Die nächste Gene­ra­tion muss inspirieren

Stiftungen und Freiwilligenorganisationen können die nächste Generation einbinden. Oder diese geht ihre eigenen Wege.

Ihre Metho­den sind radi­kal. Zuwei­len ille­gal. Das ist konse­quent: Die Gene­ra­tion, die mit Z nach dem letz­ten Buch­sta­ben im Alpha­bet benannt ist, muss sich fragen, ob sie die letzte sei. Die Vorgän­ger-Gene­ra­tio­nen konn­ten sich im Westen über eine Epoche ohne grosse Kriege freuen. Schon Ende der 80er Jahre stellte der US-ameri­ka­ni­sche Poli­tik­wis­sen­schaft­ler Fran­cis Fuku­yama ernst­haft die These vom «Ende der Geschichte» auf, weil er meinte, dass sich die libe­rale Demo­kra­tie endgül­tig durch­ge­setzt habe. Entspre­chend gemüt­lich konnte sich die erste Gene­ra­tion der Digi­tal Nati­ves im endlo­sen digi­ta­len Raum einrich­ten. Dage­gen prägen die Lebens­welt der jüngs­ten Gene­ra­tio­nen sehr grund­le­gende umwelt­po­li­ti­sche Heraus­for­de­run­gen. Schwin­dende Biodi­ver­si­tät, Klima­er­wär­mung oder Ressour­cen­knapp­heit sind die Brenn­punkte, die unsere Gesell­schaft beschäf­ti­gen. Auch phil­an­thro­pi­sche Initia­ti­ven nehmen sich vermehrt diesen Themen an. Sieben Prozent aller Stif­tun­gen beschäf­tig­ten sich 2022 mit Umwelt­schutz. Bei Neugrün­dun­gen der vergan­ge­nen zehn Jahren sind es gemäss Stif­tungs­re­port 2022 bereits zehn Prozent. Doch nicht nur die Themen verän­dern sich, auch die über­lie­fer­ten Modelle werden hinter­fragt. «Die tradi­tio­nelle Form der Phil­an­thro­pie hat versagt», sagte etwa André Hoff­mann vor zwei Jahren in einem viel disku­tier­ten Inter­view in der NZZ. Sein Vater Luc Hoff­mann hatte die Mava Foun­da­tion, die sich im Umwelt­be­reich enga­gierte, gegrün­det. André Hoff­mann hat die Stif­tung nun geschlossen.

Die Stärke der Transparenz

Die Diskus­sion macht eine Span­nung sicht­bar: Stif­tun­gen wirken in die Reali­tät der nächs­ten Gene­ra­tion ein, indem sie gezielt eine Welt, ein Kultur­gut, eine Perspek­tive für die Zukunft erhal­ten wollen. Gleich­zei­tig bewahrt der kaum verän­der­bare Stif­tungs­zweck die Wert­vor­stel­lun­gen der Vorgän­ger­ge­ne­ra­tion. Die nächste Gene­ra­tion hat wenig Möglich­kei­ten der Einfluss­nahme, gerade auch in den stra­te­gi­schen Gremien.
75 Prozent der Stiftungsrät:innen sind über 50 Jahre alt, nur fünf Prozent unter 40, hat der Bericht Diver­sité et conseils de fonda­ti­ons d’utilité publi­que en Suisse erho­ben. Das trägt wenig dazu bei, Stif­tun­gen für die Gene­ra­tio­nen Y, Z und folgende attrak­tiv zu machen. Und es bedeu­tet auch: Die nächste Gene­ra­tion ist oft effi­zi­en­ter, wenn sie eigene Wege geht. Neue Ideen werden in den sozia­len Medien geteilt und mit der Commu­nity weiter­ent­wi­ckelt, wie das Beispiel Buy Food with Plas­tic zeigt. Leitend ist dabei der Anspruch an Trans­pa­renz und Mitwir­kung: Eine starke Commu­nity gibt einem Projekt Akzep­tanz, statt dass ein klei­nes Gremium hinter verschlos­se­nen Türen über Förde­rung und Rich­tung und damit über die Zukunft entschei­det. Die Finan­zie­rung wird heute von Crowd­fun­ding und Crowd­sour­cing bis hin zu Part­ner­schaf­ten bestimmt. Das tradi­tio­nelle projekt­be­zo­gene Finan­zie­rungs­mo­dell erhält Konkur­renz – und wird in Frage gestellt. Auch von Anleger:innenseite kommen Impulse. Die neue Gene­ra­tion sucht nach­hal­tige Anla­ge­stra­te­gien. Mit Geld will sie nicht nur Profit machen, sondern auch einen Impact erzie­len. Auch Stif­tun­gen sollen mit ihren Kapi­tal­an­la­gen – aktu­ell 140 Milli­ar­den Fran­ken – den eige­nen Zweck zusätz­lich fördern. 

Früh einge­bun­den

Andere Beispiele zeigen, wie auch tradi­tio­nelle Orga­ni­sa­tio­nen die neue Gene­ra­tion inte­grie­ren, ihre Ideen aufgrei­fen und zugäng­lich machen können. Die Pfadi­be­we­gung Schweiz zählt 50’500 Mitglie­der, Tendenz stei­gend. 1907 vom damals 50-jähri­gen Robert Stephen­son Smyth Baden-Powell, kurz «BiPi» gegrün­det, forderte die Orga­ni­sa­tion die Jugend­li­chen auf, jeden Tag eine gute Tat zu voll­brin­gen – und schafft es auch über 100 Jahre später noch, die nächste Gene­ra­tion zu begeis­tern. Die Pfadis inves­tie­ren heute unzäh­lige Stun­den Frei­wil­li­gen­ar­beit, erbrin­gen Sozi­al­ar­beit für die Gesell­schaft – wie viele andere Jugend­or­ga­ni­sa­tio­nen. Das funk­tio­niert, weil die Jugend­li­chen früh in die Verant­wor­tung einge­bun­den sind und mitge­stal­ten können. Wie binden wir die nächste Gene­ra­tion im Stif­tungs­sek­tor ein und begeis­tern sie für Stif­tungs­ar­beit? Keine leichte Aufgabe, alleine schon aufgrund der Zahlen. Der demo­gra­fi­sche Wandel führt dazu, dass die nächste Gene­ra­tion im Verhält­nis zu den voran­ge­gan­ge­nen klei­ner wird. Waren im Jahr 1900 gemäss dem Bundes­amt für Statis­tik noch 40,7 Prozent der Bevöl­ke­rung jünger als 20 Jahre, halbierte sich dieser Anteil bis 2020 auf 19,9 Prozent. Umge­kehrt verdrei­fachte sich der Anteil der Menschen über 65 Jahre von 5,8 auf 18,8 Prozent. Das Refe­renz­sze­na­rio sieht bis 2050 eine weitere Fort­set­zung dieser Entwick­lung. Es wird also auch in der Verant­wor­tung der älte­ren Gene­ra­tio­nen liegen, der nächs­ten eine Stimme zu geben und zu akzep­tie­ren, dass sie eigene Ideen, Vorstel­lun­gen und Metho­den haben, um gehört zu werden.

StiftungSchweiz engagiert sich für eine Philanthropie, die mit möglichst wenig Aufwand viel bewirkt, für alle sichtbar und erlebbar ist und Freude bereitet.

Folgen Sie StiftungSchweiz auf

-
-