Zukunft Weide – Grasland
Das Schweizer Ernährungssystem steht vor grossen ökologischen und sozioökonomischen Herausforderungen. Zum wirtschaftlichen Druck auf die Stakeholder des Wertschöpfungsnetzwerks gesellen sich immer grössere gesellschaftliche Forderungen. Ausserdem sind aus ökologischer Perspektive Stand heute bereits sechs von neun planetaren Grenzen überschritten. Auch auf nationaler Ebene werden die Umweltziele, die massgeblich mit der Landwirtschaft in Verbindung stehen, nicht erreicht. Ein zukunftsfähiges Ökosystem bedarf daher eines Paradigmenwechsels von der Nachhaltigkeit hin zur Regeneration.
Gute Voraussetzungen
Dass viele entsprechende Initiativen nicht über den Status reiner Zielbild-Postulate hinauskommen, liegt nicht an mangelndem Wissen oder fehlender Kompetenz. Die Schweiz verfügt über eine grosse Zahl exzellenter Akteure und Einrichtungen aus Forschung, Landwirtschaft, Beratung sowie nicht zuletzt ein grosses Netzwerk an engagierten Fördereinrichtungen. Die technischen und monetären Ressourcen für die Konzipierung und Umsetzung eines zukunftsfähigen Ernährungssystems sind daher gegeben. Der Ernährungssektor ist dabei nicht nur für die Ernährungssicherheit relevant. Insbesondere die Landwirtschaft ist für eine ökologische Wirkungs- und Systemplanung essenziell, da sie direkt mit dem Ökosystem interagiert. Hier lassen sich daher die grössten kausalen Hebeleffekte auf die Umwelt erzielen.
Differenzierter Blick ist gefragt
Im öffentlichen und wissenschaftlichen Diskurs steht häufig die Nutztierhaltung im Mittelpunkt. Insbesondere die Rinderhaltung wird für schwerwiegende negative Auswirkungen auf das Ökosystem verantwortlich gemacht. Wenig differenziert wird von «der» Milch- und Fleischproduktion gesprochen. Verschiedene Tierhaltungs- und Fütterungssysteme unterscheiden sich jedoch sehr stark, auch in ihrem Grad der Intensivierung und damit in ihren ökologischen und sozioökonomischen Effekten. Öffentliche Extrempositionen schwanken dabei zwischen dem Ruf nach intensiven Stallhaltungssystemen und dem totalen Verzicht auf Fleisch. Dabei mangelt es beiden Perspektiven am Verständnis für Nährstoffkreisläufe und Fruchtfolgen, an systemischen Wechselwirkungen zwischen Nutztierhaltung und Artenvielfalt sowie an einer standort- und ressourcenangepassten Produktion.
Zielgerichtete Förderung
Die Nutztierhaltung wird aus agrarwirtschaftlicher, kultureller und sozioökologischer Sicht weiterhin bedeutend sein für nachhaltige oder regenerative Ernährungssysteme. Wichtig ist allerdings die Gestaltung ihrer Rahmenbedingungen. Die angesprochene Polarisierung nützt daher wenig(en). Vielmehr sind die Potenziale einer regenerativen Nutztierhaltung und ihres Wertschöpfungsnetzwerks zu erforschen, zu konzipieren und zielgerecht zu fördern.
Positive Auswirkung
Die graslandbasierte Haltung von Wiederkäuern hat überwiegend positive Auswirkungen auf die ökologischen Subsystemebenen Biodiversität, Bodengesundheit, ‑fruchtbarkeit und ‑schutz sowie auf die Wasserregulation. Durch Wiederkäuer gepflegtes Grasland ist besser vor Klimaextremen geschützt.
Ein zukunftsfähiges Schweizer Ernährungssystem benötigt daher u. a. drei Dinge:
- eine bessere Vernetzung unter den Stakeholdern, um Kräfte zu bündeln, Synergien zu nutzen und an gemeinsamen Lösungen zu arbeiten;
- die konkrete Förderung und Umsetzung wirkungsbasierter Projekte nach einer geeigneten Wirkungslogik und ihre Erfolgsmessung mittels holistischer, an Stakeholder angepasster KPIs;
- die Sensibilisierung von Öffentlichkeit und Politik für das grosse Potenzial und die wichtigen positiven systemischen Effekte graslandbasierter Produktionssysteme der Wiederkäuerhaltung.
Hinzu kommt die Monetarisierung von Ökosystemdienstleistungen. Denn letztlich hängt die Zukunft unseres Ernährungssystems davon ab, ob es unserer Gesellschaft gelingt, die Produzenten angemessen für ihre gesellschaftlichen Dienstleistungen zu entlöhnen.