Die Stiftung Kinderhilfe des Swissair Personals engagiert sich weltweit für das Wohl und die Ausbildung von Kindern. Die Stiftung profitiert von einer starken Verbundenheit der ehemaligen Mitarbeitenden zu einem Unternehmen, das es nicht mehr gibt.
Die Nachricht traf die ganze Schweiz wie ein Schock: 2001 groundete die Swissair. Die Mitarbeitenden standen vor einer ungewissen Zukunft. Sie bangten um ihre eigene Existenz. Die Wirren dieser Tage trafen auch die Swissair Kinderhilfe. «Die Verunsicherung war gross», sagt Marcel Hungerbühler. Der heutige Präsident des Stiftungsrates fügt an: «Niemand wusste genau, wie es mit der Stiftung weitergehen soll.» Schliesslich entschied der Stiftungsrat, weiterzumachen, um die zahlreichen weltweit unterstützten Kinder und die Partnerorganisationen nicht im Stich zu lassen. Es hat sich gelohnt. Die Stiftung konnte ihr philanthropisches Engagement auch nach dem Ende der Swissair erfolgreich weiterführen. «Die Spendeneinnahmen der Stiftung blieben ähnlich hoch wie zu besten Swissair-Zeiten», sagt Marcel Hungerbühler. Das war keineswegs selbstverständlich. Denn der grösste Teil der Spenden stammte von den Mitarbeitenden der Swissair – und kommt auch heute von ehemaligen Mitarbeitenden und deren Familien und Freunden.
Markentreue und Solidarität
Es ist die ungemein starke Verbundenheit mit dem Unternehmen, die Marcel Hungerbühler als Grund hervorhebt. Die Stiftung Kinderhilfe des Swissair Personals profitiert von der Solidarität und vom Zusammenhalt der Mitarbeitenden. Eine weitere Eigenheit des Erfolgsmodells der Stiftung liegt in ihrer Entstehungsgeschichte. Die Stiftung wurde nicht von der Swissair oder deren Management gegründet. Es waren die Mitarbeitenden, welche die Initiative ergriffen. «Es war eine spontane Aktion von Swissair-Mitarbeitenden», erzählt Marcel Hungerbühler. «In der Ungarn-Krise 1956 wollten sie selbst aktiv werden, um geflüchteten jungen Menschen aus Ungarn zu helfen.» Cockpit‑, Kabinen- und Bodenpersonal sammelten Geld. 10’000 Franken konnten sie schliesslich an das Ungarn-Haus im Pestalozzi Kinderdorf in Trogen beisteuern. Dank des Engagements der Mitarbeitenden fand die Stiftung zunehmend die Unterstützung des Managements. Bei Events und Jubiläen wurden für die Stiftung grosszügig Spenden generiert. Der Rückhalt im Unternehmen wuchs. Die Stiftung hatte sich so stark etabliert, dass viele Mitarbeitende ihre Spende an die Stiftung direkt per Lohnabzug überwiesen. Diese regelmässigen Spenden ermöglichten es der Stiftung, ihr Engagement auszuweiten. 1976 wurde das erste Swissair-Haus in einem SOS-Kinderdorf realisiert.
Kinderhilfe auf den Philippinen.
Marcel Hungerbühler, Präsident des Stifungsrats.
Kinder im «Swissair-Haus» im SOS-Kinderdorf von Bhersaf, Libanon.
Kinder in der ganzen Welt
Zehn Millionen Franken hat die Stiftung seither für SOS-Kinderdörfer gespendet. «Wir sind damit zum wichtigsten Spender der Stiftung SOS-Kinderdorf Schweiz geworden», sagt Marcel Hungerbühler. «Alle rund zwei Jahre haben wir in einem SOS-Kinderdorf den Bau eines Swissair ‑Hauses finanziert, insgesamt 23, und die laufenden Kosten der ‹Swissair-Familie› übernommen», erzählt er. Massgeblich zur erfolgreichen Zusammenarbeit beigetragen hat das globale Netz der Fluggesellschaft. Bei Flügen in ferne Destinationen waren in dieser Zeit noch längere Ruhephasen an den Zielorten eingeplant. Dies gab den Swissair-Crews jeweils die Gelegenheit, die Projekte der Stiftung vor Ort zu besuchen. Ausserdem profitierten die Mitarbeitenden von der Möglichkeit, günstig zu fliegen: «Bombay, Karatschi São Paulo, Beirut oder Nairobi,
die Swissair, Kinderhilfe war immer sehr nahe an den Projekten», sagt Marcel Hungerbühler. Neben SOS-Kinderdorf unterstützt die Swissair-Kinderhilfe etwa 20 Partnerorganisationen weltweit. Auch heute noch legt die Stiftung grossen Wert darauf, die Projekte vor Ort zu besuchen. Für jedes Projekt ist ein Mitglied des Stiftungsrates verantwortlich. Der Stiftungsrat ist deswegen mit 23 Personen bewusst gross. Nicht nur die Grösse, auch die Stabilität zeichnet das Gremium aus. Seit der Gründung kannte der Stiftungsrat nur sechs Präsidenten.
Persönliche Beziehungen
Marcel Hungerbühler, der heutige Präsident verbrachte die Hälfte seiner beruflichen Karriere im Ausland. Die Stationen waren über den Globus verteilt, von London über New York und Singapur bis Manila. Auf den Philippinen kam er das erste Mal vertieft mit der Stiftung in Kontakt. Die Frau eines Piloten war die Patin für die «Swissair-Familie» vor Ort. Sie besuchte die Kinder regelmässig. Und die Kinder wussten, wer sie war. «Ein Junge wollte unbedingt Pilot werden», erzählt Marcel Hungerbühler. Schliesslich gelang es, ihm die Pilotenausbildung zu ermöglichen. «Der Junge aus dem SOS-Kinderdorf ist heute Kapitän auf einer A320 einer asiatischen Fluggesellschaft.» Es ist die Nähe zu den Projekten und das Engagement der Stiftungsratsmitglieder, die solche Geschichten ermöglichen. Das schafft Vertrauen, gerade auch bei den Spenderinnen und Spendern. Sie wissen, welche Verbesserungen von Lebensumständen ihre finanzielle Unterstützung ermöglicht. Und es ist die enge Verbundenheit zu einer Marke und ihren Werten, die nicht mehr existiert, welche die Stiftung heute noch trägt. Sie sorgt dafür, dass viele ehemalige Swissair-Angestellte weiterhin an ihrem Engagement festhalten. Noch heute nehmen viele direkt einen Abzug auf ihrer Rente für die Stiftung vor. Das Resultat belegen die Zahlen von Marcel Hungerbühler: «Für das laufende Jahr konnte die Stiftung ihre Partnerorganisationen mit 850’000 Franken unterstützen.»