The Philanthropist: Peter Buss, lieben Sie hoffnungslose Projekte?
Peter Buss: Lustige Frage. Weshalb meinen Sie?
Rundherum sterben Zeitungen. Gedruckte Titel verlieren laufend an Auflage. Und Sie lancieren ein neues Printprodukt?
Das scheint schon ziemlich bekloppt, in der Tat. Aber nein, schauen Sie, gut gemachte Fachzeitschriften finden stets eine Leserschaft und somit auch Inserenten. Denn die Zielgruppe ist genau definiert. Für Leserinnen und Leser wie Inserenten stimmt das Matching.
Wie ist die Idee entstanden?
Meine Frau sagt, überall wo ich bin und mitentscheiden kann, gibt es irgendwann eine Zeitung. Und sie hat vollkommen recht. Auf jeder Geschäftsstelle, die ich führen durfte, war mir die Kommunikation wichtig. Früher gab es aber nur Print, kein Internet. Und als wir uns fragten, wie wir die Menschen in der Stiftungswelt erreichen, war uns klar: Es braucht ein Fachmagazin.
Aber braucht es eine gedruckte Ausgabe?
Unbedingt. Online scheint mir teils noch wie ein Theater, das hinter dem Vorhang spielt, und viele Menschen bekommen gar nichts mit. Besonders Stiftungsrätinnen und ‑räte der älteren Generation laufen ja nicht ständig mit dem Mobile in der Hand herum. Sie müssen wir in der gedruckten Welt abholen. Mit unserem Magazin laden wir sie ein, hinter den Vorhang zu blicken. Das Haptische ist dabei enorm wichtig. Es muss auf dem Tisch liegen. Sie sollen es im wahrsten Sinne des Wortes beim Wort nehmen können. Das Gedruckte kommt hier viel stärker rüber als das volatil in der Wolke schwebende Digitale.
Damit dies funktioniert, ist Glaubwürdigkeit entscheidend. Hinter dem Magazin steht die digitale Plattform stiftungschweiz.ch. Ist The Philanthropist ein Werbemagazin?
Das ist es natürlich. Aber für eine Idee, nicht für ein Produkt. Wir möchten die Leserschaft auf die digitale Welt aufmerksam machen. Und dies tun wir über Inhalte, mit denen wir den Menschen den Nutzen der Digitalisierung in der Philanthropie aufzeigen, sie aber auch auf das Negative aufmerksam machen. Ich wünsche mir, dass wir mit unseren Inhalten die Menschen zum Nachdenken anregen, dass die Leserinnen und Leser merken, dass man philanthropisches Wirken mit dem Einsatz digitaler Instrumente auch anders machen kann. Es wäre wunderbar, wenn das Magazin einen Beitrag dazu leistete, dass der Sektor zusammenwächst und auch effizienter arbeitet.
StiftungSchweiz.ch haben Sie Ende September lanciert. Ist das Magazin mit der Plattform verknüpft?
Es gibt selbstverständlich eine Verknüpfung, aber kommunikativ und technisch funktioniert das Magazin eigenständig. Und der Abonnementpreis für das Magazin ist im Abonnementpreis der Plattform inbegriffen.
Wozu braucht es überhaupt eine digitale Plattform wie stiftungschweiz.ch, die den ganzen Philanthropie-Sektor umfasst?
Ich stelle eine enorme Separierung fest. Wir leisten uns in der Gemeinnützigkeit den Luxus vieler einzelner Handlungsbereiche, die völlig getrennt nebeneinander herlaufen. Dabei sind wir alle Philanthropen – oder könnten es zumindest sein. Wir haben nur unterschiedliche Möglichkeiten. Wenn ich eine kleine private Spende von zum Beispiel 50 Franken tätige, ist das vielleicht weniger erkennbar, als wenn jemand drei Millionen Franken einsetzt. Aber die Motivation kann dieselbe sein. Und Förderstiftungen brauchen die Projektträger genauso wie diese die Förderer; für sich alleine bewirkt niemand irgendetwas. Und trotzdem fehlt es oft am gegenseitigen Verständnis. Deswegen wollen wir diese Mauern überwinden, das Gemeinsame in der Philanthropie betonen. So können wir den gemeinnützigen Sektor stärken. Und vor allem auch zeigen, dass es Freude macht, sich philanthropisch zu engagieren!
Die Digitalisierung eröffnet der Philanthropie viele neue Möglichkeiten und birgt ein hohes Effizienzpotenzial
Peter Buss
Wie kann die Plattform hier helfen?
Unter anderem mit effizienten digital gestützten Arbeitsprozessen und vielen nützlichen Informationen über den Sektor. Die Digitalisierung eröffnet der Philanthropie viele neue Möglichkeiten und birgt ein hohes Effizienzpotenzial. So vereinfachen wir zum Beispiel das Matching zwischen den Projektträgern, die zur Finanzierung ihrer Vorhaben Spenden suchen, und den Förderstiftungen und privaten Spendern, die diese Projekte und Organisationen unterstützen wollen. Oder wir ermöglichen auch die Online-Gesuchstellung an jede in der Schweiz registrierte Förderstiftung usw. Zusammen mit qualifizierten Partnern bauen wir ein richtiges Online-Ökosystem auf. Unser Engagement gilt einer Philanthropie, die mit möglichst wenig Aufwand viel bewirkt, für alle sichtbar und erlebbar ist und Freude bereitet.
Viele Stiftungen haben nicht einmal eine Internetseite …
… Rund 15 Prozent der Förderstiftungen haben einen Internetauftritt.
Ist es da realistisch zu erwarten, dass sie einen digitalen Service nutzen?
Das ist für uns eine grosse Chance! Keine Internetseite zu haben heisst nicht, der Digitalisierung ablehnend gegenüberzustehen. Einige meinen, sie können sich keine leisten oder sie befürchten, wenn sie im Netz auffindbar seien, würden sie noch mehr Gesuche erhalten. Mit StiftungSchweiz.ch können wir dies auffangen. Jede Förderstiftung kann zum Beispiel auf stiftungschweiz.ch kostenfrei ihre eigene Website führen und damit die Anzahl der Gesuche massiv reduzieren, wenn sie auf dieser Microsite entsprechend informiert.
Auf der Plattform sind nun aber alle Stiftungen vertreten. Habt ihr auch negative Reaktionen erhalten?
Das Feedback war bisher äusserst positiv. Zum Teil kamen auch einfach Fragen. Negative Antworten waren eine seltene Ausnahme. Jede Stiftung hat auch die Möglichkeit, ihren Auftritt selbst zu ergänzen und anzupassen.
Aber wenn eine Stiftung nicht gefunden werden will, weil sie gar keine Gesuche annimmt?
Dann kann sie gross auf ihre Microsite schreiben: Wir nehmen keine Gesuche entgegen. Diese Information ist ungemein hilfreich. Dann wissen es die Projektträger sofort. Und wir machen den Gesuchsteller zusätzlich darauf aufmerksam.
Die Plattform fördert damit auch die Transparenz.
Stiftungen müssen ein Interesse an Transparenz haben. Schon aus formalistischer Sicht, weil sie steuerbefreit sind. Ihre Legitimation ist die Gemeinnützigkeit. Natürlich wird diese überprüft von der Aufsicht. Aber eigentlich reicht dies nicht. Die Gemeinnützigkeit ist ein öffentliches Gut. Die Öffentlichkeit will sich nicht mehr allein durch die Aufsichtsbehörden vertreten lassen. Und dann gibt es einen ganz praktischen Grund: Transparenz vereinfacht die Arbeit, steigert die Effizienz und reduziert die Kosten. Erkläre ich, was ich tue und warum, verbessert dies zum Beispiel das Matching ungemein.
Transparenz vereinfacht die Arbeit, steigert die Effizienz und reduziert die Kosten.
Peter Buss
Und dennoch gibt es Vorbehalte?
Transparenz schränkt die Macht der Stiftungsräte ein. Wer für sich alleine entscheidet, kann einem Projekt 100 000 Franken geben, einem anderen nichts. Wenn meine Entscheide transparent sind, werden sie nachvollziehbar. Ich muss sie begründen können. Dies beschränkt das willkürliche Entscheiden. Aber natürlich ist ein Handlungsspielraum für die Förderstiftungen äusserst wichtig. Nur so können sie eine wichtige und effektive Ergänzung zum Staat sein. Sie können Entwicklungen anstossen und Initiator sein in Bereichen, in denen der Staat nichts tun will oder kann. Da können für eine Gesellschaft wichtige Dinge entstehen. Deswegen ist es umso entscheidender, dass dies auch im offenen Dialog mit ihr geschieht.
Ist die Plattform selbst ein philanthropisches Projekt?
Am Anfang, auf jeden Fall. Aber natürlich sollte es sich dereinst selbst finanzieren. Das macht auch Sinn. Denn die Nutzerinnen und Nutzer entscheiden damit auch, was es braucht.
1985 begann Peter Buss seine Arbeit als selbständiger Advokat in Basel. Als Gründer und Geschäftsführer leitet er seit 1992 die NonproCons AG, Basel, Management-Consulting und Fundraising für Non-Profit-Organisationen. 2013 lancierte er die Philanthropy Services AG, Basel, und eine Erstauflage der Online-Plattform stiftungschweiz.ch. Diese startete Ende September 2019 eine neue, den ganzen Philanthropie-Sektor umfassende Version. Die Philanthropy Services AG gibt zudem dieses Magazin heraus, The Philanthropist. Nach über 30 Jahren Berufserfahrung gilt Peter Buss als ausgewiesener Experte in Fragen des Managements und Fundraisings von Stiftungen und Vereinen. Zudem ist er als Hochschuldozent und Referent tätig und veröffentlichte zahlreiche Publikationen, unter anderem das Grundlagenwerk «Fundraising – Grundlagen, System und strategische Planung». Er ist Mitgründer des Verbandes Association Management Companies Schweiz amc und des Zürcher Roundtables der Philanthropie.