Veranstaltungen für NPO zum Thema agiles Arbeiten und New Work sind aktuell schnell ausgebucht. Die entsprechenden Bücher, allen voran jenes von Laloux[1], werden von einer Hand zur Anderen weitergegeben. Doch was bedeutet dies für die Tätigkeit von Förderstiftungen, wenn es keine verantwortliche Ansprechperson mehr gibt und Projekte keine festgesetzten Konzepte mehr haben? Die Antworten sind noch unklar.
In einer unserer Weiterbildungsveranstaltung zur Gesuchsarbeit wurden die anwesenden Stiftungsvertreterinnen und Stiftungsvertreter gefragt, wie sie mit agilen Projektgesuchen umgingen, also Gesuchen, bei denen zum Zeitpunkt des Gesuches noch keine Wirkungskette auf dem Tisch liegt, sondern meist nur, zu welcher gesellschaftlichen Problemstellung ein neuer Lösungsansatz erarbeitet werden sollen. Die Antwort bei zwei von dreien war, dass sie dafür noch nicht vorbereitet seien und der Gesuchsprozess dies nicht vorsieht. Nur eine Vertreterin aus dem Kulturbereich berichtete, dass bei Kunst- und Kulturproduktionen zu Beginn oft offen sei, welche Richtung die Produktion einschlagen werde.
Anstatt, wie im Wasserfallprinzip, zuerst ein fertiges Konzept auszuarbeiten, sollen in der agilen Projektarbeit Projektelemente rasch erarbeitet, gleich ausprobiert und evtl. auch gleich wieder verworfen werden, wenn sie nicht funktionieren. Kein theoretisch erarbeitetes Konzept wird in einer Pilotphase fertig umgesetzt, um dann herauszufinden, dass es so nicht klappt. Vielmehr soll möglichst nah am Nutzenden ein optimal angepasstes Angebot entstehen, indem man am Anfang in kurzen Abständen immer wieder alles in Frage stellt und evtl. ganz neu umsetzt. Alles läuft also dynamisch und «kundennah» an, eben agil.
Gesuche für ein solches Angebot, in dem Umsetzung und Konzeptarbeit gleichzeitig stattfindet, entsprechen jedoch weder den Gesuchsvorgaben noch der eingeplanten Projektbetreuung von Förderstiftungen. Nach heutiger Praxis sehen die Richtlinien für Gesuche möglichst präzise und messbare Aussagen über Input, Output und Outcomes vor. Und die Projektbegleitung durch die Stiftung ist auf eher kurze Phasen beschränkt.
Planbarkeit und Agilität kommen sich in die Quere
Die Förderwelt kann sich auf die Position stellen, dass sie bestimmt, wie gearbeitet wird. Auch kann man vermuten – und dies wurde an einer Veranstaltung zum Thema «Agilität» geäussert – dass die Destinatäre nur zu verbergen suchten, dass sie nicht genau wüssten, was sie überhaupt wollen. Beide Positionen gehen jedoch an der Realität vorbei, nämlich dass sich sehr viele operative NPO mit den Chancen agilen Arbeitens auseinandersetzen, ja so arbeiten wollen. Und – und dies ist die entscheidende Aussage – möglicherweise damit zu besseren, weil publikumsnäher ausgearbeiteten, Lösungen kommen als die traditionelle Form des theoretisch entwickelten Konzeptdesigns.
Den Rahmen für Erfahrungen schaffen
Heute wissen wir noch nichts über die Qualitäten und Schwächen agiler Projektrealisation. Umso mehr sollte ein Rahmen geschaffen werden, in dem erste solche Arbeitsansätze auch Platz in der Förderung finden können. Es ist schon eine alte Forderung, das Programme sehr nah an den Nutzenden erarbeitet werden sollen. Genau dies könnte eine agile Projektentwicklung möglicherweise schaffen, wie kein anderes Konzeptmodell zuvor.
Video-Hinweis: Was bedeutet Agilität in Nonprofit-Organisationen? https://vimeo.com/507842936
[1] Laloux, F. (2015). Reinventing Organizations, Ein Leitfaden zur Gestaltung sinnstiftender Formen der Zusammenarbeit, ISBN 978–3800649136