Sie waren bei der Bill & Melinda Gates Foundation tätig und als Gründungsdirektorin bei The Giving Pledge engagiert: Weshalb haben Sie mit Co-Impact eine eigene Initiative lanciert?
Die Frage, die mich bewegte, war: Wie kann Philanthropie mehr Wirkung erzielen? Eine Frage, die viele Philanthrop:innen beschäftigte, mit denen ich bei The Giving Pledge zusammengearbeitet hatte. Um genau dieser Frage nachzugehen, habe ich The Giving Pledge 2014 verlassen.
Wie gingen Sie vor?
Die Perspektive der Philanthrop:innen kannte ich bereits. So legte ich den Fokus auf die Seite jener, die die Projekte umsetzen, den Wandel gestalten und die Gemeinschaften führen. Während dreier Jahre traf ich Persönlichkeiten rund um den Globus, um von ihnen zu erfahren, was sie sich von der Philanthropie wünschen.
Und was antworteten sie?
Immer wieder sagten sie, dass sie sich eine Philanthropie wünschen, die sich der relevanten Probleme annimmt, mit einem Engagement, das der Grösse der Herausforderungen gerecht wird. Viele der Führungspersönlichkeiten beschäftigen sich bereits mit diesen Fragen und überlegen sich, wie sie ihre Wirkung vergrössern können. Allerdings zeigte sich, dass die Philanthropie ihr Potenzial nicht ausschöpft. So entstand die Idee für Co-Impact. Wir wollen individuelle und institutionelle Spender:innen zusammenbringen, um die Visionen jener zu unterstützen, die sich schon heute für den Systemwandel einsetzen. Wir wollen die Wirkung skalieren, um das Leben von Millionen Menschen nachhaltig zu verbessern. Wir wollen nicht nur darüber sprechen, sondern den Umfang und die Art der Finanzierung sicherstellen, die notwendig ist, um etwas zu bewirken.
«In der Designphase können sie Ideen träumen und planen, wie der Systemwandel erreicht werden kann.»
Olivia Leland
Gründerin und CEO Co-Impact
Was verstehen Sie unter Systemwandel?
Unsere Intention ist, die grundlegenden Systeme, welche die Gesellschaften regeln, zu verändern und sie damit effektiver und gerechter für alle zu gestalten. Wir wollen einen Wandel hin zu einer gerechteren Welt. Dazu engagieren wir uns mit umfangreichen, flexiblen und langfristigen Mitteln aus unserem Foundational Fund. Wir unterstützen Organisationen, die sich um die Verbesserung von Bildungs- und Gesundheitssystemen kümmern und wirtschaftliche Chancen fördern. Ausserdem haben wir im vergangenen Jahr einen zweiten Fund, den Gender Fund, lanciert. Dieser baut auf den Erfahrungen auf, die wir mit dem Foundational Fund gemacht haben. Wir unterstützen mit ihm die Förderung der Geschlechtergleichstellung und fördern das Leadership von Frauen.
Sie haben einen eigenen Fund für Geschlechtergleichstellung. Wie glaubwürdig sind Vertreter:innen aus Industrienationen, die selbst noch Handlungsbedarf bei der Gleichstellung haben in diesem Thema?
Kein Land weltweit hat die Geschlechtergleichstellung erreicht. Wir alle sind in diese Arbeit involviert. Es ist Zeit, aufzustehen, um die laufenden und neuen Anstrengungen für Gleichstellung zu fördern. Noch gibt es wenig Fördertätigkeit. Aber wir sehen bei unseren Programmpartnern Ansätze, die funktionieren. Diese müssen wir fördern und die Erfolgsgeschichten erzählen. Ich bin überzeugt, wenn wir diese Geschichten um die Wirkung teilen, wird dies mehr Menschen dazu bewegen, für dieses Thema zu spenden.
Ist die Gleichstellung Bedingung für oder Folge des Wandels?
Ein System funktioniert nicht, wenn es für die Hälfte der Gesellschaft nicht passt. Wenn wir über Geschlecht sprechen, müssen wir auch über Ungleichheiten nachdenken, die sich aus Rasse, Kaste, Klasse und anderen Faktoren ergeben, welche die Diskriminierung verschärfen. Geschlechtergleichstellung erreichen wir nur, wenn wir uns konsequent und durchgängig auf sie konzentrieren, bei jeder Initiative, die wir fördern. Co-Impact bekennt sich zur Förderung von Organisationen, die im globalen Süden verwurzelt sind. Und wir hoffen, dass gerade bei der Gleichstellung auch Impulse vom globalen Süden für den Norden kommen. Wir können viel lernen.
Wie fördern Sie Ihre Programme?
Dazu poolen wir die Mittel der verschiedenen Förderer:innen weltweit. Das ermöglicht uns, in grösserem Umfang Mittel zur Verfügung zu stellen für unsere Programmpartner:innen, die Organisationen, die den Wandel vor Ort gestalten. Diese arbeiten dann kollaborativ mit Regierungen und anderen relevanten Personen – Aktivist:innen und Expert:innen – und Organisationen, die innerhalb ihres Systems die wichtigsten Probleme angehen.
Wie erreichen Sie eine gleichberechtigte kollaborative Zusammenarbeit, wenn die einen viel Geld haben und die anderen auf Fördermittel angewiesen sind?
Das ist einer unserer zentralen Werte: Wir stellen die Communitys und die Programmpartner ins Zentrum. Wir messen unser Handeln stetig an diesem Wert. Bei einer Unterredung stellen die Programmpartner die Agenda auf. Sie bestimmen das Thema des Austausches. Wir sind in der Rolle der Unterstützer:innen.
Werden Förderer:innen auf ihr Geld reduziert oder wie können sie sich einbringen?
Wir schaffen das ganze Jahr über Räume, um unsere gesamte Gemeinschaft persönlich und virtuell zusammenzubringen, so dass alle, die dies wünschen, sich einbringen und Ideen mit unseren Programmpartnern und anderen Förderer:innen und Expert:innen austauschen, über Lösungen nachdenken und lernen können. Der wahre Wert der Partnerschaft ist, dass sie Teil davon sind.
Sie streben einen Systemwandel an. Werden Sie auch kritisiert für die Richtung, in die Sie gehen wollen?
Es ist nicht unsere Richtung. Ganz bewusst fördern wir die Vision unserer Programmpartner vor Ort, die den Wandel realisieren. Und diese arbeiten nicht alleine, sondern im Netzwerk mit Regierungen und anderen Organisationen. Es geht nicht um die Verwirklichung unserer Vision. Das ist in der Philanthropie besonders wichtig. Die Unterredung mit den Programmpartnern ist zentral. Wir überlegen: Woher könnte Kritik kommen? Wie bringt man unterschiedliche Ansichten von Menschen zusammen? Wie denken andere darüber? Das sind enorm wichtige Fragen und ich bin froh, dass wir dies in der Philanthropie angehen. Unsere Partner machen sich in der Designphase viele Gedanken darüber.
Was geschieht in der Designphase?
Ein Grossteil der Philanthropie engagiert sich immer noch in Projektarbeit, die kurzfristig ausgelegt ist. Sie wird nicht zu einem Systemwandel beitragen. In der Designphase stellen wir Mittel und Raum zur Verfügung, damit sich die Programmpartner vorstellen, was möglich ist. In der Designphase können sie sich vertieft damit befassen, Ideen träumen und planen, wie der Systemwandel erreicht werden kann. Sie erarbeiten einen Plan und bestimmen, was sie brauchen, um die Arbeit zu skalieren. Die Phase beginnt mit einem Kickoff-Workshop. Dabei ist uns ganz wichtig, dass diese Phase der Raum der Programmpartner ist. Sie bestimmen den Workshop. Wir bringen Ressourcen ein und stellen Fragen. Aber das Reden übernehmen die Programmpartner.
«Die Rolle der Philanthropie ist es, Ressourcen und Unterstützung im notwendigen Umfang, im passenden Moment und auf die richtige Weise zur Verfügung zu stellen.»
Olivia Leland
Gründerin und CEO Co-Impact
Welche Rolle soll die Philanthropie in unserer Gesellschaft denn einnehmen?
Die Rolle der Philanthropie ist es, Ressourcen und Unterstützung im notwendigen Umfang, im passenden Moment und auf die richtige Weise zur Verfügung zu stellen. Programmpartner und Gemeinschaften, lokal verwurzelte Organisationen, die ihr Umfeld kennen, soll dies die Realisierung ihrer Visionen erlauben und Dank langfristiger Unterstützung strategische Kohärenz ermöglichen. Dazu müssen wir die Programmpartner fragen, was sie benötigen. Wir müssen mit ihnen eine Beziehung aufbauen. Es geht um den persönlichen Kontakt mit den Menschen in diesen Organisationen.
Wie finden Sie überhaupt die Projekte?
Als wir mit Co-Impact gestartet sind, haben wir die Kriterien für die Fördermittelvergabe definiert und offene Ausschreibungen lanciert. Als wir im vergangenen Jahr für den Gender Fund eine offene Ausschreibung durchgeführt haben, sind über 11’000 Bewerbungen eingegangen. Aber unterstützen konnten wir nur 30. In einem ausführlichen Review-Prozess mit unabhängigen Gutachter:innen haben wir die Initiativen ausgesucht, die wir fördern.
Lohnt sich eine offene Ausschreibung bei diesem Aufwand?
Es ist sehr viel Arbeit für die Antragstellenden. Da wir unterdessen über ein grosses Netzwerk verfügen in jedem Land, in dem wir tätig sind, haben wir in diesem Jahr auf eine offene Ausschreibung verzichtet. Mit unseren Partnern vor Ort suchen wir nun gezielt nach passenden Initiativen, Kooperationen und Projekten. Das bedeutet aber keine endgültige Abkehr von offenen Ausschreibungen.
Welches sind die positiven Aspekte einer offenen Ausschreibung?
Es hat gezeigt, dass es so viel mehr Initiativen gibt, die es wert sind, unterstützt zu werden, als wir könnten. Es gibt lokal verankerte, von Frauen geführte Organisationen, die wirklich einen grossen Unterschied machen. Mit zusätzlichen Mitteln könnten sie noch so viel mehr bewirken.
Birgt es Risiken, wenn Sie nur noch von Ihnen gezielt ausgewählte Initiativen fördern?
Es ist wichtig, dass unser Team auch Empfehlungen von ausserhalb erhält. So erfahren wir von Initiativen, die bei unseren Förderer:innen noch nicht auf dem Radar sind. Ansonsten wird Philanthropie immer dieselben unterstützen.
Wie gehen Sie vor, wenn Sie ein Projekt fördern wollen?
Wir treffen uns zu individuellen Unterredungen mit jeder Organisation. Wir tauschen uns aus, wie eine vertiefte Arbeit aussehen kann, was wir von ihnen erwarten und sie von uns.
Nur weil uns eine Initiative überzeugt, bedeutet dies nicht, dass Co-Impact auch für sie die beste Förderin ist. In diesem Austausch wollen wir herausfinden, ob die Initiative zu uns passt, und sie müssen ebenso herausfinden, ob wir als Förderin zu ihnen passen.
Wenn eine Zusammenarbeit zustande kommt: Wie lange dauert sie normalerweise?
Nach der einjährigen Designphase unterstützen wir Initiativen für mehrere Jahre. Der normale Zeithorizont beträgt fünf Jahre.
Wie hoch ist Ihre Unterstützung?
Wir sind flexibel und reagieren auf die individuellen Bedürfnisse der Partner. Neben der Finanzierung der Designphase beträgt unsere Unterstützung für eine Initiative normalerweise fünf bis zehn Millionen Dollar. Der Förderbeitrag kann aber in gewissen Fällen auch 20 bis 25 Millionen Dollar betragen.
Sie sind global aufgestellt?
Unsere Teammitglieder arbeiten in 9 verschiedenen Ländern. Das grösste Team ist in Kenia stationiert. Unsere Förderer:innen stammen aus 17 Ländern weltweit. Wir sind eine globale Gruppe.
Sie selbst wohnen in der Schweiz. Welche Verbindungen gibt es zur Philanthropie-Szene in der Schweiz?
Wir haben Philanthrop:innen und Stifter:innen aus der Schweiz
als Teil unserer Kollaboration. Und ich würde gerne weitere kennenlernen. Wir haben ein grosses Netzwerk an Partner:innen von Co-Impact. Der Austausch mit ihnen finde ich ausgesprochen spannend. Wir können voneinander lernen: Was tun andere? Wo gibt es potenzielle Partnerschaften? Es bieten sich viele Möglichkeiten für länderübergreifendes Lernen, für gemeinsames Suchen nach Lösungen und zur gegenseitigen Unterstützung.