Seit dem 1. Mai sind die Generation-F-Projekte online. Was ist das Ziel der Kampagne?
170 Organisationen beteiligen sich an der Aktion im Juni. Wir wollen damit ein Schaufenster bieten, in welchem diese Organisationen zeigen können, welche Möglichkeiten für freiwilliges Engagements sie bieten. Auch soll die Freiwilligenarbeit, die oft im Stillen stattfindet, sichtbarer werden.
Wie ist die Idee entstanden?
2021 haben wir die Kampagne erstmals durchgeführt. Wir wollten die Vielfalt der möglichen freiwilligen Engagements aufzeigen.
Und Sie richten sich an potenziell Interessierte?
Grundsätzlich sind alle eingeladen – die Generation‑F ist alterslos. Angesprochen sind besonders diejenigen, die sich für ein Engagement interessieren, aber noch nicht entschieden haben, wo sie ihre Kraft einsetzen wollen. Wir wollen die Möglichkeit bieten, ein freiwilliges Engagement unverbindlich auszuprobieren. Mit Generation F wollen wir Hemmschwellen abbauen.
Haben Sie Feedback, was die grösste Hürde ist, die jemanden daran hindert, sich freiwillig zu engagieren?
Zuerst braucht die Person die eigene Initiative, den eigenen Antrieb. Zum Teil besteht die Angst, dass das freiwillige Engagement nicht zu einen passt und die Betroffenen fragen sich, ob sie sich wieder zurückziehen können. Das ist die Stärke der Generation F. Es ist die Möglichkeit, unverbindlich zu testen und kennenzulernen, was zu einem passt. Die Angst vor einer Verpflichtung kann ein Hindernis sein.
Eine Gesellschaft ohne Engagement ist nur funktional, grau und lieblos. Es geht nicht ohne.
Thomas Hauser, Geschäftsleiter benevol Schweiz
Was macht Freiwilligenarbeit attraktiv?
Gutes tun tut gut. Nicht nur den Empfängern, sondern auch demjenigen, der Engagement leistet. Freiwillige wollen in erster Linie gemeinsam mit anderen etwas bewegen, etwas mitgestalten und dabei eine gute Zeit haben und Freude empfinden. Anerkennung und Wertschätzung sind sehr wichtig. Damit Projekte mit Freiwilligen reüssieren, braucht es Zuversicht, Überzeugungskraft und ansteckende Begeisterungsfähigkeit. Echte Leadership-Qualitäten sind gefragt!
Was bedeutet dies für Organisationen, die mit Freiwilligen zusammenarbeiten?
Sie brauchen ein klares Freiwilligenmanagement. Es muss in der Organisationskultur verankert und nicht in einer Nische versorgt sein. Es muss über alle Stufen der Organisation gelebt werden. Für Junge ist zudem wichtig, dass sie einen Nachweis für ihr Engagement erhalten. So können sie die erworbenen Kompetenzen in den ersten Arbeitsmarkt übertragen.
Sehen Sie Optimierungsbedarf bei den Rahmenbedingungen?
Freiwilliges Engagement braucht Zeit und Raum. Die Bedeutung der aktiven Mitgestaltung unserer Gesellschaft durch freiwilliges Engagement sollte stärker ins Bewusstsein der Allgemeinheit fliessen und stärker in der Bildung verankert sein: Die Schulen sollten sich stärker dem Miteinander von Staat, Wirtschaft und Zivilgesellschaft widmen.
Ein beachtlicher Teil der politischen Arbeit in der Schweiz ist Freiwilligenarbeit, resp. Milizarbeit. Sollte die Schweiz nicht prädestiniert sein, dass die Freiwilligenarbeit in der Gesellschaft verankert ist?
Eigentlich sollte es eine Selbstverständlichkeit sein. Das Verantwortungsbewusstsein für den Wert unserer Freiheiten verlangt nach Engagement. Dennoch: in der Schweiz ist freiwilliges Engagement auf Bundesebene nirgends verankert und wird entsprechend nur auf regionaler Ebene gefördert – mit grossen Unterschieden.
Das Verantwortungsbewusstsein für den Wert unserer Freiheiten verlangt nach Engagement.
Thomas Hauser
Hat sich die Bedeutung von Freiwilligenarbeit in den vergangenen Jahren verändert?
Das freiwillige Engagement ist immer in Veränderung und ein Abbild unserer Gesellschaft. Ein positiver Effekt der Coronakrise war, dass man insbesondere die informelle Freiwilligenarbeit wie Nachbarschaftshilfe in der Öffentlichkeit stark wahrgenommen und auch wertgeschätzt hatte. Das formelle Engagement für Institutionen ist aber weiterhin unter Druck – es ist nicht einfacher geworden, Freiwillige zu finden, die sich längerfristig verpflichten wollen. Die Organisationen sind gefordert, sich agil an die Bedürfnisse der Freiwilligen anzupassen und attraktive Einsatzmöglichkeiten zu gestalten.
Welche Bedeutung hat Freiwilligenarbeit für den gesellschaftlichen Zusammenhalt?
Ich behaupte, freiwilliges Engagement ist nicht nur wesentlich für die Kohäsion unserer Gesellschaft, sondern gar ihr Fundament. Fast alles, was unsere solidarische Gesellschaft auszeichnet, hat ihre Wurzeln im Engagement. Eine Gesellschaft ohne Engagement ist nur funktional, grau und lieblos. Es geht nicht ohne.
Generation F
Vom 5. bis zum 25. Juni bieten 170 Organisationen, Vereine und Gemeinden an 277 verschiedenen öffentlichen Anlässen einen Einblick in freiwillige Engagements.