Ob beim Surfen im Internet oder beim Bezahlen mit der Kundenkarte: In einer vernetzten Welt hinterlassen wir überall einen digitalen Fussabdruck. Dadurch steigt die Gefahr, dass wir ein gewichtiges Stück Privatsphäre und damit die Kontrolle über unsere digitale Identität verlieren. Hinzu kommen neue gesellschaftliche Herausforderungen wie der Verlust von Arbeitsplätzen, die zunehmende soziale Kontrolle oder Fake News und Hate Speech.
Doch wer hat ein Interesse, dass möglichst alle von der Digitalisierung profitieren? Wer ist genügend unabhängig, um der Wirtschaft etwas entgegenzuhalten? Und wer verfügt über die dafür nötigen finanziellen Mittel? Stiftungen! Denn was wir dringend brauchen, sind Investitionen in Projekte und Organisationen, die dazu beitragen, dass die Digitalisierung zur Chance wird. Dazu vier Beispiele.
Weniger Manipulation dank mehr Bildung
Viele Menschen haben Angst, dass ihnen künstliche Intelligenz und Digitalisierung schon bald ihre Arbeit wegnehmen. Und Angst ist bekanntlich eine schlechte Ratgeberin. Nötig wäre eine Bildungsoffensive, um die Einzelnen auf die anstehenden Veränderungen vorzubereiten und zu befähigen, den eigenen Handlungsspielraum als Privatperson, Konsumentin und Bürger wahrzunehmen. Dazu könnten kostenlose, praxisbezogene Bildungsangebote für alle sozialen Schichten und Altersklassen wesentlich beitragen. Ideal wären auch Angebote für Lehrkräfte und Schulklassen, weil Kantonen und Gemeinden die finanziellen Mittel dafür fehlen.
Weniger Diskriminierung dank mehr Diversität
Niemand zweifelt daran, dass wir in Zukunft vieles mit der Stimme erledigen werden. Es ist bequem, schnell und eine grosse Erleichterung für Menschen, die mit Lesen und Schreiben Mühe haben. Doch eine Studie der UNESCO zeigt, dass virtuelle Assistentinnen wie Alexa, Siri und Co. überholte Rollenklischees von Frauen und Männern zementieren. Wir brauchen mehr Diversität auf allen Stufen. Damit lassen sich gleichzeitig unerwünschte Verzerrungen und Diskriminierungen bei der Anwendung von künstlicher Intelligenz (Artificial Intelligence AI) verhindern. Bereits heute ist das ein grosses gesellschaftliches Problem, so das Fazit einer Studie des AI Now Institutes der Universität New York.
Weniger Eigeninteressen dank mehr Zivilgesellschaft
Eine Gefahr für die Demokratie besteht in den ungleich langen Spiessen in der Politik. Parteien und Behörden sind mit den neuen Mechanismen der Digitalisierung noch wenig vertraut. Sie verlassen sich auf das Wissen der Unternehmen, wenn es um Regulierungen im digitalen Raum geht. Was fehlt, sind politische Akteure, die sich dem Gemeinwohl verpflichtet fühlen, wenn es um digitale Themen wie Datenschutz, Netzneutralität oder E‑ID geht. Es gibt zwar einige wenige Akteure wie die Digitale Gesellschaft und die Stiftung für Konsumentenschutz, doch ihnen fehlen die Ressourcen, um wirklich mitreden zu können.
Weniger Umweltzerstörung dank mehr Nachhaltigkeit
Ohne aktive politische Gestaltung wird der digitale Wandel den Ressourcen- und Energieverbrauch sowie die Schädigung der Umwelt weiter beschleunigen. Zu diesem Schluss kommt der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU). Die Studie der TWI2050, einer internationalen Forschungsinitiative, bestätigt dies an ausgewählten Bereichen wie Gesundheit, Bildung sowie Natur- und Klimaschutz. Die Digitalisierung muss auf die nachhaltigen Entwicklungsziele ausgerichtet werden. Geschieht dies nicht, verschärfen sich die bestehenden Probleme.
Stiftungen erfüllen alle Voraussetzungen, um der Zivilgesellschaft eine Stimme zu geben und den historischen Veränderungsprozess mit Blick auf das Gemeinwohl aktiv mitzuprägen. Doch Einfluss nehmen kann nur, wer die Dynamik datenbasierter Geschäftsmodelle, das veränderte Kommunikations- und Konsumverhalten sowie die Möglichkeiten und Grenzen neuer Technologien wie Big Data und künstlicher Intelligenz versteht. Deshalb sollten Stiftungen nicht nur ihre Fördertätigkeit neu ausrichten, sondern gleichzeitig in den eigenen ethischen Kompass und das Wissen der Mitarbeitenden investieren. Dies auch vor dem Hintergrund, dass das Zeitalter der ständigen Disruption eben erst begonnen hat.
Trendradar Digitale Ethik
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Quellen
UNESCO: “I’d blush if I could” (2019)
AI Now Institute: “Discriminating Systems. Gender, Race, and Power in AI” (2019)