal­tige Entwick­lung umset­zen. Und auch die Gross­ban­ken orga­ni­sie­ren Netz­werke für vermö­gende Perso­nen, wie bspw. die UBS die «Global Phil­an­thro­pists Commu­nity» (GPC). Diese verbin­det heute fast 400 UHNW-Philanthrop:innen, um gemein­sam phil­an­thro­pi­sche Inno­va­tio­nen voran­zu­trei­ben und aktiv an der Gestal­tung einer nach­hal­ti­ge­ren Zukunft mitzu­wir­ken (vgl. Isabella Tramon­tana, Ticino Welcome, Dezem­ber 2022).

Die Welt der Phil­an­thro­pie ist im Wandel. Die Digi­ta­li­sie­rung macht nicht halt vor dem drit­ten Sektor. Disku­tiert werden auch parti­zi­pa­tive Ansätze, wie bspw. das «Grant Making». Wird sich dieser Wandel auch auf das Mäze­na­ten­tum und das «Major Donor Fund­rai­sing» auswirken?

Die Digi­ta­li­sie­rung hat sich bereits in vielen Berei­chen nach­hal­tig ausge­wirkt. Das Mäze­na­ten­tum und die Phil­an­thro­pie erle­ben eine Phase gros­ser Expan­sion, sowohl was die Anzahl der Akteur:innen, die Höhe der inves­tier­ten Gelder als auch die neuen Stra­te­gien und Inter­ven­ti­ons­mo­delle betrifft. Viele Philanthrop:innen verfol­gen die Entwick­lung des sozia­len, wirt­schaft­li­chen und kultu­rel­len Umfelds und sind stark daran inter­es­siert, die Wirkung ihrer Initia­ti­ven zu maximieren.

Wie ist das zu verstehen?

Die globale Verfüg­bar­keit von Infor­ma­tio­nen in Echt­zeit spielt eine zentrale Rolle: Dank des Inter­nets können kultu­relle und soziale Themen und konkrete Projekte ohne Hinder­nisse und Barrie­ren jegli­cher Art zusam­men­ge­führt werden. Zudem ist es einfa­cher gewor­den, Mäzen:innen und Philanthrop:innen mit Projek­ten und Orga­ni­sa­tio­nen auf der ganzen Welt zu vernet­zen und die Zusam­men­ar­beit zwischen den Akteur:innen zu erleich­tern und so die Entwick­lung und den Austausch von bewähr­ten Prak­ti­ken zu fördern.

Wohin geht die Reise?

Es werden neue Modelle der Unter­stüt­zung einge­führt, die die Akti­vi­tä­ten tradi­tio­nel­ler phil­an­thro­pi­scher Stif­tun­gen mit gewinn­ori­en­tier­ten Akti­vi­tä­ten von Kultur- und Sozi­al­un­ter­neh­men kombi­nie­ren. Die tradi­tio­nel­len Formen der Förde­rung werden vermehrt durch neue Formen des akti­ven Enga­ge­ments und des geziel­ten Einsat­zes von phil­an­thro­pi­schem Kapi­tal ergänzt (Impact Inves­t­ing, missi­ons­be­zo­gene Inves­ti­tio­nen usw.). Philanthrop:innen wirken so zu Innovationstreiber:innen. Dies, weil sie Risi­ko­ka­pi­tal, Fach­wis­sen und Infra­struk­tur zur Verfü­gung stellen.

Schliess­lich entste­hen neue Formen der kollek­ti­ven Phil­an­thro­pie: Der Zusam­men­schluss von Perso­nen mit demsel­ben stra­te­gi­schen Ziel ist meines Erach­tens der Schlüs­sel, um grosse Heraus­for­de­run­gen der Gegen­wart durch eine gezielte Zusam­men­ar­beit zu meis­tern. Mäzen:innen arbei­ten daran. All diese Phäno­mene, die inter­na­tio­nale Vernet­zung, der Austausch und die zuneh­mende Vernet­zung der Philanthrop:innen verstär­ken diese Entwick­lun­gen und führen zu einem bedeu­ten­den Wandel im Mäze­na­ten­tum und in der Philanthropie.

Was hat Sie und Chiara Tino­nin dazu bewo­gen, sich genau diesem Thema anzunehmen?

Es gibt schon viele Bücher über Major Donor Fund­rai­sing, aber kein deutsch­spra­chi­ges Hand­buch über die Zusam­men­ar­beit mit Philanthrop:innen und Mäzen:innen. Der erste Gedanke ist bereits 2016 entstan­den, bei länge­ren Gesprä­chen mit einem befreun­de­ten Philo­so­phen. Es folg­ten Gesprä­che mit einer Jour­na­lis­tin über ein ganzes Jahr, um zu eruie­ren, welche gesell­schaft­li­chen Themen mit der Phil­an­thro­pie in Verbin­dung gebracht werden könn­ten. Und anhand wissen­schaft­li­cher Daten konnte ich sehen, dass sich der Markt der indi­vi­du­el­len Phil­an­thro­pie rasant entwi­ckelt und damit der rich­tige Zeit­punkt ist, meine Erfah­run­gen zu teilen. Ziel ist, einen einfa­chen, prag­ma­ti­schen Weg in der Mittel­be­schaf­fung mit Mäzen:innen und Philanthrop:innen aufzu­zei­gen. Die Begeg­nung mit meiner Co-Autorin Chiara Tino­nin im 2019 brachte schliess­lich den Stein ins Rollen. 

Über die Autorin. Das Buch.

Elisa Borto­luzzi Dubach ist Bera­te­rin für Spon­so­ring, Stif­tun­gen und Mäze­na­ten­tum und Dozen­tin an inter­na­tio­na­len Univer­si­tä­ten und Fach­hoch­schu­len. Sie verfasste zahl­rei­che Fach­bei­träge in Zeitun­gen, Zeit­schrif­ten und Kompen­dien. Sie ist Autorin verschie­de­ner Bücher in Bereich Spon­so­ring und Phil­an­thro­pie, wie bspw. «Stif­tun­gen – Der Leit­fa­den für Antrag­stel­ler» (Helbing Lich­ten­hahn Verlag, 3. Auflage), Co-Autorin mit Hans­ru­dolf Frey von «Spon­so­ring – der Leit­fa­den für die Praxis» (Haupt Verlag, 5. Aufl.), Mäze­n­in­nen – Denken – Handeln – Bewe­gen (Haupt Verlag, 2. Auflage), Co-Autorin mit Chiara Tino­nin von «Groß­zü­gig­keit im Dialog – Der Leit­fa­den für die Zusam­men­ar­beit mit Mäze­nen und Phil­an­thro­pen» (Haupt Verlag). Zudem ist sie Mitglied verschie­de­ner natio­na­ler und inter­na­tio­na­ler Berufs­ver­bände. (www.elisabortoluzzi.com).

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