Vor Ausbruch des Krieges lebten in Syrien rund 21 Millionen Menschen. Auslöser des Konflikts waren Proteste gegen das autoritäre Regime des Präsidenten Baschar al-Assad im Zuge des Arabischen Frühlings Anfang 2011.
Bis heute hat der Krieg über 12 Millionen Menschen gezwungen, ihr Zuhause zu verlassen. 6,7 Millionen sind Vertriebene im eigenen Land und 6,6 Millionen sind Flüchtlinge, die Syrien verlassen haben. Die überwiegende Mehrheit der 6,6 Millionen Flüchtlinge wurden von der Türkei, dem Libanon, von Jordanien, Irak und Ägypten aufgenommen. Gemäss den türkischen Behörden beherbergt allein die Türkei mehr als 3,5 Millionen Syrerinnen und Syrer. Im Libanon leben zurzeit 850’000. Weitere syrische Flüchtlinge sind in 130 Ländern rund um den Globus verteilt. Mit der Covid Pandemie ist die Situation für die syrischen Flüchtlinge noch viel schwieriger geworden. Insgesamt 70 Prozent der Flüchtlinge leben gemäss Shirin Pakfar, UNHCR, in Armut.
Doner Briefing
An einem «Doner Briefing» des UNHCR, am 30. März, sprachen Sivanka Dhanapala, neuer Vertreter in Syrien des UNHCR, Karolina Lindholm Billing, stellvertretende Vertreterin im Libanon des UNHCR sowie die aus Syrien geflüchtete Dokumentarfilmerin Noura Al Turjman. Moderiert hat Shirin Pakfar, die Chefin Private Partnerschaften und Philanthropie des UNHCR.
Unterstützung in Syrien
Sivanka Dhanapala ist seit dem 17. Februar 2021 in Syrien. Er erklärt, dass es in Syrien zurzeit drei sich überlagernde Krisen gibt. Eine ist der seit zehn Jahren anhaltende Krieg. Dieser Konflikt sei noch nicht gelöst. Es herrsche seit gut eineinhalb Jahren eine schwere ökonomische Krise und zusätzlich natürlich die Covidkrise. Was ihn sehr berühre, sei die Widerstandskraft der Bevölkerung und wie sich die Menschen gegenseitig helfen würden. So erzählte er von einem mausarmen Zimmermann, der für verletzte und alte Menschen gratis Gehstöcke herstellt. Auf die an den Zimmermann gerichtete Frage, was seine Motivation sei, die Gehstöcke gratis abzugeben, antworte er nur: Er wolle einfach helfen. Von den 6,6 Millionen im Land Vertriebenen leben rund 90 Prozent in Armut. Der UNHCR betreibt in Syrien rund 130 Communitycenter. Es gibt ein enormes Bedürfnis an Lebensnotwendigem: Taschenlampen für die Sicherheit, Schutzräume für Notfälle, Matratzen, Zelte etc. Die Menschen haben oft keine offiziellen Dokumente und brauchen Hilfe bei der Wiederbeschaffung.
Die Situation im Libanon verschärft sich
Eindrücklich schilderte Karolina Lindholm Billing, die seit zehn Jahren vor Ort ist, die Situation für die syrischen Flüchtlingen im Libanon. Vor zehn Jahren gingen die Menschen, die aus Syrien ins Nachbarland flüchteten davon aus, dass alles sehr schnell gehen würde und sie schon bald wieder in ihre Heimat zurückkehren könnten. Auch der Libanon ging damals von Soforthilfe aus. Aus diesem Grund sind die Syrerinnen und Syrer nicht an einem Ort, in einem Flüchtlingslager, sondern über den ganzen Libanon verstreut. Das macht es heute schwieriger, für alle Zugang zu Schulen und Spitälern zu organisieren. Und der Libanon steckt zurzeit in einer enormen wirtschaftlichen Krise. Gemäss der süddeutschen Zeitung ist die Libanesische Währung im Freien Fall. Alleine seit Dezember seien die Lebensmittelpreise um rund 400 Prozent gestiegen. Die libanesische Bevölkerung kämpft selber an allen Ecken und Enden gegen Armut und Korruption. So hat sich die die Stimmung im Verlaufe des letzten Jahres verschlechtert. Die Gastfreundschaft geht aufgrund der eigenen Misere etwas verloren, weil die Libanesinnen und Libanesen ihre Mieten, das Essen und die Gesundheitskosten selber kaum bezahlen können. Das bestätigt auch die geflüchtete Dokumentarfilmerin, Noura Al Turjman. Vor zehn Jahren ist sie als Mädchen geflüchtet. Sie waren damals nicht wirklich willkommen, denn die libanesischen Leute schätzten Syrer nicht sehr. Das bekam sie zu spüren. Dachte sie zuerst, dass sie quasi für Ferien nach Beirut gehe, musste sie bald akzeptieren, dass sie in einem anderen Land aufwachsen wird. Und heute kann sie sich manchmal kaum mehr an ihre Heimat erinnern. Allerdings habe sich die Situation seit der Detonation in Beirut noch einmal verschärt.
Die grosse Resilienz macht Mut
Die grosse Widerstandsfähigkeit, das betonen alle Panel-Teilnehmenden, mache Mut und gebe Hoffnung. Sie sei überall spürbar. Es gäbe sehr viele Menschen, ob jung oder alt, die noch ärmeren Menschen helfen wollen, etwa Kinder unterrichten. Dies auch wenn das letzte Jahr das schlimmste war. Darin sind sich die Menschen vor Ort offenbar einig, wie Sivanka Dhanapala berichtet.
Was die Vertreterinnen und Vertreter des UNHCR in der Nacht nicht schlafen lässt ist, wie sie der Welt vermitteln können, welches Ausmass diese Tragödie hat. Damit die vielen Menschen, von denen fast 50 Prozent noch Kinder sind, von der Welt nicht vergessen werden.
Weitere Informationen
Die Schweizer Stiftung für UNHCR, Switzerland for UNHCR, ist die schweizerische Partnerin der UN-Flüchtlingsorganisation in der Schweiz. Die Stiftung unterstützt die Mission des UNHCR.
Weiter beleuchtet eine durch das IKRK in Auftrag gegebene Studie die Folgen des 10jährigen Konflikts, die Millionen von jungen Menschen in den letzten zehn Jahren erdulden mussten.