Das Büro für Wagemut hat eine Umfrage mit 18 Pionier-Projekten durchgeführt. Was genau war das Ziel der Befragung?
Wir haben nach öffentlichen Daten gesucht, welche den Zusammenhang zwischen eingesetzten Fördermitteln und der erzielten Wirkung aufzeigen. Dabei haben wir festgestellt, dass es wenig öffentliche Studien oder Statistiken über mutige und innovative Förderprojekte gibt. Da haben wir gedacht: Dann machen wir das halt selber.
Welche Erkenntnisse habt ihr aus den Antworten der befragten Pionier-Projekte gewonnen?
Absolut ausschlaggebend für den Erfolg eines Projekts sind die Menschen, die dahinterstehen. Allen voran natürlich das Team, aber auch das Netzwerk, die Allies und die Förderer, die an die Projektträger:innen glauben. Oftmals unterschätzt wird hingegen die Relevanz der Organisationsstruktur: Starke Projekte brauchen eine stabile Trägerschaft. Vielen wurde das erst im Verlauf des Projekts bewusst — teilweise sogar erst, als es schon zu spät war. Überrascht wiederum hat uns der Fakt, dass die Intuition eine so grosse Rolle spielt. Diesbezüglich zeigen die Ergebnisse: Die gemeinsame Vision leitet das Projekt im Grossen, die Intuition im Kleinen.
Was sind die spezifischen Herausforderungen, denen wagemutige Förderprojekte gegenüberstehen?
In der Aufbauphase sind es insbesondere die administrativen und prozessbezogenen Fragen, die viel Zeit und Nerven kosten: Welche Organisationsform haben wir, wie werden wir steuerbefreit, mit welchen Tools arbeiten wir, welchen Modus finden wir im Team? Ausserdem besteht die Gefahr, dass sich Teams aufgrund der Komplexität und Gleichzeitigkeit der Aufgaben — vom Organisationsaufbau, der Produktentwicklung über HR- und Kommunikationsthemen — verzetteln und den Fokus verlieren.
Wie mutig investieren Stiftungen?
Aus unserer Sicht gibt es da noch sehr viel Potenzial. Stiftungen sind extrem wichtige Akteurinnen auf der Suche nach Antworten auf die grossen Herausforderungen unserer Zeit. Mit ihrem Kapital können sie echten systemischen Wandel, neuartige Ansätze und Experimente ermöglichen, für die es sonst keinen Platz oder Markt gibt. Allerdings haben diese Projekte naturgemäss oftmals auch ein höheres Risiko. Aber genau das ist es, was viele abschreckt. Mit unserem Angebot setzen wir genau hier an: mit gezielter Unterstützung helfen wir, dieses Risiko besser zu managen.
Wie wichtig sind starke Teams?
Teams sind der entscheidende Erfolgsfaktor. Dies hat die Umfrage sehr deutlich gezeigt, aber auch unsere eigene Erfahrung bestätigt dies immer wieder. Wenn wir einen Grundsatz formulieren müssten, wäre es der: es lohnt sich viel mehr, in ein noch nicht ausgereiftes Projekt mit einem starken Team zu investieren, als in ein konzeptionell total überzeugendes Projekt, bei dem aber das Team nicht überzeugt.
Anschubfinanzierungen enden oft nach ein paar wenigen Jahren. Wie wichtig ist eine stabile und kontinuierliche Trägerschaft für den Erfolg eines Projektes?
Langfristig gesehen ist eine solide, also resiliente Organisation für den Erfolg eines Projekts zentral. Ist dieses auf brüchigen Strukturen aufgebaut, so bleibt die Basis instabil und unruhig, was wiederum auf das Projekt und letztendlich auf dessen Wirkung Einfluss hat.
Wie stark ist der Stiftungssektor für die Themen Entwicklung und Resilienz von Organisationen sensibilisiert?
Es gibt im Stiftungssektor zunehmend eine Sensibilisierung, was die Organisationsentwicklung betrifft. Nach wie vor sind jedoch viele Non-Profit-Organisationen in einem ständigen Überlebenskampf und gezwungen, ihre Strukturen und operativen Tätigkeiten über Projekte zu finanzieren. Dies schadet nicht nur den Projekten selbst, sondern auch den Organisationen dahinter, welche sich eigentlich auf ihre Kerntätigkeiten fokussieren sollten. Was hier Abhilfe schaffen könnte, ist das Konzept von Förderkonsorzien, bei denen mehrere Stiftungen gemeinsam die Struktur einer Organisation finanziell sicherstellen.
Wie lassen sich die Prinzipien Vertrauen, Solidarität und gegenseitiges Einstehen in der Unternehmenskultur umsetzen?
Aus unserer Sicht ist eine aktive, offene Kommunikation essenziell: Sie schafft ein Verständnis füreinander und dafür, wie die andere Person tickt: Was sind ihre Werte, Erwartungen, wie sieht die Zusammenarbeit in einer idealen Welt aus? Wir selber haben diese Aspekte in einer Gründerinnenvereinbarung festgehalten — unsere Art von Ehe-Vertrag. Darin steht unter anderem, dass wir eine Sorgfaltspflicht für die jeweils andere haben. So wird aus einem Vorsatz eine offizielle Abmachung: wir passen aufeinander auf.
Ihr seid gerade erst mit dem Büro für Wagemut gestartet. Welche Strategien verfolgt ihr, um mit Unsicherheit und Rückschlägen im Geschäftsalltag umzugehen?
Der wohl grösste Pfeiler unserer Resilienz ist unsere Verbundenheit im Beruflichen, aber auch im Privaten. Wir gehen zum Beispiel seit Beginn in eine monatliche Mediation — unsere Art der Paartherapie. Und schliesslich haben wir dank früheren Erfahrungen auch individuelle Strategien entwickelt: Selbstfürsorge, feines Essen und Zeit mit tollen Menschen in unserem Umfeld, Bewegung und Tanz. Platz für andere Dinge im Leben zu haben, neben einer sinnvollen Arbeit, ist uns beiden sehr wichtig.