Der Zürcher Parlamentarier der FDP.Die Liberalen macht sich unliberale Gedanken.
Mit seiner am 24. September eingereichten Motion möchte der Zürcher Ständerat Ruedi Noser den Bundesrat beauftragen lassen, «die Einhaltung der Anforderungen an die Steuerbefreiung juristischer Personen bei der direkten Bundessteuer wegen Gemeinnützigkeit im Falle von politischer Tätigkeit zu überprüfen» (Curia Vista Geschäft Nr. 20.4162). In seiner Begründung stört sich der Motionär daran, dass zahlreiche NGOs «derzeit … in verschiedenen kontroversen politischen Vorlagen engagiert» sind. Und er scheut sich nicht, seinen Ärger darob an zwei brandaktuellen nationalen Urnengängen abzuarbeiten: am Referendum gegen das neue Jagdgesetz (letztes Abstimmungswochenende) und an der Konzernverantwortungs-Initiative KVI (nächstes Abstimmungswochenende).
Ständerat Nosers Motion (sie kennt keine Mitunterzeichnende!) scheint also einem tagesaktuellen Impuls entsprungen zu sein. Bei seinen Zweifeln an der Legitimität der Steuerbefreiung juristischer Personen (somit auch gemeinnütziger Förderstiftungen) argumentiert er mit dem Kreisschreiben Nr. 12 der Eidgenössischen Steuerverwaltung (8. Juli 1994) betr. «Steuerbefreiung juristischer Personen, die öffentliche oder gemeinnützige Zwecke oder Kultuszwecke verfolgen». Dieses Kreisschreiben operiert mit dem Begriff «Interesse der Allgemeinheit», die sich «nach der jeweils massgebenden Volksauffassung» beurteilt. Die hier interessierende zentrale Fragestellung bringt das Kreisschreiben folgendermassen auf den Punkt: «Gemeinnützigkeit im steuerrechtlichen Sinne liegt jeweils nur vor, wenn die Tätigkeit nicht nur darauf angelegt ist, das Interesse der Allgemeinheit zu fördern, sondern wenn ihr auch der Gemeinsinn zugrunde liegt.» Worin aber liegt denn mehr Gemeinsinn als in guter Politik?
Das Kreisschreiben von 1994 schliesst eine wie auch immer geartete «politische Tätigkeit» für die Bewahrung der Steuerbefreiung von gemeinnützigen juristischen Personen nicht explizit aus. Zu Recht: Mit ihrem Rekurs gegen das neue Jagdgesetz «politisierte» Pro Natura nicht, sondern setzte – mit einem limitierten Geldbetrag – mit dem Zweck der Erhaltung der Biodiversität eines seiner als gemeinnützig und deshalb als steuerbefreiend anerkannten Ziele um. Vergleichbar argumentieren können Organisationen, die mit der Unterstützung der KVI ihre statutarischen Zielsetzungen für Umwelt- und Sozialanliegen ebenso verfolgen, wie sie es üblicherweise mit der Durchführung oder Förderung praxisbezogener Projekte tun. Etwas anders sieht es wohl für reine Advocacy-Organisationen und Pressure-Groups aus: Das Kreisschreiben der Eidgenössischen Steuerverwaltung gewährt «Vereinigungen mit ideeller Zwecksetzung aller Art» nämlich keine Steuerbefreiung.
Ist sich der Motionär bewusst, dass bei einer Umsetzung seiner Absichten nicht irgendwelche NGOs, sondern dass viele Stiftungen ihre Steuerbefreiung auf Spenden resp. auf Ihre Kapitalerträge verlieren würden und dass damit massgebliche Teile des Dritten Sektors und der Zivilgesellschaft in ihrer Schlagkraft behindert und in ihrem Innovationspotential beschnitten würden? Damit würde die im Ständerat hängige Parlamentarische Initiative Luginbühl zur Stärkung des Stiftungsplatzes Schweiz geradezu konterkariert oder unterlaufen.
Oder ist all dies von Ständerat Ruedi Noser etwa gar nicht beabsichtigt? Im Schlusssatz seines Motionstextes öffnet er nämlich ein Törchen: «Falls der Widerruf nicht geschieht, und das Verbot von politischer Betätigung grosszügig ausgelegt wird, ist der Bundesrat gehalten, die Anforderungen für die Steuerbefreiung juristischer Personen anzupassen und die Steuerbefreiung weiteren Kreisen zu öffnen.» Ist seine Motion eventuell dem Ziel geschuldet, die Steuerbefreiung für politische Parteien zu erreichen? Ausgerechnet sie sind nämlich im Kreisschreiben von 1994 explizit von der Steuerbefreiung ausgeschlossen.