Drei Frauen erzähÂlen von ihren unterÂschiedÂliÂchen philÂanÂthroÂpiÂschen EngaÂgeÂments, was sie bewegt und was sie motiviert.
«Ein Leben ohne Musik ist für mich undenkÂbar», sagt Ursula Jones. Sie sei schon als Kind von MusiÂkeÂrinÂnen und MusiÂkern umgeÂben geweÂsen. Die MäzeÂnin fördert junge MusikÂtaÂlente in England und engaÂgiert sich mit der Maria und Walter Strebi-Erni StifÂtung in der Schweiz. Ursula Jones’ Mutter Maria Strebi-Erni hatte die StifÂtung 1982 im Andenken an ihren Mann zusamÂmen mit ihrer TochÂter Ursula und deren Mann Philip Jones gegrünÂdet. Walter Strebi war ein grosÂser MusikÂliebÂhaÂber. Bei StreÂbis gingen Musiker stets ein und aus. Mit ihrem Vater hat Ursula Jones auch selbst musiÂziert, er mit der Geige, sie am Klavier. Dies sei nicht immer zur Freude der Mutter gescheÂhen, wie sie heute erzählt. Die Mutter hätte am SonnÂtagÂmorÂgen lieber geschlaÂfen, als sich von «La Donna è mobile» wecken zu lassen.


Ursula Jones links, Lucern FestiÂval 2019, Sommer-FestiÂval rechts
Musik als Unterhalt
«ArchäoÂloÂgie wäre mein WunschÂstuÂdium geweÂsen», erzählt Ursula Jones. «Meine Eltern bestanÂden aber darauf, dass ich etwas ‹RichÂtiÂges› studiere.» SpraÂchen war die Antwort. Nach ihrem DolmetÂscher-Studium an der UniverÂsiÂtät Genf in Deutsch, ItalieÂnisch und FranÂzöÂsisch beschloss die damals 22-Jährige, für ein halbes Jahr nach London zu gehen, um Englisch zu lernen – und dort ist Ursula Jones heute noch. «Ich hatte das Glück, einen einfaÂchen Job im Büro des PhilÂharÂmoÂnia OrchesÂtra in London zu ergatÂtern. Am Ende meiner sechs Monate wurde mir die Stelle der OrchesÂterÂseÂkreÂtäÂrin angeÂboÂten», berichÂtet sie und ergänzt: «Musik wurde mein UnterÂhalt, und ich bin nie zur Genfer UniverÂsiÂtät zurückÂgeÂkehrt.» Ein paar Jahre später grünÂdete sie zusamÂmen mit einem Musiker ihr eigeÂnes English ChamÂber OrchesÂtra und leitete es admiÂnisÂtraÂtiv jahreÂlang. Als sie 50 Jahre alt war, gab sie dies auf und begann an der LondoÂner UniverÂsiÂtät ihr langÂersehnÂtes ArchäoÂloÂgie-Studium. HeutÂzuÂtage widmet sie ihr Leben der FördeÂrung und UnterÂstütÂzung junger Musiktalente.
«Junge MusiÂkeÂrinÂnen und Musiker sind meine Mission.»
Ursula Jones
Dieser eine Moment
Auch Manuela Stier erlebte diesen einen Moment, in welchem sie wusste, wofür sie sich persönÂlich mit HerzÂblut einsetÂzen möchte: «2012 lernte ich den kleiÂnen Jungen Mael kennen, der von der selteÂnen und tödliÂchen KrankÂheit Niemann-Pick C betrofÂfen ist.» 2014 hat sie den FörderÂverÂein für Kinder mit selteÂnen KrankÂheiÂten (KMSK) gegrünÂdet und führt ihn seitÂher als GeschäftsÂleiÂteÂrin. Damals waren seltene KrankÂheiÂten in der ÖffentÂlichÂkeit kaum präsent. BetrofÂfene FamiÂlien waren in vielerÂlei Hinsicht komplett auf sich gestellt. «Dies wollte ich ändern», betont sie. So grünÂdete sie den FörderÂverÂein. «Unser Ziel ist es, FamiÂlien finanÂziÂell zu unterÂstütÂzen, sie unterÂeinÂanÂder zu vernetÂzen und ihnen wertÂvolle AuszeiÂten zu schenÂken», sagt sie. Nur sieben Jahre später ist Vieles aufgeÂgleist und eine «DigiÂtale KMSK-InforÂmaÂtiÂonsÂplattÂform» für betrofÂfene Eltern in der UmsetÂzung. Seit der GrünÂdung durfte der Verein FörderÂbeiÂträge im Wert von über 1,1 MillioÂnen FranÂken an betrofÂfene FamiÂlien ausbeÂzahÂlen. Und seit 2014 konnte KMKS rund 5600 FamiÂliÂenÂmitÂglieÂder zu kostenÂloÂsen KMSK FamiÂlien-Events einlaÂden. «Ich bin stolz darauf, dass wir inzwiÂschen auf unzähÂlige HerzensÂmenÂschen zählen dürfen, die uns in verschieÂdensÂter Form unterÂstütÂzen», hält Manuela Stier fest.


BetrofÂfene Kinder an deinem ErlebÂnisÂtag des FördervÂeins Kinder mit selteÂnen KrankÂheiÂten, rechts.
Manuela Stier links.
«Ich bin stolz darauf, dass wir auf unzähÂlige HerzensÂmenÂschen zählen dürfen.»
Manuela Stier
Aus dem SchatÂtenÂdaÂsein holen
Auf namhafte UnterÂstütÂzung kann sich auch StreetÂwise Opera abstütÂzen. ProfesÂsioÂnelle TutoÂren unterÂrichÂten obdachÂlose Menschen in wöchentÂliÂchen Gesangs- und SchauÂspielÂworkÂshops in mehreÂren Zentren Englands. StreetÂwise Opera ist ein weiteÂres Projekt, in dem sich Ursula Jones engaÂgiert. Das EngaÂgeÂment passt. Musik hilft Not lindern. Die InstiÂtuÂtion engaÂgiert sich für die ResoÂziaÂliÂsieÂrung von ObdachÂloÂsen durch Musik. Der junge Sänger Matt Peacock grünÂdete StreetÂwise Opera vor 20 Jahren. Heute entsteÂhen von der Kritik gefeiÂerte OpernÂproÂdukÂtioÂnen, kreaÂtive AktiÂviÂtäÂten in KunstÂstätÂten und ObdachÂloÂsenÂzenÂtren. «Die TeilÂnahme am Programm verbesÂsert das WohlÂbeÂfinÂden und die soziale EinglieÂdeÂrung der Menschen und hilft ihnen, die FähigÂkeiÂten und das SelbstÂverÂtrauen zu entwiÂckeln, die sie benöÂtiÂgen, um endgülÂtig aus der ObdachÂloÂsigÂkeit aussteiÂgen zu können», betont Ursula Jones. Die Wirkung ist beeinÂdruÂckend. 92 Prozent der TeilÂnehÂmenÂden hätten bei einer kürzÂlich durchÂgeÂführÂten Umfrage angeÂgeÂben, dass sich ihre geisÂtige GesundÂheit und ihr ZugeÂhöÂrigÂkeitsÂgeÂfühl verbesÂsert hätten. Wie stark das Gefühl belasÂtet, allein gelasÂsen zu sein, weiss auch Manuela Stier. «Viele der FamiÂlien führen eine Art SchatÂtenÂdaÂsein. Sie leben einen Alltag geprägt von TheraÂpie- und ArztÂbeÂsuÂchen. UnsiÂcherÂheit und die stänÂdige Sorge um ihr kranÂkes Kind belasÂten die FamiÂlien.» KMSK wurde zur wichÂtiÂgen AnlaufÂstelle. Dazu gehört auch, die ÖffentÂlichÂkeit auf das Thema aufmerkÂsam zu machen. KommuÂniÂkaÂtion ist wichÂtig. Eine zentrale Rolle spieÂlen die Social Media. Ohne diese würde es schwerÂlich gelinÂgen, die FamiÂlien zu erreiÂchen und zu vernetÂzen. 450 FamiÂlien tauschen sich heute in einer geschlosÂseÂnen SelbstÂhilÂfeÂgruppe über FaceÂbook aus und können so von den ErfahÂrunÂgen der andeÂren profiÂtieÂren. Die UnterÂstütÂzung ist breit. «Viele UnterÂnehÂmeÂrinÂnen und UnterÂnehÂmer unterÂstütÂzen uns nachÂhalÂtig», weiss Manuela Stier. Sie helfen mit, den BetrofÂfeÂnen LebensÂfreude zu schenÂken und mit nachÂhalÂtiÂgen SensiÂbiÂliÂsieÂrungsÂkamÂpaÂgnen auf die SituaÂtion der BetrofÂfeÂnen aufmerkÂsam zu machen.
VerschieÂdene DenkÂweiÂsen erkunden
Corina EichenÂberÂger kennt beide Seiten. Die ehemaÂlige Aargauer NatioÂnalÂräÂtin ist einerÂseits PräsiÂdenÂtin des StifÂtungsÂraÂtes des StapÂferÂhauÂses in LenzÂburg und andeÂrerÂseits VerwalÂtungsÂräÂtin bei DreyÂfus Söhne & Cie AG. Als VerwalÂtungsÂräÂtin bei der PrivatÂbank hat Corina EichenÂberÂger indiÂrekt mit der Isaac DreyÂfus-BernÂheim StifÂtung zu tun. Die Bank DreyÂfus hat die StifÂtung 2013 aus Anlass ihres 200-jähriÂgen Bestehens gegrünÂdet. Die Isaac DreyÂfus-BernÂheim StifÂtung ermögÂlicht mit ihrem EngaÂgeÂment kultuÂrelle Projekte wie bspw. AusstelÂlunÂgen in der KunstÂhalle Basel. Neben dem KulturÂengaÂgeÂment engaÂgiert sich die StifÂtung in humaÂniÂtäÂrer und wohlÂtäÂtiÂger Art. Als PräsiÂdenÂtin des StifÂtungsÂraÂtes des StapÂferÂhauÂses in LenzÂburg ist Corina EichenÂberÂger nah am operaÂtiÂven GescheÂhen. Diese KombiÂnaÂtion passt für sie. AngeÂfragt vom Aargauer RegieÂrungsÂrat hat sie vor allem der Kontakt zu den Menschen gereizt und motiÂviert, das EngaÂgeÂment einzuÂgeÂhen: «Der Kontakt zu Menschen verschieÂdensÂter DenkÂweiÂsen war mir schon immer wichÂtig», sagt sie. Corina EichenÂberÂger wirkte beim Aufbau und der WeiterÂentÂwickÂlung der StifÂtung mit. «Die FasziÂnaÂtion, die verschieÂdeÂnen Menschen und deren DenkÂweiÂsen zu erkunÂden, erhält auch mein Denken lebenÂdig und flexiÂbel.» Das StapÂferÂhaus diskuÂtiert die grosÂsen Fragen der GegenÂwart. Es will mit den AusstelÂlunÂgen und der Art der AusstelÂlung DiskusÂsioÂnen über Themen auslöÂsen, die in unseÂrer GesellÂschaft releÂvant sind und die Menschen beweÂgen. «Die TätigÂkeit in der StifÂtung macht mir grosse Freude», sagt Corina EichenÂberÂger, «insbeÂsonÂdere wenn ich sehe, dass der Erfolg da ist.»


Corina EichenÂberÂger rechts. Die aktuÂelle AussteÂlung im StapÂferÂhaus LenzÂburg: Das Geschlecht.
AusgeÂzeichÂnet
BeachÂtung findet auch das Wirken von Ursula Jones. 2010 zeichÂnete sie KöniÂgin ElisaÂbeth II. mit dem «Order of the OffiÂcer of the British Empire» aus. Es war eine ÜberÂraÂschung für sie. Aber sie war begeisÂtert. Ursula Jones ist unterÂdesÂsen zwar Britin, aber den SchweiÂzer Pass hat sie noch immer. Und für eine SchweiÂzeÂrin ist eine solche AuszeichÂnung sehr besonÂders. Ihre BezieÂhung zur Schweiz besteht heute hauptÂsächÂlich über Musik. «Junge MusiÂkeÂrinÂnen und Musiker sind meine Mission», sagt sie. Jedes Jahr bringt sie junge InstruÂmenÂtaÂlisÂten im Sommer zu den Debüt-KonzerÂten am Lucerne FestiÂval und im Herbst zum EröffÂnungsÂkonÂzert des KammerÂmuÂsikÂzyÂklus in Luzern. AusserÂdem orgaÂniÂsiert sie weitere Auftritte im Tessin und im Wallis sowie überÂall in der Schweiz, wo sie EngaÂgeÂments für junge Musiker finden kann. «KlasÂsiÂsche Musik ist heute nicht mehr so elitär», betont sie. Vieles hat sich veränÂdert. Die KleiÂderÂordÂnung. Und auch die GenderÂfrage ist in England viel weiter. «Ich kann ehrlich sagen, dass es heute in England keine UnterÂscheiÂdung zwischen männÂliÂchen und weibÂliÂchen MusiÂkern gibt. Der oder die Beste bekommt den Job», sagt Ursula Jones.
«Die TätigÂkeit in der StifÂtung macht mir grosse Freude.»
Corine EichenÂberÂger
Gewollte DiskusÂsioÂnen
Die ExpoÂniertÂheit als Frau in der FinanzÂbranÂche kennt Corina EichenÂberÂger. Oft war sie die einzige Frau in einem Gremium. Und auch wenn es dies heute noch gibt, findet sie unterÂdesÂsen doch meist KolleÂginÂnen. Für sie ist klar, dass gemischte ZusamÂmenÂsetÂzunÂgen bereiÂchernd und im InterÂesse der Sache sind: «Frauen denken und handeln anders als Männer; es ist deshalb wichÂtig, dass die Teams gemischt sind», sagt Corina EichenÂberÂger. «Frauen sind oft direkÂter und konseÂquenÂter, wenn Entscheide gefasst sind, diese umzuÂsetÂzen.» Passend dazu trägt die aktuÂelle AusstelÂlung im StapÂferÂhaus den Titel «Geschlecht». Das Thema polaÂriÂsiert, was Corina EichenÂberÂger freut. Denn es soll DiskusÂsioÂnen auslöÂsen. «Es zeigt, dass die Wahl des Themas richÂtig war», stellt sie fest. Leider schläft die AusstelÂlung im Moment. Nicht aber die Ideen für nächste AusstelÂlunÂgen. Das StapÂferÂhaus nutzt sehr innoÂvaÂtiv die digiÂtaÂlen Kanäle, um präsent zu bleiÂben, und hofft natürÂlich auf eine möglichst baldige WiederÂeröffÂnung der AusstelÂlung. Corina EichenÂberÂger: «Ich hoffe, dass noch möglichst viel SchulÂklasÂsen und Menschen die AusstelÂlung besuÂchen können! Die DenkÂanÂstösse lohnen sich!»