The Philanthropist: B360 fördert den Wissenstransfer zwischen Afrika und der Schweiz. Wie ist die Idee entstanden?
Sabina Balmer: Nach dem Studium habe ich in Namibia und Burkina Faso als Lehrerin und für ein DEZA Infrastrukturprojekt gearbeitet. Das hat mich geprägt. Es war der Grundstein für meine Idee, irgendwann im Bildungsbereich eine NPO zu gründen. Allerdings habe ich mich dann bewusst dafür entschieden, in die Privatwirtschaft einzusteigen.
Weshalb gingen Sie nicht direkt in die klassische Entwicklungshilfe?
Ich wollte lernen, wie eine gewinnorientierte Organisation funktioniert. Ich war 13 Jahre in einer Grossbank tätig. In dieser Zeit konnte ich viel Fachwissen sammeln. Insbesondere das Thema Corporate Citizenship hat mich stark beschäftigt.
Und Afrika war in dieser Zeit kein Thema?
In diesen 13 Jahren war ich immer wieder im südlichen Afrika. So konnte ich mein Netzwerk aufrechterhalten. Das gab mir die Möglichkeit herauszufinden, wo der grösste Bedarf an Unterstützung bestand. Zwei Themen wurden immer wieder genannt: Der Mangel an Fachkräften und dass das Schulsystem die Schülerinnen und Schüler zu wenig auf die Arbeitswelt vorbereitet.
Und so entstand die Idee zu B360?
In der Schweiz haben wir viel Fachwissen. Wir haben Know-How. Also habe ich mit verschiedenen Bildungseinrichtungen in Afrika gesprochen, und schliesslich hat sich die Namibian University of Science and Technology interessiert gezeigt, mitzumachen. Heute arbeiten wir mit vier Partneruniversitäten im südlichen Afrika.
Wir wollen nicht Geld schicken sondern den Know-How-Transfer ermöglichen.
Sabina Balmer
Seither vermitteln Sie Fachexpertinnen und ‑experten aus der Schweiz als Gastdozentinnen und ‑dozenten.
2009 haben wir mit dem Südwärts-Programm angefangen. Fachexperten lehrten für jeweils drei Wochen in Afrika. Da wir nicht viel Geld haben, baute das Modell von B360 von Anbeginn an auf Freiwilligenarbeit. Wir wollen nicht Geld schicken sondern den Know-How-Transfer ermöglichen.
Ist es schwierig, genügend Freiwillige zu finden?
Es ist einfacher, als Geld zu finden. Wir haben festgestellt, dass es ein Bedürfnis gibt, sich zu engagieren. Das ist grösser, als Geld zu spenden. Das gilt für Menschen und Unternehmen. Aber uns war klar, damit dies funktioniert, müssen auch die Dozierenden einen Gewinn für sich sehen.
Der wäre?
Sie sammeln Erfahrungen. Sie profitieren vom kulturellen Austausch. Viele schätzen auch die Situation, dass sie ihr eigenes Know-How überprüfen müssen. Die nachhaltige Wirkung zeigt sich auch darin, dass viele Gastdozierende mit den Studierenden im Kontakt bleiben.
Wie wählen Sie die Dozierenden und die Themen aus?
Wir operieren mit einer Wunschliste der Partneruniversitäten. Sie geben uns an, in welchen Bereichen sie Unterstützung brauchen oder einen Austausch wünschen. Das funktioniert gut.
Was bedeutet die Präsenz der Gastdozenten für die afrikanischen Lehrpersonen?
Unser Prinzip ist, dass unsere Expertinnen und Experten aus der Privatwirtschaft kommen. Sie bringen die Praxissicht. Und eine internationale Sicht. Im idealen Setting ergibt sich ein Co-Unterricht mit der Akademikerin oder dem Akademiker vor Ort. Das klappt nicht immer. Aber auch wenn der Experte oder die Expertin aus der Schweiz alleine unterrichtet, findet ein sinnvoller Know-How-Transfer mit den Studierenden statt.
Welche Unternehmen in der Schweiz machen mit? Sind das vor allem Grossunternehmen?
Querbeet. Am Programm machen Grosskonzerne wie Roche und Credit Suisse mit, genauso wie KMU mit weniger als 50 Mitarbeitenden. Auch viele Selbstständige engagieren sich. Was sich zeigt ist, dass die meisten Teilnehmenden 45 Jahre und älter sind. Offenbar ist der «Giving back»-Gedanke ab einem gewissen Alter präsenter.
Sie ermöglichen mit dem Nordwärts-Programm afrikanischen Studierenden Praktika in der Schweiz. Welche Anforderungen stellen sich Unternehmen, die mitmachen wollen?
Vor allem braucht es eine Abteilung, die wirklich mitmachen will. Es braucht ein bis zwei Mentorinnen oder Mentoren, die generell gerne mit Lernenden arbeiten. Und es braucht eine Arbeit, die sich für Praktikantinnen und Praktikanten eignet. Sie sollen Verantwortung übernehmen können. Und dann müssen die Firmen den Lohn zahlen können. Visa, Flug, Gastfamilien – wir organisieren alles rundherum, damit der Aufwand für die Firmen im Rahmen bleibt. Das funktioniert. Wir haben Firmen, die seit 2011 dabei sind. Aber es braucht in der Firma eine Person, die mit Herzblut dabei ist.
Wie hat Covid-19 Ihre Arbeit verändert?
Mit dem Lockdown mussten wir Dozierende aus Namibia zurückholen und notfallmässig neun Praktikanten und Praktikantinnen zurückfliegen. Aber wir konnten sehr schnell auf digital umstellen. Bereits im Mai 2020 starteten die ersten Tests. Die Dozierenden konnten so ihr Programm virtuell weiterführen. Ausserdem haben wir rund 30 afrikanische Dozierende im digitalen Unterrichten ausgebildet. Und auch unser Praktikumsprogramm haben wir mit den ersten vier Teilnehmenden digital umgesetzt.
Wie funktioniert ein online Praktikum?
Das wichtigste ist ein gut strukturiertes Praktikum Programm und motivierte Vorgesetzte und Mentoren, so dass die Praktikantinnen und Praktikanten möglichst viel lernen und eine gute Arbeitsleistung erbringen können. Wichtig ist zudem, dass die Praktikantinnen und Praktikanten in Namibia einen genügend grossen Raum haben, den sie gemeinsam nutzen können, auch wenn sie für verschiedene Schweizer Firmen arbeiten. Damit können sie auch Teamarbeit Erfahrung sammeln.
Bei einem Praktikum lernt man viel über den Arbeitsalltag auch bei der Kaffeemaschine oder in der Gastfamilie.
Deswegen haben wir auch virtuelle Gastfamilien organisiert. Zweimal pro Woche haben sich die Praktikantinnen und Praktikanten über Zoom und Whatsapp mit diesen ausgetauscht. Dass das möglich ist hätte ich mir vor zwei Jahren nicht vorstellen können. Aber es hat funktioniert. Es entwickelte sich eine grosse Nähe. Sie haben sich über Essen, Musik oder die Landschaft und ihren Livestyle ausgetauscht
Das Ziel ist, dass es uns über Zeit nicht mehr brauchen wird.
Sabina Balmer
Was sind Ihre langfristigen Ziele?
Die Nachhaltigkeit ist uns wichtig. Deswegen haben wir das Programm Süd-Süd. Das Ziel ist, dass es uns über Zeit nicht mehr brauchen wird. Die Privatwirtschaft in Namibia mit ihren Unternehmen und Fachkräften sollte den Aufbau von Fachwissen und die Vorbereitung der Studierenden auf die Arbeitswelt mitunterstützen. Gute Hochschulabgänger sind auch für lokale Fimen von grossem Interesse.
Wie können Sie das erreichen?
Eine Gruppe, die immer wichtiger wird sind unsere Alumni. Bisher haben rund 100 Studierende in der Schweiz ein Praktikum absolviert. Viele sind heute schon über 30 Jahre alt und beruflich erfolgreich unterwegs. Und sie machen beim Programm mit. Sie haben beispielsweise einen Teil der Infrastruktur für die virtuellen Praktika geliefert. Dieses Engagement der Alumni vor Ort entspricht genau der Philosophie von B360.
Was bedeutet B360 überhaupt?
Es stammt aus der Privatwirtschaft: Business with a 360 degree view. Das heisst, nicht nur der finanzielle Erfolg zählt, sondern ebenso die Umwelt, das Soziale und die Good Governance.