Bild: Dominique Jakob, Lehrstuhl für Privatrecht Zentrum für Stiftungsrecht Universität Zürich Rechtswissenschaftliches Institut, zVg

UZH: Fokus neues Stiftungsrecht

Dominique Jakob ist Professor für Privatrecht am Rechtswissenschaftlichen Institut der Universität Zürich und Initiator des Schweizer Stiftungsrechtstages. Dieser findet am 31. Januar 2023 zum sechsten Mal statt. Im Interview spricht er unter anderem über die Änderungen im neuen Stiftungsrecht und über die Skepsis gegenüber Stiftungen in der Politik.

Am Stif­tungs­rechts­tag werden Sie sich mit den Neue­run­gen durch das Reform­ge­setz und dessen Auswir­kun­gen befas­sen. Was erwar­tet die Besucher:innen?

Der Zürcher Stif­tungs­rechts­tag hat das Ziel, verschie­dene Inter­es­sen­grup­pen und Sektor­teil­neh­mende in einem anspre­chen­den Rahmen zusam­men­zu­brin­gen und die drän­gen­den Themen des Stif­tungs­we­sens gemein­sam weiter­zu­ent­wi­ckeln. Es tref­fen sich Stifter:innen, Stif­tun­gen, Bera­tungs­pra­xis, Aufsichts- und Steu­er­be­hör­den sowie Poli­tik. Dieses Jahr wird es beson­ders span­nend, weil Refor­men im Stif­tungs­recht verab­schie­det wurden, die bisher noch kaum eine öffent­li­che Diskus­sion im Sektor erfah­ren haben.

Welches sind die wich­tigs­ten Neuerungen?

Geschaf­fen wurde zum einen ein neues Recht für Stifter:innen, sich neben Ände­run­gen im Stif­tungs­zweck auch Ände­run­gen in der Orga­ni­sa­tion der Stif­tun­gen vorzu­be­hal­ten (etwa betref­fend Organ­be­set­zung oder Vermö­gens­be­wirt­schaf­tung). Dieses neue Stif­ter­recht schafft Flexi­bi­li­tät für Stifter:innen, hat aber zugleich das Poten­zial, das Verhält­nis von Stifter:innen und Stif­tungs­rä­ten und damit die Statik eine Stif­tung zu verän­dern. Zudem wurde die Stif­tungs­auf­sichts­be­schwerde, also das Recht für Stake­hol­der, mit einer Beschwerde an die Aufsichts­be­hörde heran­zu­tre­ten, erst­mals im Gesetz kodi­fi­ziert. Auch diese Ände­rung wird gros­sen Einfluss auf die Gover­nance von Stif­tun­gen haben.

Es gibt in der Tat zahl­rei­che aktu­elle Geset­zes­än­de­run­gen, die eigent­lich nicht auf Stif­tun­gen zielen, aber das Stif­tungs­we­sen gleich­wohl stark betreffen.

Profes­sor Domi­ni­que Jakob

Gibt es noch weitere anste­hende Geset­zes­re­for­men, die für den Stif­tungs­sek­tor rele­vant sind?

Es gibt in der Tat zahl­rei­che aktu­elle Geset­zes­än­de­run­gen, die eigent­lich nicht auf Stif­tun­gen zielen, aber das Stif­tungs­we­sen gleich­wohl stark betref­fen. Zu nennen sind etwa die Reform des Erbrechts, welche grös­sere Frei­hei­ten zum Stif­ten schafft, und die Reform des Akti­en­rechts, welche wie frühere Refor­men im Gesell­schafts­recht eher zu Kolla­te­ral­schä­den führt. Aber auch die Reform im Daten­schutz­recht und die Entwick­lun­gen in punkto Infor­ma­ti­ons­aus­tau­sches und Trans­pa­renz sind für Stif­tun­gen relevant. 

Vor gut einem Jahr haben Sie einen viel beach­te­ten Gast­kom­men­tar in der NZZ verfasst. Auslö­ser war die Ableh­nung des Stän­de­rats der von Exper­ten vorge­schla­ge­nen Mass­nah­men zur Stär­kung des Stif­tungs­stand­orts. Sie schrei­ben im Arti­kel über Argwohn gegen­über dem Stif­tungs­sek­tor. Woher kommt die Skep­sis und wie könnte man dieser entgegenwirken?

Woher die Skep­sis kommt, ist schwer zu sagen. Grund­sätz­lich werden Stif­tun­gen in der öffent­li­chen Meinung immer noch zu sehr als Vehi­kel zu Miss­brauch und Steu­er­hin­ter­zie­hung wahr­ge­nom­men. Zudem haben die Reform­de­bat­ten gerade in den parla­men­ta­ri­schen Kommis­sio­nen und Kammern gezeigt, dass das Stif­tungs­we­sen dort kein bedeut­sa­mes Geschäft ist, mit dem man sich inten­siv ausein­an­der­set­zen würde. Die Prio­ri­tät erschien nied­rig und damit die Unkennt­nis entspre­chend hoch. Die Ergeb­nisse der Diskus­sio­nen haben gezeigt, dass die Parlamentarier:innen zahl­rei­chen Fehl­ein­schät­zun­gen unter­la­gen und letzt­lich wohl nicht immer genau verstan­den haben, worüber sie abge­stimmt haben.

Die Ableh­nung einer Rege­lung für ange­mes­sene Stif­tungs­rats­ho­no­rare, ohne die Steu­er­be­frei­ung zu verlie­ren, bezeich­ne­ten Sie als Scha­den für den Stif­tungs­platz Schweiz. Was genau sind die Auswirkungen?

Die gesetz­li­che Klar­stel­lung, dass ange­mes­sene Hono­rare für Stif­tungs­räte nicht die Steu­er­be­frei­ung der Stif­tung gefähr­den dürfen, wäre viel­leicht das wich­tigste Anlie­gen der Reform gewe­sen. Einer­seits erwar­tet man stetig wach­sende Profes­sio­na­li­tät der Stif­tungs­räte, ande­rer­seits wird ohne Rechts­grund­lage gerade denen, die die Verant­wor­tung tragen, Ehren­amt­lich­keit aufge­zwun­gen. Das Schlimmste jedoch ist, dass heute aufgrund der unter­schied­li­chen Mass­stäbe der kanto­na­len Steu­er­be­hör­den extreme Ungleich­heit und Rechts­un­si­cher­heit herr­schen. Dieser Zustand hätte, im Zusam­men­spiel mit dem Krite­rium der Ange­mes­sen­heit und der zum 1. Januar 2023 in Kraft getre­te­nen akti­en­recht­li­chen Offen­le­gungs­pflicht, zum Wohle des Sektors verbes­sert werden sollen. Die Ableh­nung ist ein sehr unglück­li­ches Zeichen gegen­über der Profes­sio­na­li­tät und dem nöti­gen Gene­ra­tio­nen­wech­sel im Stif­tungs­sek­tor. Dass diese Ableh­nung knapp war und das Parla­ment von falschen Para­me­tern ausging (die auch nicht von den Vernehm­las­sungs­er­geb­nis­sen gedeckt waren), inter­es­siert am Ende nieman­den. Viel­mehr werden sich die restrik­ti­ven Steu­er­be­hör­den nun auf dieses Votum beru­fen können.

Neu ist zudem, dass die Muster­sta­tu­ten der ESA eine neue Klau­sel enthal­ten, die ange­mes­sene Vergü­tun­gen ausdrück­lich zulässt – ein star­kes Zeichen, dass Vergü­tun­gen stif­tungs­recht­lich zuläs­sig sind.

Profes­sor Domi­ni­que Jakob

Der Sektor ist sich eigent­lich einig. Es braucht mehr Diver­si­tät in den Stif­tungs­rä­ten. Oft können sich junge Menschen ein Enga­ge­ment aber nicht leis­ten. Ist in der Zwischen­zeit etwas gegan­gen, gibt es Bestre­bun­gen für neue Vorstösse?

Ohne die genannte Rege­lung bleibt die Frage im Ermes­sen der kanto­na­len Steu­er­be­hör­den. Eine Möglich­keit, ohne Gesetz etwas zu errei­chen, wäre entwe­der eine Über­ar­bei­tung des (frei­lich ohne­hin unver­bind­li­chen) Kreis­schrei­bens Nr. 12 aus dem Jahre 1994, oder die Thema­tik auf die Schwei­ze­ri­sche Steu­er­kon­fe­renz zu brin­gen, welche zwar letzt­lich eine infor­melle Zusam­men­kunft der kanto­na­len Steu­er­äm­ter ist, auf der im besten Fall aber einheit­li­che Trends fest­ge­legt werden können. Neu ist zudem, dass die Muster­sta­tu­ten der ESA eine neue Klau­sel enthal­ten, die ange­mes­sene Vergü­tun­gen ausdrück­lich zulässt – ein star­kes Zeichen, dass Vergü­tun­gen stif­tungs­recht­lich zuläs­sig sind. Werden diese von den Aufsichts­be­hör­den als ange­mes­sen einge­stuft, soll­ten sie in Zukunft auch von den Steu­er­be­hör­den akzep­tiert werden.

Wie Recher­chen von The Philanthropist zeigen, gibt es in Sachen Inter­es­sen­ver­tre­tung in den natio­na­len Parla­men­ten Poten­tial nach oben. Wie kann sich der Sektor mehr Gehör verschaffen?

Ich finde die von Ihnen erho­be­nen Zahlen der Stif­tungs­rats­man­date eigent­lich hoch. Im Verhält­nis dazu, dass es eine deut­lich höhe­ren Gesamt­zahl an Verei­nen und ande­ren Gesell­schafts­for­men als Stif­tun­gen gibt, sind Stif­tungs­rats­man­date durch­aus ein wich­ti­ger Faktor. Allein: Dafür, dass jeder Schwei­zer Parla­men­ta­rier im Durch­schnitt mehr als ein Stif­tungs­rats­man­dat hat und Enga­ge­ment in der Sache brin­gen möchte, schei­nen sie sich erstaun­lich wenig dafür zu inter­es­sie­ren, dass der Sektor auch einen funk­tio­nie­ren­den Rahmen hat. Wich­tig erscheint mir daher zum einen, die Kennt­nis über das Stif­tungs­we­sen und seine facet­ten­rei­che Wirkung zu erhö­hen. Und zum ande­ren besteht noch Spiel­raum für Advo­cacy zuguns­ten von Stif­tun­gen und des drit­ten Sektors: Stim­men zusam­men­zu­brin­gen, sich gegen­sei­tig Gehör zu verschaf­fen und die Botschaf­ten auch an die Poli­tik zu brin­gen. Genau hier kommen wir wieder auf den Zürcher Stif­tungs­rechts­tag, der die Platt­form für eine solche Zusam­men­kunft bieten möchte. Ich würde mich über eine rege Teil­nahme des Sektors sehr freuen.


6. Zürcher Stif­tungs­rechts­tag – Das neue Stiftungsrecht

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