Fotos: istock / Christian Horz

Ein Hoch auf die Normalität

Streben Gesellschaft, Organisationen oder Individuen nach Resilienz, müssen sie die Stärke des Normalen erkennen und Gefahren akzeptieren.

Zu Weih­nach­ten wirkt unsere Gesell­schaft, als wäre alles in bester Ordnung. Die vielen Lich­ter, die Geschenke, die Spen­den­ak­tio­nen und die Feste – das alles kehrt Jahr für Jahr wieder und erzeugt den Anschein von Norma­li­tät. Es ist das Bild einer sozia­len, guten Gesell­schaft, in der man fürsorg­lich zuein­an­der schauen und das Leid mindern möchte. Viel­leicht verbun­den mit etwas Hoff­nung, die wie ein guter Vorsatz den Jahres­wech­sel kaum übersteht.

Geteilte Werte unter Beschuss

Hoff­nung war einst das beste Haus­mit­tel für die indi­vi­du­elle Resi­li­enz. Die Hoff­nung ist, dass es am Ende gut kommt. Und je grös­ser diese Hoff­nung, umso stand­fes­ter liess sich eine Krise ertra­gen. Auch die Reli­gion spielte hier eine entschei­dende Rolle: Noch immer beruft sich die Präam­bel der aktu­el­len Bundes­ver­fas­sung auf Gott den Allmäch­ti­gen – und offen­bart genau damit die Heraus­for­de­run­gen einer säku­la­ren Welt. Denn heute fehlt diese «gott­ge­ge­bene» gemein­same Grundlage.

Im Alltag lässt sich dies kaschie­ren. Dank genü­gen­der indi­vi­du­el­ler Frei­heit wird das gemein­same Funda­ment kaum gefor­dert. Anders in der Krise. Da gewinnt das Tren­nende an Bedeu­tung. Das gemein­same Verständ­nis ist gefor­dert und geteilte Werte durch­lau­fen eine Belastungsprobe.

Verlo­re­nes Vertrauen

Soli­da­ri­tät hat viele Facet­ten. Wenn es darauf ankommt, sind wir wähle­risch: Mit wem sind wir soli­da­risch und welche eige­nen Einschrän­kun­gen nehmen wir dabei in Kauf? Hinzu kommt: Fehl- und Falsch­in­for­ma­tio­nen torpe­die­ren das gemein­same Verständ­nis und fordern damit auch das Selbst­ver­ständ­nis heraus. Gerade die gemein­same Werte­ba­sis ist aber Voraus­set­zung für die Debatte, die aus der Krise führt.

In der Pande­mie haben wir das alle eindrück­lich erlebt. Die Krise liess das Alltäg­li­che plötz­lich unsi­cher erschei­nen. Wer die ersten Tage des Lock­downs nicht verges­sen hat, erin­nert sich an leere Regale in der Migros, an fehlen­des Toilet­ten­pa­pier im Coop. Auch die Resi­li­enz der Schwei­zer Gesell­schaft ist wohl nicht gott­ge­ge­ben, auch wenn Demo­kra­tie und Wohl­stand hier eine solide Grund­lage bilden. Schon die Aussicht auf einen Lock­down hat genügt – und das Toilet­ten­pa­pier war leer­ge­kauft. Die Welt hat sich seit 2020 verän­dert. Die Resi­li­enz der Welt­ord­nung steht auf dem Prüfstand.

Anspruchs­volle Zukunft

Die Flücht­lings­ströme über das Mittel­meer fordern täglich Menschen­le­ben. Die unmensch­li­che Frage, wie wir damit umge­hen, pola­ri­siert die Gesell­schaf­ten in Europa. In der Ukraine herrscht Krieg. Im Nahen Osten eska­lie­ren Konflikte mit uner­war­te­ter Bruta­li­tät und lösen eine erschre­ckende Welle von Anti­se­mi­tis­mus aus. Das zeigt vor allem eines: In einer globa­li­sier­ten Welt ist die Stabi­li­tät keine natio­nale Ange­le­gen­heit mehr.

Wer Gefah­ren igno­riert oder rela­ti­viert, fördert sie. Hier greift das Konzept der Resi­li­enz: Es akzep­tiert die Gefahr und die Tatsa­che, dass nicht jede Gefahr elimi­niert werden kann. Im Gegen­teil. Es wäre falsch zu denken, dass wir in eine gefah­ren­lose Zukunft schrei­ten könn­ten. Klima­wan­del, stei­gende soziale Ungleich­heit oder poli­ti­sche Pola­ri­sie­rung werden die Gesell­schaft künf­tig auf die Probe stel­len. Damit wir mit diesen Gefah­ren umge­hen können, gilt es, an «norma­len» Tagen jene Werte zu finden und zu pfle­gen, die den Zusam­men­halt in der Gesell­schaft stär­ken. Wir müssen uns heute mit den Gefah­ren von morgen ausein­an­der­set­zen, um die zukunfts­fä­hige Gesell­schaft zu schaffen.

Norma­li­tät stärken

Stif­tun­gen und Nonpro­fits nehmen dabei eine wich­tige Rolle ein. Sie unter­stüt­zen jene, die in der Krise durch alle Maschen fallen, und stär­ken damit die Resi­li­enz der Gesell­schaft. Rasch und unkom­pli­ziert und gerade dort, wo alle ande­ren Akteur:innen versagen.

Stif­tun­gen haben auch das Poten­zial, Resi­li­enz gezielt zu stär­ken. Die Maya-Klawa-Morf-Stif­tung fördert demo­kra­ti­sche Grund­werte. Pro Mente Sana setzt sich für Menschen mit psychi­schen Beein­träch­ti­gun­gen ein: Sie unter­stützt diese nicht nur in der persön­li­chen Krise, sondern gibt ihnen eine Stimme. Damit hilft sie, ihre Situa­tion gene­rell zu verbes­sern und die Gesell­schaft resi­li­en­ter zu machen, weil sie auf eine verbor­gene Gefahr hinweist.

Für den gesell­schaft­li­chen Zusam­men­halt rele­vant ist auch eine starke und unab­hän­gige Medi­en­land­schaft. Jour­na­lis­mus deckt auf, ordnet ein und bietet Geschich­ten und Werten der Gesell­schaft einen Raum, die über die Gren­zen der persön­li­chen Commu­nity hinaus geteilt und disku­tiert werden. Die Gefahr eines Zerfalls unse­res Medi­en­sys­tems und der folgen­den Desta­bi­li­sie­rung der Gesell­schaft ist im Phil­an­thro­pie­sek­tor noch nicht ange­kom­men. Stif­tun­gen, die sich dieser Entwick­lung anneh­men, können fast an einer Hand abge­zählt werden. Dass sie Erfolg haben, darauf können wir alle hoffen. Und wir soll­ten sicher­stel­len, dass sich die Gesell­schaft ihrer Schwach­stel­len auch im Alltag annimmt. Resi­li­en­ter werden heisst, diese Norma­li­tät zu stärken.

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