Die ehemalige Geschäftsführerin von SwissFoundations, Beate Eckardt, stellt in den Gremien der Stiftungswelt noch Potenzial bezüglich Diversität fest und meint damit nicht nur die Geschlechterfrage.
«Neue Männer braucht das Land», sang Ina Deter 1982. Vor 40 Jahren verschafften sich die Frauen in ganz Europa, so auch in der Schweiz, mit Energie und Verve Gehör. Seitdem ist einiges geschehen, sowohl im Wirtschafts- als auch im Philanthropiebereich. Der Frauenanteil in den Verwaltungsräten der 100 grössten Schweizer Arbeitgeber ist auf 23 Prozent gestiegen. In den Geschäftsleitungen ist jedes zehnte Mitglied eine Frau. Mit Delphine Moralis und Roberta Bosurgi haben erstmals zwei Frauen die Führung der beiden wichtigsten europäischen Philanthropieorganisationen, des European Foundation Centre und der European Venture Philanthropy Association, übernommen. In Deutschland ging ein noch grösserer Ruck durch den traditionell eher konservativen Stiftungssektor: Mit Kirsten Hommelhoff als Generalsekretärin und Friederike von Bünau als Vorstandsvorsitzende stehen dem Bundesverband Deutscher Stiftungen erstmals in seiner Geschichte zwei Frauen vor. In der Schweiz ist fast jedes dritte Stiftungsratsmitglied weiblich.
Die Richtung stimmt, aber …
Wenn diese Entwicklungen auch in die richtige Richtung weisen, so dürfen sie nicht darüber hinwegtäuschen, dass immer noch fast ein Drittel aller Stiftungsräte in der Schweiz rein männlich besetzt sind – und dass Diversität nicht an der Geschlechtergrenze Halt macht. Je vielfältiger ein Stiftungsrat, auf Basis seines Stiftungswecks und seiner Ausrichtung, zusammengesetzt ist, umso grösser ist sein Wirkungshebel. Gemeinnützige Stiftungen prägen mit Arbeit und Fördermitteln die Zukunft von Organisationen und Initiativen, sie geben Richtungen vor und stossen Debatten an. Sie wirken unmittelbar in die Gesellschaft hinein. Mit den Beinen im Heute braucht es den regelmässigen Blick in die Zukunft. Hier helfen vielfältige und diverse Perspektiven. Neben der Frauenfrage muss sich ein Stiftungsrat deshalb auch mit seinem Alters‑, Herkunfts‑, Werte- und Erfahrungsprofil auseinandersetzen.
Junge Stiftungsräte braucht das Land
Die Anknüpfung an jüngere Generationen, wie übrigens auch der Miteinbezug von Destinatären, scheint Stiftungsräten dabei besonders schwerzufallen. Dies das Fazit einer intensiv geführten Diskussion am Schweizer Stiftungssymposium 2019 in Thun. Gerade mal eine Stiftung hatte sich damals die Verjüngung ihres Gremiums mit mindestens einem Digital Native zum strategischen Ziel gesetzt. Die Ursachen für den vermuteten relativ hohen Altersdurchschnitt in Schweizer Stiftungen sind vielfältig. Die in immer noch vielen Kantonen rigid gehandhabten Honorierungsverbote halten jüngere, mitten in ihrem Berufsleben stehende Menschen von einem aufwändigen Engagement ab. Erst wenige Stiftungsräte setzen sich strategisch mit der Zusammensetzung und Erneuerung ihres Gremiums auseinander und führen ein regelmässig den aktuellen Herausforderungen angepasstes Kompetenzprofil. Auf Seiten der Kandidatinnen und Kandidaten fehlen Weiterbildungsformate, nicht nur für Stiftungsräte insgesamt, sondern auch eine dezidierte Ansprache von jungen Menschen und entsprechende Ausbildungsangebote. Last, but not least erschwert die Kooptation eine breit gefächerte Rekrutierung neuer Stiftungsräte. Ausschreibungen sind im Stiftungswesen immer noch selten anzutreffen. Wie erfolgreich ein solcher Schritt sein kann, zeigt das Beispiel der Schweizerischen Gemeinnützigen Gesellschaft. Erstmals in ihrer 150-jährigen Geschichte hat die Organisation letztes Jahr ihr Präsidium öffentlich ausgeschrieben – und mit Nicola Forster einen 35-jährigen Präsidenten gewählt.