An wen genau richtet sich das Buch?
An alle Personen, die Interesse an der Philanthropie haben und beispielsweise im Nonprofit Bereich arbeiten, an Kulturschaffende und Künstler:nnen, Philanthropie-Spezialist:innen, Kommunikationsfachleute, Marketingexpert:innen, aber auch an Studierende und Personen aus dem öffentlichen Bereich. Denn die öffentlichen Institutionen arbeiten laufend mit Philanthrop:innen zusammen.
Wie ist es aufgebaut?
Es handelt sich um das erste operative Handbuch für die Zusammenarbeit mit Mäzen:innen und Philanthrop:innen in deutscher Sprache. Es ist in zehn Kapitel unterteilt und enthält einen abschliessenden Anhang, der sich mit den Entwicklungstrends im Bereich der Philanthropie befasst. Die Inhalte der einzelnen Kapitel sind mit Checklisten ergänzt, die die Anwendung der verschiedenen methodischen Kriterien für die praktische Arbeit ermöglichen. Es ist ein leicht zu lesendes Buch, das sich nicht nur an Fachleute richtet, sondern an alle, die die faszinierende Welt der Philanthropie entdecken möchten.
Auf was muss ich bei Gesuchen achten?
Auf formale Kriterien. Kurze, präzise, griffige und prägnante Sprache sprechen an. Die Gestaltung soll übersichtlich, ansprechend und klar strukturiert sein. Die Länge des Textes ist abhängig von der Komplexität des Projektes. Von der Struktur her sollte ein Gesuch übersichtliche Informationen zu den Antragsteller:innen, deren Organisation und zum Projekt geben. Ziele und Zielgruppen sind mit den Alleinstellungsmerkmalen hervorzuheben. Zum guten Antrag gehören auch ein übersichtliches Budget, ein Finanzierungsplan und Hinweise zur Wirkungskontrolle nach Abschluss des Projektes.
Welche Fähigkeiten sollte ein guter Gesuchsteller – eine gute Gesuchstellerin haben?
Gute Gesuchsteller:innen sind Realist:innen: Sie sind dankbar und diskret, indem sie öffentliche oder private Momente nutzen, um die Dankbarkeit gegenüber den Förderer:innen auszudrücken – auch nach Beendigung eines Projektes. Sie haben realistische Vorstellungen über die Dauer einer Unterstützung und akzeptieren, dass Förder:innen nicht auf unbestimmte Zeit gebunden sein können und wollen. Deshalb sind gute Gesuchsteller:innen nicht abhängig von einer Förderquelle. Sie bleiben offen, konstruktiv und dankbar.
Wo sind die Herausforderungen?
Vereinbarungen mit Mäzen:innen erfordern oft Geduld und einen langen Atem. Wer Gelder sucht, muss Resilienz zeigen. Dabei spielt die gute Kommunikation eine wichtige Rolle. Veränderungen eines Projektes, Präzisierungen oder Verfeinerungen müssen diskutiert und mitgeteilt werden. Potentielle Mäzen:innen müssen auf diesem Weg begleitet werden. Gute Gesuchsteller:innen sind Visionär:innen und Storyteller, die in der Lage sind, Förder:innen stets wieder aufs Neue zu überzeugen und zu begeistern.
Sie erwähnen die Finanzierungsstrategie des «Moves Management». Was müssen wir uns darunter vorstellen?
Wir haben in unserem Buch das «Moves Management» ausführlich beschrieben und mit Checklisten für verschiedene Projekte ergänzt. «Moves Management» beschreibt den idealtypischen Prozess, wie man in sieben Schritten einen Mäzen oder eine Mäzenin für sein Projekt findet: Die potentiellen Förder:innen identifizieren; Förder:innen nach Möglichkeiten und Rahmenbedingungen bewerten; die Liste priorisieren; eine individualisierte Strategie planen und vorbereiten; die potentiellen Philanthrop:innen motivieren und einbeziehen; das Spendengesuch stellen; die Spende verdanken und den Spender über die Verwendung der Mittel informieren.
Welches sind die finanziellen Dimensionen des Mäzenatentums weltweit?
Weltweit machen heute gemäss WealthX, eine der weltweit führenden Philanthropie Datenbanken, Spenden von Philanthrop:innen 36 Prozent des weltweiten Spendenaufkommens aus (Wealth_X_UHNW_Philanthropy_2022). In den kommenden Jahren werden rund 450 Milliardäre ihren Erben 2100 Milliarden Dollar überlassen. Das ist die grösste Vermögensübertragung, die je stattgefunden hat. Wobei Europa die grösste Anzahl Multi-Generationen-Milliardären hat. Das sind Familien, die ihren Reichtum im Laufe der Zeit geschaffen und erhalten haben.
Und in der Schweiz?
Für die Schweiz wissen wir, dass Förderstiftungen, gemäss Stiftungsreport, etwa zwei Milliarden Franken pro Jahr ausschütten: Das ist doppelt so viel, wie die Mittel, die im Schweizer Sponsoring-Markt fliessen. Zu diesen Ausschüttungen kommen die Spenden der Mäzen:innen. Dazu gibt es keine präzisen Zahlen. Wir wissen jedoch, dass diese sehr grosszügig sind und oftmals grosse Beträge spenden. Man denke nur an die Spende von 100 Millionen Franken von Hans Jörg Wyss an die Universität Bern. Die Höhe des privaten Spendenvolumens der Schweizer Bevölkerung wurde 2020 auf mehr als zwei Milliarden Franken geschätzt (Spendenreport Schweiz, 2021).
Vielen wohlhabenden Menschen sieht man den Reichtum nicht an. Wie findet man eine Mäzenin oder einen Major Donor?
Es ist eine systematische Arbeit. Zuerst gilt es, das eigene Netzwerk und das Netzwerk der eigenen Organisation zu evaluieren: Bestehen direkt oder indirekt Kontakte zu Persönlichkeiten, die sich im Umfeld der Mäzen:innen bewegen (bspw. Family Officer, Vermögensverwalter:innen, Rechtsanwälte, Philanthropie Berater:innen der Banken). Es gibt Datenbanken, wie WealthX, die auf solche Suchen spezialisiert sind. Eine wichtige Quelle ist die Konkurrenz mit verwandten Projekten. Mäzen:innen unterstützen gerne ähnliche Institutionen. Oder ich empfehle die Lektüre von einschlägigen Medien wie das «Manager Magazin» oder die «Bilanz der 300 Reichsten». Auch Tages- und Fachpresse helfen zu erfahren, welche Projekte von Mäzen:innen unterstützt werden.
Sind Mäzen:innen und Philanthrop:innen untereinander organisiert?
Ja, sie organisieren sich heute auf unterschiedlichste Art und Weise. Die Wiege des philanthropischen Verbandswesens ist die USA. Dazu gehören «The Giving Pledge» oder das «International Network of Women’s Funds» (INWF). Zweiteres wurde im Jahr 2000 als Netzwerk von Stiftungen gegründet, das die Frauenförderung zum Ziel hat. Seine Funktion «Capacity Building» sowie die Bündelung wirtschaftlicher Möglichkeiten sind die Intentionen der beteiligten Stiftungen. Längst ist die Idee der philanthropischen Netzwerke in Europa angekommen. Im Jahr 2001 haben sich in Deutschland neun Philanthropinnen zusammengeschlossen und die Gemeinschaftsstiftung «filia.die frauenstiftung» gegründet. Eine gute Dekade später waren es bereits 58 Stifterinnen und zahlreiche weitere Spenderinnen, die bereit sind, Fraueninitiativen in aller Welt zu unterstützen.
Gibt es auch Initiativen von europäischen oder schweizerischen Philanthrop:innen?
Es entstehen laufend neue Initiativen: So hat beispielsweise Marianne Engelhorn das Netzwerk «Millionaires for Humanity» gegründet, zusammen mit gleichgesinnten internationalen jungen Milliardär:innen. Ihr Engagement geht über das Philanthropische hinaus: Sie setzen sich für eine Vermögenssteuer ein. Mit den Steuereinnahmen soll der Staat die Folgen der COVID-19-Pandemie lindern, Armut bekämpfen und die UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung umsetzen. Und auch die Grossbanken organisieren Netzwerke für vermögende Personen, wie bspw. die UBS die «Global Philanthropists Community» (GPC). Diese verbindet heute fast 400 UHNW-Philanthrop:innen, um gemeinsam philanthropische Innovationen voranzutreiben und aktiv an der Gestaltung einer nachhaltigeren Zukunft mitzuwirken (vgl. Isabella Tramontana, Ticino Welcome, Dezember 2022).
Die Welt der Philanthropie ist im Wandel. Die Digitalisierung macht nicht halt vor dem dritten Sektor. Diskutiert werden auch partizipative Ansätze, wie bspw. das «Grant Making». Wird sich dieser Wandel auch auf das Mäzenatentum und das «Major Donor Fundraising» auswirken?
Die Digitalisierung hat sich bereits in vielen Bereichen nachhaltig ausgewirkt. Das Mäzenatentum und die Philanthropie erleben eine Phase grosser Expansion, sowohl was die Anzahl der Akteur:innen, die Höhe der investierten Gelder als auch die neuen Strategien und Interventionsmodelle betrifft. Viele Philanthrop:innen verfolgen die Entwicklung des sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Umfelds und sind stark daran interessiert, die Wirkung ihrer Initiativen zu maximieren.
Wie ist das zu verstehen?
Die globale Verfügbarkeit von Informationen in Echtzeit spielt eine zentrale Rolle: Dank des Internets können kulturelle und soziale Themen und konkrete Projekte ohne Hindernisse und Barrieren jeglicher Art zusammengeführt werden. Zudem ist es einfacher geworden, Mäzen:innen und Philanthrop:innen mit Projekten und Organisationen auf der ganzen Welt zu vernetzen und die Zusammenarbeit zwischen den Akteur:innen zu erleichtern und so die Entwicklung und den Austausch von bewährten Praktiken zu fördern.
Wohin geht die Reise?
Es werden neue Modelle der Unterstützung eingeführt, die die Aktivitäten traditioneller philanthropischer Stiftungen mit gewinnorientierten Aktivitäten von Kultur- und Sozialunternehmen kombinieren. Die traditionellen Formen der Förderung werden vermehrt durch neue Formen des aktiven Engagements und des gezielten Einsatzes von philanthropischem Kapital ergänzt (Impact Investing, missionsbezogene Investitionen usw.). Philanthrop:innen wirken so zu Innovationstreiber:innen. Dies, weil sie Risikokapital, Fachwissen und Infrastruktur zur Verfügung stellen.
Schliesslich entstehen neue Formen der kollektiven Philanthropie: Der Zusammenschluss von Personen mit demselben strategischen Ziel ist meines Erachtens der Schlüssel, um grosse Herausforderungen der Gegenwart durch eine gezielte Zusammenarbeit zu meistern. Mäzen:innen arbeiten daran. All diese Phänomene, die internationale Vernetzung, der Austausch und die zunehmende Vernetzung der Philanthrop:innen verstärken diese Entwicklungen und führen zu einem bedeutenden Wandel im Mäzenatentum und in der Philanthropie.
Was hat Sie und Chiara Tinonin dazu bewogen, sich genau diesem Thema anzunehmen?
Es gibt schon viele Bücher über Major Donor Fundraising, aber kein deutschsprachiges Handbuch über die Zusammenarbeit mit Philanthrop:innen und Mäzen:innen. Der erste Gedanke ist bereits 2016 entstanden, bei längeren Gesprächen mit einem befreundeten Philosophen. Es folgten Gespräche mit einer Journalistin über ein ganzes Jahr, um zu eruieren, welche gesellschaftlichen Themen mit der Philanthropie in Verbindung gebracht werden könnten. Und anhand wissenschaftlicher Daten konnte ich sehen, dass sich der Markt der individuellen Philanthropie rasant entwickelt und damit der richtige Zeitpunkt ist, meine Erfahrungen zu teilen. Ziel ist, einen einfachen, pragmatischen Weg in der Mittelbeschaffung mit Mäzen:innen und Philanthrop:innen aufzuzeigen. Die Begegnung mit meiner Co-Autorin Chiara Tinonin im 2019 brachte schliesslich den Stein ins Rollen.
Über die Autorin. Das Buch.
Elisa Bortoluzzi Dubach ist Beraterin für Sponsoring, Stiftungen und Mäzenatentum und Dozentin an internationalen Universitäten und Fachhochschulen. Sie verfasste zahlreiche Fachbeiträge in Zeitungen, Zeitschriften und Kompendien. Sie ist Autorin verschiedener Bücher in Bereich Sponsoring und Philanthropie, wie bspw. «Stiftungen – Der Leitfaden für Antragsteller» (Helbing Lichtenhahn Verlag, 3. Auflage), Co-Autorin mit Hansrudolf Frey von «Sponsoring – der Leitfaden für die Praxis» (Haupt Verlag, 5. Aufl.), Mäzeninnen – Denken – Handeln – Bewegen (Haupt Verlag, 2. Auflage), Co-Autorin mit Chiara Tinonin von «Großzügigkeit im Dialog – Der Leitfaden für die Zusammenarbeit mit Mäzenen und Philanthropen» (Haupt Verlag). Zudem ist sie Mitglied verschiedener nationaler und internationaler Berufsverbände. (www.elisabortoluzzi.com).